Leverkusens Stürmer Stefan Kießling:Vorsingen im Old Trafford

Bayer Leverkusen - VfL Wolfsburg

Im Bestform: Leverkusens Stefan Kießling.

(Foto: dpa)

Leverkusens Angreifer Stefan Kießling agiert in der Form seines Lebens, zum Auftakt der Champions League wartet nun die schwere Auswärtsaufgabe bei Manchester United. Doch der Zeitpunkt, sich dem englischen Meister entgegenzustellen, war noch nie so günstig.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Stefan Kießling ist mit einem blauen Auge davongekommen. Er hatte Angst, dass das linke Auge zuschwillt wie bei einem mittelprächtigen Boxer, aber mehr als einen blauen Schatten unter dem Lid hat er nicht mitgenommen auf den Flug nach Manchester an diesem Montag. Kießlings blaues Auge ist kein Trost, es ist eine Trophäe.

Der Torjäger von Bayer Leverkusen hat die Kolorierung am oberen Wangenknochen just in jenem Moment erlitten, als er sein Team gegen den VfL Wolfsburg zum Sieg köpfelte. Wenig später erzielte er mit einem spektakulären Präzisionsschuss sogar noch den Treffer zum 3:1-Endstand.

Dieses Spiel war die perfekte Einstimmung auf Leverkusens Rückkehr in die Champions League am Dienstagabend bei Manchester United. Während Bayers Trainer Sami Hyypiä lakonisch die Hoffnung äußert, seine Spieler reisten nicht nur nach England, um sich "Autogramme von Wayne Rooney" zu holen, übersieht man angesichts von Kießlings formidabler Verfassung, dass die Spieler von Manchester sich eher um das Trikot des gebürtigen Franken streiten müssten als die Leverkusener um die Uniform des Briten Rooney.

Kießling agiert in der Form seines Lebens und erhält am Dienstag die Gelegenheit, im Old Trafford vorzuspielen. Das ist ein bisschen so, als dürfte ein brillanter Bariton aus der Provinz endlich einmal an der Metropolitan Opera in New York vorsingen. Kießling mitsamt den fidelen Nebenleuten Sidney Sam und Heung Min Son erscheint willens und in der Lage, nach vier Siegen aus den ersten fünf Bundesligaspielen auch Manchesters Innenverteidiger Rio Ferdinand und Nemanja Vidic durcheinanderzuwirbeln, obwohl die beiden in den ersten vier Premier-League-Spielen bloß zwei Gegentore zugelassen haben.

"Ich verstehe mich gut mit Sid und Sonni", sagt Kießling im Bubenjargon und klingt dabei fast zu lapidar. Sam, der gegen Wolfsburg das 1:0 (24.) erzielt hat, bildet mit Kießling ein explosives Duo, dessen treffliches Passspiel heraussticht. Mit nahezu allen Körperteilen hat Kießling seine Mitstürmer gegen Wolfsburg in einschussbereite Situationen gebracht, allerdings vergaben Sam und Son ihre Gelegenheiten fahrlässig.

Keine Angst vor Manchester

So musste Kießling nach Wolfsburgs Ausgleich durch Ivica Olic (39.) die weiteren Treffer (65. und 92.) selbst erzielen. Mit je vier Toren sind Kießling und Sam nun zu zweit in der Spitzengruppe der Torjägerliste vertreten. "Du brauchst solche Stürmer, wenn du in der Bundesliga vorne mitspielen willst", sagt Simon Rolfes, der die Champions-League-Partie am Dienstag zum "wunderbaren Spiel" verklärt, in dem "Manchester der Topfavorit" sei.

Leverkusen reist demütig in den Nordwesten Englands, dabei gab es zuletzt keinen besseren Zeitpunkt, um es mit einem der stärksten britischen Klubs aufzunehmen. Die Mannschaft macht unter der Monarchie des Trainers Hyypiä idealtypisch dort weiter, wo sie ihre ansehnliche Saison unter der Dualherrschaft Hyypiä/Sascha Lewandowski beendet hat. Der Finne Hyypiä dirigiert weiter das bewährte 4-3-3-System, hat aber den Kader auf eine breitere Basis gestellt und die Verteidigung mit dem 33-jährigen Emir Spahic stabilisiert.

Vier Siege aus fünf Spielen haben den Leverkusenern Selbstvertrauen gegeben, allerdings stehen als nächstes drei Auswärtsspiele in drei unterschiedlichen Wettbewerben an, die aufzeigen werden, wohin die Reise geht. In Manchester (Champions League), in Mainz (Bundesliga) und in Bielefeld (DFB-Pokal) müssen sie ihren Trend auf ganz unterschiedlichen Qualitätsebenen bestätigen.

Mit den nationalen Branchengrößen Dortmund und München halten die Rheinländer bislang halbwegs mit, aber ob sie es auch mit kontinentalen Topklubs wie Manchester aufnehmen können, muss sich zeigen. "Dass ManUnited Favorit ist, sieht man schon daran, dass sie bei der Auslosung im Pott eins waren und wir in Pott drei", witzelt Hyypiä.

Allerdings weiß Mittelfeldmann Rolfes auch, dass Manchester nicht mehr den Glanz vergangener Tage besitzt: "Manchester ist nicht mehr absolute europäische Spitze, aber sie kommen kurz dahinter, und das ist auch nicht schlecht."

20 Jahre ist es jetzt her, dass Leverkusen letztmals einen Titel gewonnen hat: den DFB-Pokal. "Meister zu werden oder die Champions League zu gewinnen, ist für uns doch geradezu unmöglich", sagt Sportdirektor Rudi Völler. Man bleibt bescheiden. Ob aus Kalkül oder Erfahrung, wird sich in Manchester richtungsweisend zeigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: