Leverkusens Sieg gegen Hertha:Aus 0:1 mach 4:2

Bayer Leverkusen's Kiessling and Jedvaj celebrate Jedvaj's goal against Hertha BSC Berlin during their German first division Bundesliga soccer match in Leverkusen

Leverkusens Tin Jedvaj (re.): Erst Pechvogel, dann Glückskind

(Foto: REUTERS)

Bayer Leverkusen strauchelt gegen Hertha BSC, doch dann dreht das Team von Roger Schmidt die Partie und präsentiert sich erneut rasant, überfallartig und ziemlich frech. Dabei sorgen vor allem zwei 18-Jährige für Aufregung.

Von Lisa Sonnabend

Es dauerte nur wenige Sekunden. Julian Brandt eroberte den Ball, beförderte ihn zu Hakan Calhanoglu, der sah Karim Bellarabi. Tor. Rasant, mutig, frech. Auch beim zweiten Saisonspiel führten die Leverkusener - zumindest zeitweise - wieder vor, wie unbeschwert und erfolgreich ihr neuer Spielstil ist.

Der FC Bayern werkelt noch an seinem Kader, Borussia Dortmund sucht nach der Form, Schalke 04 diskutiert mal wieder über seinen Trainer. Und Bayer Leverkusen? Die Elf von Roger Schmidt versetzt die Fußballwelt in Staunen. Mit einem unerbittlichen Pressing überrollte Bayer in der vergangenen Woche erst den BVB, dann qualifizierte sich die Elf gegen den FC Kopenhagen locker für die Champions League. Am Samstagnachmittag gegen Hertha BSC folgte nun ein 4:2 (0:1) - und zumindest in der zweiten Hälfte sah das Spiel wieder so unbeschwert und überfallartig aus, dass Leverkusen erneut einige Anhänger hinzugewonnen haben dürfte.

"Das war für uns ein sehr schwieriges Spiel", sagte Trainer Schmidt nach der Partie."Wir haben Hertha lange den Gefallen getan, unsere Stärken nicht auszuspielen. In der Halbzeit haben wir es als Herausforderung gesehen, auch an einem solchen Spiel zu wachsen. Am Ende haben wir verdient gewonnen." Hertha-Trainer Jos Luhukay erkannte an: "In der 2. Halbzeit hat Leverkusen es fantastisch gemacht. Es ist schwer, diese Jungs über 90 Minuten komplett abzumelden."

Schmidt vertraute der gleichen Elf wie bei den Spielen zuvor. Luhukay dagegen tauschte nach dem Unentschieden gegen Werder Bremen gleich fünf Spieler aus, was aber vor allem an dem großen Verletzungspech lag. Herthas Ziel in dieser Partie lautete: kompakt gegen die mutigen Leverkusener stehen, aber auch selbst die Initiative ergreifen. Und das gelang zunächst.

Gegen den BVB hatte Leverkusens Karim Bellarabi nach nur neun Sekunden getroffen, so schnell wie kein Bundesliga-Spieler zuvor. Gegen Kopenhagen hatte Stefan Kießling gerade einmal 69 Sekunden benötigt. Gegen Hertha BSC dauerte es nun jedoch deutlich länger.

Leverkusen engte nach Anpfiff den Gegner ein, dominierte das Spiel. Doch die Hertha stand geschickt, störte früh, ließ keine allzu großen Lücken aufkommen. Wenn die Berliner einmal den Ball hatten, fanden sie allerdings ebenso selten unbevölkerte Plätzchen auf dem Feld.

Ein erster Freistoß von Bayer-Zugang Hakan Calhanoglu donnerte derart weit über der Latte, dass der türkische Nationalspieler entschuldigend die Hände hob (13.). Wenig später spielte Bellarabi herrlich mit Son Heung-min Doppelpass. Der Winkel war jedoch zu spitz, der Ball segelte am rechten Torpfosten vorbei und Bellarabi trat wütend in die Werbebande.

Dass sein Fuß bei diesem unkontrolliertem Ausbruch unverletzt blieb, demonstrierte Bellarabi anschließend: Wenig später tauchte der Offensivspieler alleine vor Rune Jarstein auf, der für den verletzten Thomas Kraft im Tor aushalf. Doch der 1,90 Meter große Norweger reckte die Hände nach oben und bekam Bellarabis Lupfer zu fassen (19.).

In der 24. Minute schließlich traf Leverkusen. Der Fünfer-Abwehr-Riegel der Hertha war an dem Tor allerdings unschuldig - im Gegensatz zur Leverkusener Verteidigung. Eigentor. Im Mittelfeld war Bayer der Ball unnötig abhanden gekommen, Hertha-Stürmer Julian Schieber flankte in den Strafraum. Das Zuspiel war eigentlich für Hajime Hosogai gedacht, doch der 18-jährige Verteidiger Tin Jedvaj rutschte dazwischen, bugsierte den Ball unerreichbar ins eigene Tor und blieb entsetzt auf dem Rücken im Gras liegen.

Leverkusen gibt den Serienräuber

Leverkusen war erstmals in dieser Saison unter Druck geraten - und konnte sich aus dieser Lage lange nicht befreien. Erst kurz vor der Halbzeit kam der Champions-League-Teilnehmer dem Tor des Gegners wieder gefährlich nahe. Doch auch Hertha erspielte sich noch zwei Möglichkeiten.

Nach der Halbzeit versuchte es Schmidt mit U19-Europameister Julian Brandt statt Son. Es kam deutlich mehr Schwung in die Partie. Gonzalo Castro wühlte sich in der 50. Minute entschlossen an vier Berlinern vorbei, sah, dass der junge Verteidiger Jedvaj sich weit nach vorne gewagt hatte, und legte ihm den Ball vor die Füße. Der zögerte nicht lange, umkurvte Jarstein und machte den zweiten Treffer des Tages. Diesmal ins richtige Tor.

Leverkusen überfiel die Berliner nun so regelmäßig wie ein Serienräuber. Doch eine unglückliche Aktion von Bernd Leno reichte Hertha, um wieder in Führung zu gehen. Der Torhüter wehrte eine Flanke mit der Faust ab, der Ball flog steil nach oben. Schieber hüpfte lässig hoch und beförderte den Ball mit dem Kopf ins leere Tor (60.). Sein dritter Treffer in nur zwei Saisonspielen, so viele Tore hatte der Stürmer beim BVB in 25 Partien erzielt.

Diesmal reagierte Leverkusen schneller. Nur zwei Minuten später trat Calhanoglu einen Freistoß, der sich direkt über dem Kopf von Emir Saphic senkte. Der hatte ähnlich wenig Mühe wie zuvor Schieber, den Ball ins Tor zu lenken. Die ambitionierten Leverkusener wollten mehr als nur ein Unentschieden, sie wurden gefährlicher. Ein starker Schrägschuss von Calhanoglu knallte an den rechten Pfosten (73.). Dann trickste Bellarabi die komplette Berliner Abwehr aus - auch er traf nur den Pfosten. Doch der Ball prallte zurück vor die Füße von Julian Brandt, der mittig einnetzte (74.).

Das schönste Tor des Abends erzielte schließlich Bellarabi. Calhanoglu flankte auf den schnellsten Schützen der Bunddesligahistorie, der fackelte nicht lange, nahm den Ball volley und hämmerte ihn ins linke Toreck. Rasant, mutig, frech.

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