Leverkusen zu Gast bei Schalke 04:Spannung jenseits des Spitzenduos

Bayer 04 Leverkusen v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Bayer Leverkusens beste Offensivspieler Schürrle und Kießling freuen sich über ein Tor gegen den VfL Wolfsburg.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

In der Bundesliga duellieren sich Schalke 04 und Bayer Leverkusen um den letzten direkten Champions-League-Platz. Von einer größer werdenden Lücke zu den beiden Halbfinalisten FC Bayern und Borussia Dortmund wollen beide Klubs nicht viel hören. Und noch eines ist ihnen gemeinsam: das Reizwort Wolfsburg.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Die gute Nachricht an die Anhänger seines Klubs überbrachte Jens Keller bereits am Donnerstag: Schalke 04 wird trotz der Muskelverletzung von Jefferson Farfán die Teilnahme an dem sogenannten Top-Spiel der Bundesliga gegen Leverkusen nicht stornieren, "wir werden unser Spiel nicht einstellen, weil Jeff nicht dabei ist", gab der Trainer bekannt.

Dies ist zugleich aber auch die schlechte Nachricht an die Fans von Schalke 04. Die Mannschaft muss ohne ihren peruanischen Rechtsaußen klarkommen, der im laufenden Saisonbetrieb der erstaunlichste Spieler in Gelsenkirchen ist. Diesmal jedoch unter umgekehrten Vorzeichen: In früheren Jahren galt er als unergründliches Wesen mit Launen, die er selbst nicht begreifen konnte. "Jeff ist Jeff", pflegte sein Trainer Huub Stevens die unbeherrschbaren Eigenheiten des Flügelstürmers zu resümieren.

In dieser Saison jedoch bietet Farfán eine zuverlässige Garantie auf starke Leistungen und fällt damit nun auf andere Weise in seinem Team auf, das lediglich eine einzige Garantie bietet: die auf starke Gleichgewichtsstörungen.

Viele Verletzte bei Schalke

Der Trend in Schalke schien zuletzt nach oben zu zeigen, fünf Siege in sechs Spielen ergeben ein vermeintlich eindeutiges Indiz, doch dies ist trügerisch. Die Leistung beim 2:0 in Bremen ließ den Manager Horst Heldt partiell verzweifeln, die erste Halbzeit war ein Schauspiel des Grauens. Insofern meint es Heldt sogar ernst, wenn er Bayer 04 zum Favoriten erklärt: Dem Erfolgstrend traut er nur bedingt, zumal da der Chefcoach außer Farfán und den Langzeitverletzten (Afellay, Papadopoulos, Barnetta, Obasi) auch Jones, Neustädter und Huntelaar ersetzen muss. Den Leverkusenern fällt es leichter, die wegen Sperren aussetzenden Stammspieler Reinartz und Boenisch zu ersetzen.

Wenn Schalke und Bayer jetzt im Spitzenspiel das Duell um den dritten Platz eröffnen, dann ist das nominell ein Ereignis, das noch in Papua-Neuguinea einige Zuschauer finden sollte. Doch es ist auch das Duell zweier ambitionierter Klubs, die im Laufe dieser Woche vom FC Bayern und von Borussia Dortmund noch etwas mehr abgehängt wurden. Davon will man in Gelsenkirchen und Leverkusen aber nicht so viel hören, aus unterschiedlichen Gründen.

Keine Angst vor einem Zyklus des Dualismus

Heldt glaubt nicht, dass Borussia Dortmund durch den Halbfinaleinzug in der Champions League den Vorsprung auf die Konkurrenten wesentlich vergrößert hätte und der Liga ein Zyklus des Dualismus bevorstehe. Er bedient sich dazu einer negativen Beweisführung: "Keiner kommt an Bayern ran", sagt er und verweist darauf, dass Bayern auch in den Dortmunder Meisterjahren "der Klub mit der größten Kraft" gewesen sei - "und das wird in den nächsten 50 Jahren auch noch so sein".

In Leverkusen fürchtet man hingegen weder die Dortmunder noch die Bayern - weil man sich erst gar nicht mit den Großklubs messen möchte. "Wir haben Grenzen", betont Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, und im Management wird dazu die Geschichte erzählt, wie Bayer vor zwei Jahren aus finanziellen Gründen eine schwere Entscheidung treffen musste. Es ging nach der Verpflichtung von André Schürrle darum, ob Bayer auch Ilkay Gündogan aus Nürnberg hinzufügen könnte. Die Konditionen waren angeblich ausgehandelt - bis Bayer aus Kostengründen Abstand nahm.

Dass die Bayer 04-Fußball-GmbH in Anbetracht der Münchner Dominanz und des Dortmunder Wachstums bei der Bayer AG um höhere Subventionen bittet, ist angeblich undenkbar. Die gegenwärtige Politik sei alternativlos, "Leverkusen ist nicht Wolfsburg". Auch in Schalke kommt die Rede schnell auf das Reizwort Wolfsburg. Heldt ist überzeugt, dass die zusätzlichen Europacup-Einnahmen weder Bayern noch Dortmund mehr Einfluss verschafften, als sie ohnehin schon hätten: "Und ich glaube nicht, dass Wolfsburg weniger Geld hat. Da musst du, glaube ich, zwanzig Mal ins Endspiel kommen, um so viel Geld zu verdienen, wie Wolfsburg zur Verfügung hat."

In dem Spiel am Samstag bildet sich im Übrigen auch ein Kommentar auf den Stand der Liga ab. Während die bürgerliche Mittelklasse in Hamburg, Bremen, Stuttgart und Hannover über Daseinsfragen und Zukunftsängsten brütet und der SC Freiburg als Gewinner des Jahres zusehen muss, wie ihm die wertvollsten Spieler abgeworben werden, dürfen sich die Schalker und die Leverkusener immerhin noch als logische Anwärter auf die Plätze hinter dem Spitzenduo ansehen.

Heldt wäre am Ende wohl auch mit Rang vier zufrieden, der in die Qualifikationsspiele für die Champions-League-Saison führt. Dann wäre Schalke gesetzt, das mindert das Risiko. Und was die langfristige Perspektive angeht, besteht Heldt auf ehrgeizigen Zielen. Er werde es sicher noch erleben, dass Schalke eine deutsche Meisterschaft gewinnt, hat er in dieser Woche gesagt. Er wisse bloß nicht, ob er dann noch Manager oder schon Rentner sei.

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