Leverkusen - Wolfsburg (17.30 Uhr):Lieber gemächlich

Die beiden dienstjüngsten Trainer der Liga treffen aufeinander. Sie setzen beide auf Routine, stehen aber weiterhin nahe am Abgrund.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Tayfun Korkut hat diesen Sonntag Geburtstag. Er sagt: "Ich bin überhaupt kein Fan von Geburtstagen." Aber dem Geburtstag dürfte das wiederum egal sein. Der Stuttgarter Korkut wird trotz ablehnender Haltung 43 Jahre alt. "Ja, ich werde älter - und hoffentlich auch weiser", sagt er grinsend. Dabei tritt er als Trainer in der Fußball-Bundesliga zurzeit als Jüngster in Erscheinung: als dienstjüngster Trainer nämlich. Gerade mal 27 Tage ist er jetzt im Amt bei Bayer Leverkusen.

Drei Spiele haben die leidgeprüften Rheinländer unter ihm bestritten, keines gewonnen und nur ein einziges Törchen erzielt beim 1:1 gegen Bremen. Korkut muss vor allem seine Spieler weiser machen, dazu bietet sich die Heimpartie am späten Sonntagnachmittag gegen den VfL Wolfsburg an. Dort ist seit 34 Tagen der Trainer Andries Jonker im Amt. Das Spiel wird also nicht nur das Duell zweier gebeutelter Werksmannschaften, sondern auch jenes der beiden derzeit dienstjüngsten Trainer und vor allem zweier Mannschaften, die sich, so Korkut, "beide weiter oben sehen als sie es derzeit sind."

Es gibt in der internationalen Trainerausbildung offenbar ein kleines Büchlein, in dem die relevantesten Regeln für die Übernahme einer Profifußball-Mannschaft prägnant zusammengefasst sind, denn der Schwabe Korkut und der Niederländer Jonker bedienen sich beide ähnlicher Strategien. So setzten beide in ihren bisherigen drei Pflichtspielen auf ein solides, wenig experimentelles 4-2-3-1-System und auf ein identisches personelles Grundgerüst. Korkut hat in seinen ersten drei Startformationen sieben Fußballer wiederkehrend eingesetzt, Jonker sogar acht.

Der dienstjüngste Trainer Korkut setzt auf Routine und Sicherheit

Neue Trainer wollen Vertrauen ausstrahlen und Vertrauen geben - aber mit jeder Entscheidung für einen Spieler muss ein anderer draußenbleiben. So sind der Innenverteidiger Aleksandar Dragovic und der Mittelfeldmann Julian Baumgartlinger die Gewinner bei Korkut - und der Mittelfeldspieler Charles Aranguiz und das 17 Jahre alte Offensivtalent Kai Havertz die Verlierer.

Korkut setzt auf Routine und Sicherheit, er lässt tiefer stehen und bei Ballbesitz mehr kontrollieren. Unter seinem Vorgänger Roger Schmidt hatte die Mannschaft hoch gepresst und nach Balleroberung ein Höllentempo angezettelt. Nun machen sie das Gegenteil. Als Lohn zelebrierten sie ein 0:0 bei Atletico Madrid gegen gemächliche, weil ihres Viertelfinalezugs in der Champions League bereits sichere Madrilenen. Beim anschließenden 0:1 in Hoffenheim ist den Leverkusenern dann aber schon wieder kein Tor gelungen. "Am wichtigsten ist in diesem Zusammenhang, dass wir hartnäckig bleiben", sagt Korkut, "dass wir nach verpassten Torchancen nicht den Kopf hängen lassen, denn sonst kriegen wir richtig Probleme." Dass nach dem gesperrten Hakan Calhanoglu auch für Lars Bender die Saison wegen einer Sprunggelenks-OP beendet ist, macht die Sache nicht einfacher.

Wenn sie den Kopf jedoch hängen lassen, dann geraten sie womöglich noch in jene Tabellenregion, in der die Wolfsburger sich bereits befinden. Allerdings hat der Trainerwechsel dort bislang besser gefruchtet als in Leverkusen. Jonker hatte, zunächst gezwungenermaßen, den Torwart Koen Casteels in die Startformation genommen, weil Diego Benaglio verletzt war. Das hat sich aber insofern nicht als Nachteil erwiesen, als die Mannschaft bloß beim 1:1 in Mainz ein Gegentor bekommen hat und zuletzt in Leipzig und gegen Darmstadt keines mehr. Aus diesem Grund hat Jonker nun beschlossen, auch nach Benaglios Genesung Casteels im Tor zu belassen. "Er hat sich das verdient."

Jonkers Coup: die Rückendeckung für Mario Gomez

Jonkers größerer Coup aber war die explizite Rückendeckung für den Stürmer Mario Gomez. Er hat alle drei Tore geschossen, je eines gegen Mainz sowie bei beiden 1:0-Siegen gegen Leipzig und Darmstadt. Obwohl sieben Punkte aus den ersten drei Spielen eine glänzende Ausbeute sind, stehen die Wolfsburger noch immer nahe am Relegationsplatz.

Und obschon die Leverkusener auch bloß zwei Punkte mehr haben als die Wolfsburger und die Niedersachsen im Falle ein Heimniederlage am Sonntag sogar an sich vorbeiziehen lassen müssten, wollen sie bei Bayer vom Abstiegskampf nichts wissen. "Wir haben eine sehr, sehr positive Grundstimmung in der Mannschaft", sagt Korkut, "und wollen in diesem Spiel die Richtung nach oben einschlagen." Er könne durchaus verstehen, wenn Fans sich angesichts der derzeitigen Lage sorgten, aber er selbst wolle den Blick nach oben keinesfalls aufgeben.

Während Jonker in Wolfsburg einen Vertrag bis 2018 erhalten hat, gilt Korkuts Verabredung mit Bayer zunächst nur bis zum Ende dieser Saison. Und so kämpft Leverkusen nicht nur um seine schwindende Chance auf einen internationalen Platz, sondern der Trainer auch um eine Zukunft auf der Bayer-Bank. Was das angeht, wird Korkut an seinem 43. Geburtstag allerdings kaum weiser sein. Das wird eher noch ein paar Wochen dauern.

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