LeverkusenVollbremsung für die gute Laune

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Wieder Bodenhaftung: Die Erfolgsserie von Nadiem Amiri und Bayer Leverkusen ging gegen Wolfsburg abrupt zu Ende.
Wieder Bodenhaftung: Die Erfolgsserie von Nadiem Amiri und Bayer Leverkusen ging gegen Wolfsburg abrupt zu Ende. (Foto: Marius Becker/dpa)

Bayer, zuletzt auf dem Weg in die Champions League, gerät außer Tritt.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Spaziergänger, die am Dienstagabend um 22.14 Uhr über Leverkusens Bismarckstraße flanierten, könnten spontan gute Laune bekommen haben. Auf Höhe der BayArena schallte der Oldie "Rockin' all over the World" von Status Quo aus dem Stadion. Im Liedtext heißt es wörtlich: "And I like it, I like it, I like it, I like it, I la-la-la-like it, la-la-la-like it." So klang die Tormusik anlässlich eines Treffers für Bayer Leverkusen fünf Minuten vor dem Abpfiff. Fünf Siege in Serie hatten sie mit in ihr erstes Geisterheimspiel genommen, die beste Rückrunde der Vereinsgeschichte spielten sie zuletzt. Doch die Tormusik klang diesmal wie Spott, niemand war in La-la-Laune. Das besungene Tor war nur der 1:4-Ehrentreffer gegen den VfL Wolfsburg - in einem Spiel, das die Leverkusener Champions-League-Ambitionen hätte unterstreichen sollen, das aber stattdessen andeutete, wie schwer dieses Unterfangen noch werden könnte.

Peter Bosz hat früher für acht Klubs gespielt, als Trainer erlebt er in Leverkusen auch schon seine achte Station. Der 57 Jahre alte Niederländer weiß um die Unwägbarkeiten des Fußballs. Deshalb hatte er nach dem 3:1-Sieg in Mönchengladbach auf Fragen nach seinen Champions-League-Ambitionen geantwortet: "Wenn wir immer das nächste Spiel gewinnen, dann spielen wir Champions League."

Das war eine Variation zweier Fußballerfloskeln, wonach man von Spiel zu Spiel denken müsse und das nächste Spiel immer das schwierigste sei. Und in der Tat: Schon die Partie gegen Wolfsburg, eine vermeintlich lösbare Aufgabe beim Versuch, die Siegesserie zu verlängern, erwies sich als zu schwierig. Die Wolfsburger stellten die Leverkusener derart geschickt zu, dass diese sich nicht entfalten konnten. Wolfsburg hätte auch 7:1 gewinnen können, hätte Bayer-Torwart Lukas Hradecky nicht dreimal prima pariert. Man spielte ihm dafür aber keinen Radetzky-Marsch ein.

Im Gegensatz zum Torwart gelang dem Bayer-Wunderkind Kai Havertz, 20, diesmal gar nichts, wenngleich er auf kuriose Weise seine Serie von Torbeteiligungen ausbaute. Nach sechs Bundesliga- und sogar zehn Pflichtspielen mit Treffern oder Vorlagen war er auch diesmal an einem Tor beteiligt - allerdings an Wolfsburgs 2:0, als er einen Freistoß von Maximilian Arnold ins eigene Tor abfälschte. "Wir haben überhaupt keine Aggressivität gezeigt", klagte Bosz: "Mit der richtigen Passschärfe braucht man wenige Stationen nach vorne, aber das haben wir nicht geschafft."

Geschafft haben sie immerhin, einen Mann glücklich zu machen, der nach eigener Auskunft gar nicht wusste, dass er Tore schießen kann: Der Kroate Marin Pongracic, im Januar aus Salzburg nach Wolfsburg gekommen, ist als Innenverteidiger für die Verhinderung von Treffern zuständig und hatte in seiner Profikarriere zuvor noch nie ein Tor geschossen - am Dienstag aber gleich zwei: "Ein tolles Gefühl!"

Das mochten die Leverkusener so nicht bestätigen, allerdings erhalten sie die Chance zur Rehabilitation bereits am Freitag in Freiburg. "Vielleicht bekommen wir dann schon die Antwort", sagte Bosz auf die Frage, ob er dieses 1:4 für einen singulären Ausrutscher halte. Schon vor dem Wolfsburg-Spiel hatte er auf die Herausforderungen des Corona-Spielplans verwiesen, der für Leverkusen vier Spiele binnen zwölf Tagen vorsieht: In der Vorwoche gewann man 4:1 in Bremen, am Samstag 3:1 in Mönchengladbach und nach der Niederlage am Dienstag steht nur weitere drei Tage später die Reise in den Breisgau an. Die Regenerationszeit sei zu kurz, um richtig frisch zu werden, sagt Bosz, "und gegen Wolfsburg waren wir absolut nicht frisch". Dem Niederländer schwant Übles: "Bis Freitag sind es wieder nur zwei Tage zur Erholung". Sehen sich die Leverkusener also als Corona-Terminopfer?

Nein, als Entschuldigung für die Leistung wollte Bosz den Spielplan nicht gelten lassen. Allerdings deutet der Umstand, dass Bayer noch in DFB-Pokal und Europa League vertreten ist, darauf hin, dass es ein stressiger Sommer werden könnte. Julian Baumgartlinger, der die Gute-Laune-Musik mit seinem späten 1:4 ausgelöst hatte, sagte über den phlegmatischen Auftritt jedenfalls treffend: "Wir sind der Musik hinterhergelaufen."

© SZ vom 28.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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