Süddeutsche Zeitung

Leverkusen:Reingebissen und reingekämpft

Beim 2:1 gegen Schalke 04 rotiert Bayer-Trainer Bosz überraschend im Sturm.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Argentinische Nationalstürmer sind bei ihren europäischen Vereinen normalerweise feste Größen: Lionel Messi beim FC Barcelona, Paulo Dybala bei Juventus Turin, Sergio Agüero bei Manchester City, Ángel di María bei Paris Saint-Germain und Lautaro Martínez bei Inter Mailand. Bei Bayer Leverkusen hingegen spielt ein argentinischer Stürmer, der sich immer wieder Sorgen macht um seine Zukunft in der Nationalmannschaft. Sein Vereinstrainer Peter Bosz setzt nämlich nicht ganz so regelmäßig auf diesen Lucas Alario, 27, seit zweieinhalb Jahren in Leverkusen und in diesem Jahr erstmals regelmäßig beim argentinischen Nationalteam.

Alario ist bei Bayer kein Stammspieler. Nur 16 Minuten in den vorangegangenen drei Bundesligaspielen und keine Minute beim Sieg in München hatte er spielen dürfen, bevor seine Leverkusener Schalke 04 empfingen. Die Hoffnungen des Argentiniers auf einen ausgiebigen Einsatz waren überschaubar gewesen, doch Bosz ließ ihn überraschend 90 Minuten durchspielen. Alario dankte es ihm mit beiden Treffern zum 2:1-Sieg. Danach sagte er: "Als Nationalspieler versucht man immer im Blickfeld des Nationaltrainers zu sein." Diesmal ist ihm das bestechend gelungen.

Als nächstes misst sich Alario am Mittwochabend im direkten Duell mit seinem Landsmann und Sturmkollegen Dybala von Juventus. Außerdem dürfte beim Gegner der argentinische Stürmer Gonzalo Higuaín dabei sein, allerdings hat dieser im vergangenen Frühjahr seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt. Einer weniger, der Alario Sorgen bereiten könnte. Dybala hingegen bleibt ein seriöser Konkurrent, aber natürlich geht es in dem finalen Champions-League-Gruppenspiel gegen Juventus Turin primär nicht um argentinische Belange. Für Alario und seine Leverkusener geht es darum, Juventus zu besiegen und darauf zu hoffen, dass Atlético Madrid zeitgleich nicht gegen Lokomotive Moskau gewinnt. Nur dann würde Leverkusen noch ins Achtelfinale rutschen. Man darf jedoch ohnehin nicht denken, für Alario drehe sich alles nur ums Nationalteam. Er will mit Bayer den maximalen Erfolg und sagt vor dem Duell mit Juve: "Das ist eine der besten Mannschaften der Welt, und wir wollen unsere Chance nutzen und noch ins Achtelfinale kommen."

Das Momentum haben die Rheinländer zurzeit auf ihrer Seite. Sie sind seit sechs Spielen unbesiegt, sie haben in der Champions League daheim gegen Atlético und in Moskau gewonnen sowie in der Liga in München und gegen Schalke. "Wir haben einen Lauf", sagt Sportchef Rudi Völler und nennt die Partie gegen Juventus ein "Bonus-Spiel", weil das Team das Champions-League-Achtelfinale noch gewinnen, aber den dritten Gruppenplatz und damit die Teilnahme an der Europa League nach der Winterpause nicht mehr verlieren kann.

Bosz freut sich angesichts solch vielfältiger Herausforderungen über seinen gut sortierten Kader und erklärt damit auch, warum er aus der Siegermannschaft von München überraschend drei Spieler gegen Schalke auf die Bank verbannte und stattdessen unter anderem Alario in die Startelf berief. "Wir haben mehr als nur elf gute Spieler und können rotieren", sagte Bosz, hat aber außer dem quantitativen zuletzt auch ein besonderes qualitatives Merkmal im Kader festgestellt: "Wenn es spielerisch nicht so gut läuft, können wir uns in ein Spiel reinbeißen und reinkämpfen, und das zeigen wir seit einigen Wochen."

Dass seine Leverkusener eine Woche zuvor die Bayern besiegt hatten, schien am Sportchef Völler zu nagen, er hielt nach dem Spiel mehrere Plädoyers für die Stärke der Münchner. "Unterschätzt die Bayern nicht!", ermahnte er und fügte lakonisch hinzu, die Münchner, die zurzeit einen Platz hinter Leverkusen Tabellensiebter sind, gewännen sicher noch "das eine oder andere Spiel".

Alario ist das vermutlich einerlei. Er freut sich, dass er im Blickfeld seines Nationaltrainers Lionel Scaloni bleibt, und zu diesem Zwecke war nicht unwichtig, dass seinen Leverkusenern zuletzt "zwei wichtige Siege gegen zwei super Mannschaften" gelungen sind. Mit einem weiteren Sieg gegen Juventus wäre also sowohl Bayer als auch Alario geholfen - wenn er denn mitspielen darf.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2019
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