Leverkusen:Rechtzeitig zur Stelle

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Die Mannschaft sichert sich im letzten Moment die Champions-League-Teilnahme und hofft, dadurch die Führungskräfte Havertz und Brandt halten zu können.

Von Javier Cáceres, Berlin

Wenn Bayer Leverkusen eine Allegorie auf diese ereignisreiche Saison gesucht hätte, so wäre es wohl schwierig gewesen, eine treffendere zu finden als jene, die Berlin am Samstag bereit hielt. Denn der Weg zum Saisonabschluss geriet für Leverkusen zur Tortur: Die Rheinländer mussten sich durch einen Stau kämpfen und lagen also hinter ihrem Zeitplan zurück - schafften es aber doch noch irgendwie, pünktlich zur Stelle zu sein. Im Olympiastadion, in der Abschlusstabelle. Denn Leverkusen siegte bei Hertha BSC nicht nur 5:1 (2:1), sondern drängelte sich damit erstmals in dieser Saison auf den vierten Tabellenplatz, der zur Champions-League-Teilnahme berechtigt. Der Stau war deshalb so symbolhaft, weil sich die Frage stellt, ob Leverkusen das auch mit weniger Anspannung hätte hinbekommen können.

London calling: Kai Havertz, hier noch im Leverkusen-Trikot, ist jetzt der teuerste deutsche Fußballer, den es je gab - angeblich sogar ein 100-Millionen-Euro-Transfer. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Auch Leverkusen zählt zu den Klubs, die im Laufe der Saison ihren Trainer gewechselt haben, zum Jahreswechsel, um genau zu sein, oder wie man im Lichte der Hin- und Rückrunde sagen müsste: zu spät. Schon zu Saisonbeginn hatte es Debatten und auch interne Verwerfungen gegeben um die Frage, ob Heiko Herrlich noch der richtige Coach sei, obschon er in der Vorsaison das Team (mit einer allerdings durchwachsenen Punktausbeute) an den Rand zur Königsklasse geführt hatte. Zu den Namen, die damals schon als Kandidaten kursierten, zählte auch der Mann, der Leverkusen übernahm und die Rheinländer zur drittbesten Rückrundenmannschaft formte, sie vom neunten auf den vierten Tabellenplatz führte: der Niederländer Peter Bosz, 55. "Er hat einen etwas anderen Fußball und Julian Brandt auf einer anderen Position spielen lassen. Unser ganzes Spielgefüge hat sich verändert", sagte Leverkusens Manager Rudi Völler.

38., 72., 88. Minute: Leverkusens Angreifer Lucas Alario erzielte seinen ersten Bundesliga-Hattrick. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Am Samstag bekam das Hertha zu spüren: Der argentinische Stürmer Lucas Alario erzielte seinen ersten Bundesliga-Hattrick (38., 72., 88.); Kai Havertz (28.) und eben Julian Brandt mit einem Traumtreffer (54.) trugen Einiges dazu bei, die Bedeutung des Gegentors durch Herthas Valentino Lazaro (34.) zur Fußnote geraten zu lassen. "Wenn ich ehrlich bin, war das vor vier, fünf Wochen nicht abzusehen, dass wir so stark zurückkommen", sagte Völler. Leverkusen holte aus den letzten sechs Spielen fünf Siege, am 28. Spieltag lag die Mannschaft noch zehn Punkte hinter dem damaligen Vierten Frankfurt. "Wir sind total glücklich", fügte Völler hinzu.

Vieles klingt nach einem Umbau in dem noch immer nicht abgeschlossenen Übergang

Das lag vor allem daran, dass man hofft, durch die zwölfte Champions-League-Qualifikation der Vereinsgeschichte bessere Karten im Kampf um die Führungskräfte des Kaders zu haben, um Brandt, Havertz, auch den zuletzt auffällig aufspielenden Charles Aránguiz. "Ich habe die Hoffnung, dass sie bei uns bleiben, und ich glaube auch, dass sie bei uns bleiben", sagte Trainer Bosz. Doch am Sonntag klagte Völler bei Sky, dass die Chancen, Brandt zu halten, "fifty-fifty" stünden. "Wenn ein Verein bezahlt und der Spieler da hinwill, ist er nicht zu halten", sagte Völler in Anspielung auf die vertraglich fixierte Ablöse von angeblich 25 Millionen Euro. In der Branche kursiert das Gerücht, dass Brandt sich schon seit geraumer Zeit mit Dortmund einig sei; Völler kündigte in Berlin an, dass in den nächsten Tagen eine Entscheidung fallen werde. Sollte sie zuungunsten Leverkusens ausfallen, dürfte Havertz, 19, verstärkt ins Grübeln geraten; eine Frage wird sein, ob der FC Bayern das Risiko auf sich nehmen will, wie schon bei Kevin De Bruyne oder Leroy Sané von ausländischen Konkurrenten ausgestochen zu werden. Aránguiz wiederum soll, wie in seiner Heimat Chile zu hören ist, geneigt sein, dem Angebot eines nichtdeutschen Spitzenklubs zu folgen. Auch Stürmer Alario hat zuletzt offen über einen Abschied nachgedacht.

Das klingt nach möglicherweise größeren Umbauarbeiten in einer noch immer nicht abgeschlossenen Phase des Übergangs: Nicht nur Bosz wurde ausgetauscht. In Fernando Carro steht seit Mai 2018 ein Vorstandsvorsitzender an der Spitze des Vereins, dem ein fußballspezifischer Background fehlt; Völler hat schon in der abgelaufenen Saison über ein Ende seiner Amtszeit sinniert, und der Ende 2018 bestellte Sportdirektor Simon Rolfes wird sich mehr denn je an seinem Vorgänger Jonas Boldt messen lassen müssen. Wie sich nun endgültig bestätigte, hatte der einen aufregenden Kader zusammengestellt. "Wir müssen breit und gut aufgestellt sein, dass wir unter der extremen Dreifachbelastung bestehen", sagte Völler am Samstag, und er klang dabei, als dürfe sich Leverkusen nicht noch einmal erlauben, im Stau zu stehen.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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