Die meisten Angehörigen von Bayer Leverkusen trugen ein Lächeln im Gesicht, nachdem die Arbeit getan und das Team des deutschen Meisters durch ein 2:0 gegen Sparta Prag ins Achtelfinale der Champions League eingezogen war. Allerdings war es häufig auch ein Lächeln der süßsauren Sorte, denn die Ereignisse, die am Mittwoch den Klub bewegten – der sportliche Erfolg inbegriffen –, steckten voller Zwiespalt und Mehrdeutigkeit.
Schon vor dem Spiel wussten die Verantwortlichen nicht so genau, was sie von der neuesten Nachrichtenlage halten sollten. Dass der 24 Jahre alte Mittelstürmer Victor Boniface, von Trainer Xabi Alonso liebevoll „Bonni“ genannt, offenbar doch im Rheinland bleiben würde, anstatt in die saudi-arabische Pro-League nach Riad zu wechseln, war natürlich eine tolle Neuigkeit. Boniface ist ein Angreifer mit besonderer Wirkung, eine Attraktion des Hauses und ein Werbeträger für die gesamte Bundesliga. Dennoch hätte Leverkusen seinen Umzug nach Arabien durchaus gern unterstützt. Denn die Vertreter des saudischen Klubs Al-Nassr FC hatten eine Ablösesumme in der Nähe von 70 Millionen Euro in Aussicht gestellt und dem nigerianischen Angreifer mit der Offerte von angeblich 15 Millionen Euro Jahreshonorar – selbstverständlich netto – ebenfalls erfolgreich den Kopf verdreht.

Bayer Leverkusen:Xabi-Ball
Wie funktioniert der Fußball, der Bayer Leverkusen zum Meister gemacht hat? Was macht ihn so besonders? Ein Erklärungsversuch mit Taktiktafel.
Wie sich jedoch herausstellte, handelte es sich eher um die Attrappe eines Angebots. Es blieb bei der mündlichen Ansage, während weitere Repräsentanten von Al-Nassr offenbar auch bei anderen europäischen Klubs vorstellig wurden. Al-Nassr habe „mit drei, vier, fünf Vereinen gleichzeitig verhandelt“, berichtete, halb amüsiert, halb befremdet, ein Bayer-Mann am Mittwoch. Schließlich fiel die Entscheidung, den 20-jährigen Kolumbianer Jhon Duran von Aston Villa zu übernehmen. 77 Millionen Euro Entschädigung fließen nach Birmingham.
Boniface hatte sich schon darauf gefreut, mit Cristiano Ronaldo zusammenzuspielen
Boniface hatte via Instagram bereits die nahende Begegnung mit seinem Jugendidol Cristiano Ronaldo gefeiert, der bei Al-Nassr sein Alterswerk vergolden lässt. Am Abend präsentierte sich Boniface im Internet aber wieder als Bayer-Arbeiter, und Xabi Alonso hieß ihn sogleich willkommen („Ich bin zufrieden und glücklich.“). Gleichwertigen Ersatz hätte Manager Simon Rolfes wohl kaum auftreiben können, andererseits bleibt die Frage, ob sich Boniface einfach wieder einreihen lässt. Kein Problem, behauptete Rolfes am Mittwochabend: „Er fühlt sich wohl hier, er ist happy hier“, und den Wunsch nach dem Wechsel könne ihm – unter diesen finanziellen Umständen – ohnehin keiner verdenken.
Verständlich, dass Rolfes das gern so sehen möchte. Doch dieser Abend hielt nun mal keine einfachen Wahrheiten bereit. Selbst das 2:0 gegen Prag, ein weiteres Florian-Wirtz-Festspiel, bescherte einen Zwiespalt, denn durch den Sprung auf Platz sechs der Abschlusstabelle sieht Bayer 04 nach der Logik des Turnierbaums einem anspruchsvollen Achtelfinale entgegen. Real Madrid, Manchester City oder der FC Bayern stehen dann mutmaßlich ins Haus. Als Siebter oder Achter im Tableau wäre das Programm versöhnlicher ausgefallen. Abwehrchef Jonathan Tah versicherte zwar mit einem Lächeln, diese Gegner kämen ihm gerade recht („Dafür spielen wir doch Champions League – um uns auf höchstem Niveau zu messen.“). Doch die süßsaure Note konnte er nicht verbergen.