Leverkusen - Mainz (15.30 Uhr):Keine Lust auf Vorratshaltung

Bundesliga - Bayer Leverkusen vs Bayern Munich

Da staunt auch Arjen Robben: Julian Brandt (links) hat offenbar keine Lust, Leverkusen zu verlassen und eventuell in München anzuheuern.

(Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Es gibt ihn noch, den Spieler, der nicht so schnell wie möglich zum FC Bayern will: Leverkusen hofft, dass Julian Brandt bleibt.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Bei Bayer 04 Leverkusen soll sich im Laufe dieser Woche ein Weltwunder ereignet haben. Etlichen Presseberichten zufolge besteht die Sensation darin, dass Leverkusens junger Nationalspieler Julian Brandt erwägt, auch nächste Saison im Klub zu verbleiben, obwohl der FC Bayern an ihm Interesse zeigt. Anlass der aufsehenerregenden Nicht-Wechsel-Meldung: Jürgen Brandt, der Vater und Berater des 21-Jährigen, hatte der Zeitschrift Sport Bild erklärt, das Ziel seines Sohnes sei es, "nächstes Jahr wieder mit Bayer international zu spielen", er fühle sich dem Verein, dem er seit vier Jahren angehört, noch keineswegs "entwachsen".

Für die von Unterdrückung gepeinigte Bundesliga ist das im Prinzip eine erfreuliche Mitteilung. Scheinbar gibt es noch Nationalspieler, die nicht gleich zur Stelle sind, wenn die Bayern rufen. Doch in Leverkusen registriert man den Vorgang mit Zurückhaltung. Ihn habe es überrascht, dass nun überall von einer neuen Entwicklung die Rede sei, sagte Manager Jonas Boldt: "Bisher hat jeder so getan, als ob der Abschluss mit dem FC Bayern bereits fix wäre und wir keine Chance hätten, Julian zu halten. Jetzt geht der Trend zwar in die andere Richtung, aber die Situation ist immer noch die gleiche." Boldt ist zuversichtlich, doch er empfiehlt: abwarten.

Im nächsten Sommer könnte Brandt für 12,5 Millionen Euro die Seiten wechseln

Die Sorge, dass der FC Bayern zugreifen könnte, ist den Leverkusenern selbstredend nicht fremd. Allein deshalb, weil der vormalige Münchner Kaderplaner Michael Reschke, heute Sportchef beim VfB Stuttgart, einst für den Spielerkader von Bayer zuständig war und deshalb Brandts Arbeitsvertrag haargenau kennt - er hat ihn selbst gemacht, als der Angreifer vor vier Jahren vom VfL Wolfsburg kam. Der 2019 auslaufende Vertrag sieht vor, dass Brandt im nächsten Sommer für 12,5 Millionen Euro die Seiten wechseln darf. In Zeiten wuchernder Preise klingt das nach einem ähnlich einladenden Sonderangebot, wie es die Bayern jetzt im Fall Leon Goretzka wahrgenommen haben, der sogar ablösefrei aus Schalke kommt.

Goretzkas Wechsel hat in dieser Woche eine Debatte ausgelöst, die auch Bayer und Brandt angeht. Nachdem Oliver Bierhoff die Entscheidung des Profis mit dem Argument legitimierte, ein ambitionierter Nationalspieler wolle "Titel gewinnen und ungern auf der Couch sitzen, wenn andere Champions League spielen", geriet der DFB-Manager in den Verdacht, dem FC Bayern die letzten frei laufenden Nationalspieler zuzuführen. Diese Äußerung bedeute ja, so schimpfte Schalkes Manager Christian Heidel, "dass nun jeder Nationalspieler nach München wechseln muss", weil es keinen anderen Verein mit Titel- und Champions-League-Garantie gebe.

Abgesehen davon, dass der Streit den Schalkern dazu dient, den Zorn der Fangemeinde über Goretzkas Weggang auf einen Schauplatz jenseits von Gelsenkirchen zu lenken, lässt sich nicht leugnen, dass die Liga an einem sensiblen Punkt angekommen ist. Die Übermacht der Münchner und ihre Anziehungskraft auf Spitzenspieler erzeugen ohnehin Ohnmachtsgefühle bei den anderen Klubs. Dass Bierhoff nun den Wechsel eines Nationalspielers zu den Bayern mit dessen gesundem sportlichen Ehrgeiz begründet, macht Heidels Ärger plausibel und zur Angelegenheit von öffentlichem Interesse. Der FC Bayern hat mit Serge Gnabry, Niklas Süle, Sebastian Rudy, Sandro Wagner und nun Leon Goretzka seine Nationalspieler-Kollektion zuletzt massiv erweitert, es entsteht der Eindruck von Vorratshaltung.

Boldt spricht von einer "realistischen Chance" auf ein weiteres Jahr

Auch in Leverkusen gibt man sich nicht der Illusion hin, mit den Bayern um Brandt konkurrieren zu können. Es geht bei den demnächst anstehenden Vertragsgesprächen mit Brandt senior um einen Verbleib, der keine langfristigen Garantien bietet. Boldt spricht von einer "realistischen Chance auf mindestens ein weiteres Jahr".

Sicher wird man dann darauf hinweisen, dass München als Sammelstelle für DFB-Spieler nicht jedem Kandidaten einen Platz bieten kann, wie Rudy und Wagner zurzeit erfahren. Aber das muss man Brandt wohl gar nicht sagen, denn der weiß selbst, dass in seinem jetzigen Fußballer-Leben ein Stammplatz das wichtigste ist. Zumal er kein Fußballer ist, der immer macht, was alle anderen Fußballer machen.

Als er mit der Nationalelf beim Confed Cup war, hat er erzählt, was passieren würde, wenn er künftig den gleichen Urlaub wie andere Star-Spieler planen sollte: "Wenn ich meinen Kumpels sagen würde, wir fliegen nach St. Tropez, liegen auf einer Yacht und trinken Champagner, würden sie sagen: Julian, bist du verrückt? Lass uns nach Malle fliegen und Dosenbier trinken." Während etwa der Leipziger Profi Emil Forsberg seinem Berater aus alter Verbundenheit einen Ferrari schenkte, hat Brandt seinen Eltern in Bremen ein Haus gekauft. Auf die Frage nach seinem Karriereplan entgegnete er: "Ich kann nicht mal planen, was ich nächste Woche mache."

So erlebt man ihn manchmal auch auf dem Platz - ein wenig planlos. Brandts technisches Spiel bietet immer wieder spektakuläre Höhepunkte, im Ganzen ist es aber längst nicht ausgereift. Verträumte Momente und Mängel in der Defensivarbeit haben Trainer Heiko Herrlich aber nicht davon abgehalten, dem 21-Jährigen zuverlässig einen Stammplatz zur Verfügung zu stellen. Brandt hat in dieser Saison nicht immer Bayern-tauglich gespielt, aber er ist Teil des Aufwärtstrends in Leverkusen, was den Klub im Hinblick auf die Vertragsgespräche etwas Sicherheit gibt. "Julian muss nicht nach Dortmund oder Leipzig gehen, um sportlichen Erfolg zu haben", meint Boldt. München ist eventuell ein anderes Thema.

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