Leverkusen:Immer dieselbe Kassette

GER 1 FBL Bayer 04 Leverkusen vs FC Augsburg 08 12 2018 BayArena Leverkusen GER 1 FBL Baye

Ein schmerzlicher Arbeitstag: Andreas Luthe (rechts) beißt sich auf die Zunge, als er das Knie des Leverkuseners Kevin Volland abbekommt.

(Foto: Bratic/imago/Nordphoto)

Bayer 04 Leverkusen leidet ebenso wie der FC Augsburg unter einer akuten Angriffsschwäche.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Mit drei spanischen und zwei deutschen Wörtern fassten Leverkusens Fußballer ihren Erfolg zusammen: "Tres puntes importante", bejubelte der argentinische Torschütze Lucas Alario nach dem mauen 1:0 über den FC Augsburg - "drei wichtige Punkte". Der neue Sportdirektor Simon Rolfes fand: "Glück gehabt." Spielerische und rhetorische Mangelverwaltung prägen aktuell den herbstlich tristen Fußball von Bayer 04. Da sind drei Punkte im Kampf um den Anschluss an die obere Tabellenhälfte fast schon zu viel des Lohns. "Wir haben etwas nachzuholen", sagte Trainer Heiko Herrlich über die bislang trübe Hinrunde. Er hat die Ansage des Sportmanagers Rudi Völler verinnerlicht: "Acht, neun Punkte aus den vier Spielen bis Weihnachten." Die Restforderung aus den Spielen in Frankfurt, auf Schalke und gegen Berlin lautet folglich: mindestens fünf Punkte.

Die große Frage bei dem auf die Champions League erpichten Klub bleibt, was bloß mit den Stürmern Alario, Leon Bailey und Julian Brandt los ist? In der vergangenen Saison hat jeder von ihnen neun Tore in der Bundesliga geschossen, damit hatten sie einen Anteil von 46 Prozent an den 58 Leverkusener Bundesliga-Treffern. Nach 14 Spieltagen dieser Saison haben die drei bloß noch einen Anteil von 15 Prozent an den zwanzig Leverkusener Bundesliga-Toren. Brandt traf in 14 Spielen: einmal. Bailey traf in 13 Spielen: einmal. Alario traf in elf Spielen: einmal. Erbärmliche Quoten.

"Ich versuche immer, der vorderste Verteidiger zu sein", sagte der Mittelstürmer Alario kürzlich zu seiner taktischen Rolle auf dem Feld. Liegt's etwa daran? Werden die Stürmer bei Bayer zu sehr aufs Verteidigen gepolt? Alario war bei seinen elf Einsätzen 583 Minuten im Spiel, in dieser Zeit schossen die Leverkusener neun Tore, kassierten aber zehn. Im Eishockey ist das die sogenannte Plus-Minus-Bilanz. Alarios Plus-Minus-Bilanz ist also: minus eins. So viel zu seiner Effektivität als Verteidiger.

Gegen die sehr auf Torverhinderung erpichten Augsburger taten sich die Leverkusener 72 Minuten lang schwer. Dann kam Alario, der in dieser Saison zuvor 565 Minuten lang kein einziges Tor geschossen hatte - und traf nach 134 Sekunden zum Sieg. "Ich bin erleichtert", sagte der 26-Jährige, der sich nach einer Rückkehr in die argentinische Auswahl sehnt. Dreimal hat er im Nationaltrikot spielen dürfen, sein letzter Einsatz ist fast eineinhalb Jahre her.

Der bislang beste Leverkusener Torschütze ist Kevin Volland, aber das einzige, was der gegen Augsburg traf, war der Kopf des Torwarts Andreas Luthe. In der 30. Minute stießen die beiden zusammen, Volland mit dem Knie voran. Luthe verknackste sich dabei den Hals und biss sich ein Stück von der Zunge ab. Er konnte aber weiterspielen und bewies nach der Partie seine gedankliche Klarheit mit der Pointe, er wisse, wo er sei und wie das Ergebnis laute. Letztgenanntes war freilich ein weiterer schmerzlicher Hieb. Das 0:1 bedeutete die vierte Niederlage nacheinander sowie das fünfte sieglose Spiel. "Das ist mittlerweile so, als spielte man die immer selbe Kassette ab", sagte Luthe. Der Torwart hat seinen Humor nicht verloren, weil er die Qualität im Kader für angemessen hält: "Wir arbeiten hart, und in der Mannschaft steckt mehr als wir bisher gezeigt haben."

"Langsam müssen wir aufpassen", findet Augsburgs Stürmer Hahn

Diese Ansicht teilt der Trainer Manuel Baum, der gern daran erinnert, dass der FC Augsburg in seiner siebeneinhalbjährigen Bundesligazeit schon häufig in solch schwierige Situationen geraten ist und sich jedes Mal daraus befreien konnte. "Ich bin hundertprozentig sicher, dass die Qualität in unserem Kader groß genug ist", sagt Baum. Die Zahl der ausfallenden Spieler reduziert sich sukzessive, die letzten drei Spiele vor Weihnachten bestreiten die Augsburger gegen Schalke, in Berlin und gegen Wolfsburg. "Wir müssen weiter arbeiten", sagt Baum, "das klingt wie eine Floskel - und ist auch eine."

Womit der Trainer nicht sagen wollte, man nehme die Situation nicht ernst. Sein Angreifer André Hahn sagt stellvertretend: "Langsam müssen wir aufpassen, langsam wird es brisant." Das Heimspiel gegen Schalke am kommenden Samstag ist wegweisend: Bei einer Niederlage verlieren die Augsburger den Kontakt zum Mittelfeld, im Falle eines Sieges aber könnten sie Schalke überholen und nach vorn rücken. "Bis jetzt haben wir nicht gezeigt, was wir zeigen müssen", sagt Hahn, "wenn wir unsere Torchancen nicht nutzen, gewinnen wir auch keine Spiele."

Wie schnell man sich aus dem Keller der engen Tabelle mit ein paar Punkten befreien kann, haben ihnen die Leverkusener vorgeführt. Mit sieben Punkten aus drei Spielen haben sie nicht nur Augsburg locker überholt, sondern sind bis auf fünf Punkte an die Europapokalplätze herangerückt. So schnell können aus Ängsten Ambitionen werden.

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