Leverkusen - Hoffenheim:Pillen gegen das Gespenst

Die Fußball-Traditionalisten dürfen aufatmen: Die TSG 1899 Hoffenheim kann auch verlieren. Leverkusens Trainer Bruno Labbadia findet trotz des 5:2-Sieges ein Haar in der Suppe.

Johannes Aumüller

Ein Gespenst geht um in der Bundesliga. Ein Gespenst, das den Namen TSG 1899 Hoffenheim trägt, das außerordentlich gut in die Bundesliga-Saison gestartet ist (zwei Spiele, zwei Siege, null Gegentore) und das mit Tradition außer der im Zuge einer Vereinsfusion erworbenen Jahreszahl wenig bis nichts zu tun hat. Zwei Wochen lang schielten die Fußball-Romantiker mit kritisch-skeptischem Blick auf die Tabelle, weil sich da stets dieses Gespenst aufhielt und schon leise Parallelen zur Saison 97/98 und zum 1. FC Kaiserslautern (Meisterschaft nach Aufstieg) wachrief.

Leverkusen - Hoffenheim: Leverkusens Haggui (rechts) erzielte das 1:0 gegen Hoffenheim.

Leverkusens Haggui (rechts) erzielte das 1:0 gegen Hoffenheim.

(Foto: Foto: Getty)

Nun wollte der Spielplan, dass ausgerechnet der Werks- und Chemieklub Bayer Leverkusen - der mit Tradition auch nur etwas zu tun hat, weil das charismatische Urgestein Rudi Völler die Position des Sportdirektors innehat - die Aufgabe erhielt, das Gespenst zu vertreiben. Und, die Fußball-Traditionalisten dürfen aufatmen, Bayer schaffte es, diese Aufgabe überzeugend zu erfüllen.

Im "ersten Duell mit einer Spitzenmannschaft" (Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick vor dem Anpfiff) zeigte sich die TSG ziemlich flatterhaft, vor allem in der Abwehr und vor allem in der ersten Hälfte, und unterlag in einem ansehnlichen Spiel verdient mit 2:5. "Mich freut's, dass wir so ein Spiel hingelegt haben. Es war nicht alles Gold, was glänzt, aber ich bin zufrieden", sagte Bayer Leverkusens Trainer Bruno Labbadia.

Schwache Chancenverwertung

Seine Elf begann das Spiel couragierter und strukturierter als die Hoffenheimer und zeigte eine beeindruckende erste Hälfte. In der sechsten Minute versprang der Ball zwar nach einer Hereingabe von Stefan Kießling kurz vor dessen Sturmpartner Patrick Helmes, doch keine 180 Sekunden später erzielte Bayer die verdiente Führung: Eine Freistoßflanke von Tranquillo Barnetta köpfte der aufgerückte Innenverteidiger Karim Haggui ins Netz. Wieder keine 180 Sekunden später hatten die Hoffenheimer Glück, dass Schiedsrichter Felix Brych keinen Strafstoß gegen sie verhängte. Kapitän Per Nilsson grapschte ziemlich auffällig nach dem Trikot von Helmes, der sich davon aber nicht beirren ließ, den Abschluss suchte - jedoch knapp verzog.

In der 17. Minute flankte Barnetta ein weiteres Mal in die Strafraummitte, und wieder war dort ein mit aufgerückter Innenverteidiger zur Stelle: Hagguis Defensivpartner Manuel Friedrich schraubte sich am höchsten und vollendete zum 2:0. Während Vedad Ibisevic mit dem dritten Kopfball-Tor des Tages und der einzigen Hoffenheimer Chance der ersten Hälfte den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer markierte, hatten die Platzherren noch etliche gute Gelegenheiten. Wenn man der zielstrebig kombinierenden Elf von Bruno Labbadia etwas vorhalten musste, dann war es die mangelnde Chancenverwertung: Denn es reichte in der ersten Hälfte lediglich noch zum 3:1 durch Stefan Kießling (36.), dabei hätte die Partie zur Halbzeitpause längst entschieden sein müssen.

Auf der nächsten Seite: Warum sich auch die Fußball-Traditionalisten über Hoffenheim freuen dürfen.

Pillen gegen das Gespenst

Nach der Pause brachte Rangnick den eigentlichen Kapitän Selim Teber - und der fügte sich mit einem strammen Distanzschuss (51.) auch gleich gut ein. Seine Elf steckte nicht auf, steigerte sich, und per Foulelfmeter (Djakba an Ibisevic) verkürzte Sejad Salihovic auf 2:3. Weil die Leverkusener deutlich passiver agierten als vor dem Seitenwechsel und weil die Hoffenheimer nur in manchen Phasen an ihre Leistungen aus den Spielen gegen Mönchengladbach und Cottbus anknüpfen konnten, ließ das Tempo der Partie merklich nach. "Wir haben einen Gang zurückgeschaltet und das darf man gegen Hoffenheim nicht. Da mussten wir ein Stück zittern", kritisierte Labbadia.

Nach etwa 20 Minuten ohne jede Torraumszene hatte Renate Augusto die 4:2-Vorentscheidung auf dem Fuß. Doch der Brasilianer, der eine gute erste Hälfte absolviert, nach dem Seitenwechsel jedoch merklich abgebaut hatte, setzte seinen Ball aus gut 16 Metern neben das Hoffenheimer Gehäuse. Es sollte die letzte Aktion des Mittelfeldspielers bleiben, der danach für Sascha Dum ausgewechselt wurde. Dafür, dass der Unterschied zwischen den beiden Teams gerade mal einen Treffer betrug, verlief das Spiel erstaunlich unspannend - und als der starke Barnetta sieben Minuten vor dem Abpfiff aus der Distanz zum 4:2 einschoss, war auch das bisschen verbliebene Spannung dahin. Kurz danach erhöhte Nationalspieler Kießling sogar noch auf 5:2.

"Ich werde mich die ganze Nacht über die Standardsituationen der Leverkusener ärgern", sagte Hoffenheims Torwart Özcan nach dem Spiel. "Wir haben immer gesagt: Tabellenführung, das interessiert uns nicht. Wir sind froh, dass wir sechs Punkte haben. Unser Ziel ist immer noch der Klassenerhalt."

Die schnellen Tor-Pillen des Chemieklubs Leverkusen in der ersten Hälfte wirkten. Nun ist das Gespenst zwar von der Tabellenspitze vertrieben, doch hinter Schalke, Hamburg, Dortmund und Leverkusen nimmt die Rangnick-Elf derzeit immer noch den fünften Platz ein. Ungefähr dort könnte sie sich im Laufe der Spielzeit einnisten, wenn sie ihr Leistungspotential beständig abruft.

Und die Fußball-Traditionalisten, die nicht nur auf den finanziellen Hintergrund der TSG schauen, sondern auch auf den forschen Stil, das junge Durchschnittsalter, die technische Klasse der Mittelfeld-Brasilianer Eduardo und Gustavo, die Kaltschnäuzigkeit von Ibisevic und auch die Entwicklungsmöglichkeiten der jungen Deutschen wie Compper oder Beck, die können sich auch freuen: Hoffenheim ist auch fußballerisch eine Bereicherung der Liga, was es am Samstag aber nur phasenweise im zweiten Abschnitt andeuten konnte. An den Werksklub Bayer Leverkusen haben sich die Fußball-Traditionalisten ja auch schon gewöhnt.

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