Bundesliga:Leverkusen spielt wie von Sinnen

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Nur der Anfang: Julian Brandt (Mitte)lässt sich nach 13 Minuten zum 2:0 bejubeln. (Foto: Tom Weller/imago)
  • Bayer Leverkusen gewinnt in der Bundesliga 6:1 gegen Eintracht Frankfurt.
  • Das Team von Peter Bosz ist nun Fünfter - und punktgleich mit den Frankfurtern, die auf Platz vier liegen.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Spätestens nach zwanzig Minuten dürfte den Spielern von Eintracht Frankfurt klar geworden sein, dass sie sich an diesem Sonntag zur falschen Zeit am falschen Ort befanden. Es war nicht der Spielstand, der ihnen das verriet: Die Eintracht hatte zwar schon 0:2 zurück gelegen, aber sie war durch einen abgefälschten Schuss von Filip Kostic wieder herangekommen. Das Problem war ganz einfach der Gegner, Bayer Leverkusen.

Diese Leverkusener, so kam das nicht nur den betroffenen Frankfurtern vor, schienen von Anfang an von Sinnen zu sein, was sich nach besagten zwanzig Minuten in einer Szene ausdrückte, in der Julian Brandt mit eingesprungener Hacke den Ball auf Kai Havertz vorlegte, der per Kopf zum Doppelpass servierte, woraufhin Brandt am anderen Flügel Kevin Volland freispielte, der dann ... ja, in diesem Moment dürften die Frankfurter gewusst haben, dass dieser Gegner heute ein ernstes Problem darstellte - und im nächsten Moment lag der Ball auch schon wieder in ihrem Tor. Frankfurts Torwart Kevin Trapp legte pro Forma Protest gegen Lukas Alarios Treffer ein, aber so wie gegen das 1:3 keine Rechtsmittel halfen, so nutzte den Frankfurtern gegen diesen irrwitzigen Leverkusener Angriffswirbel auch kein Verteidigen, nach gerade mal 36 Minuten lag die Werkself sage und schreibe 6:1 vorn. Havertz (2.), Brandt (13.), Alario (22., 35.), Charles Arranguiz (28.) hatten für Bayer getroffen, Martin Hinteregger (36.) hatte ein bildschönes Eigentor hinzugefügt.

Zur Halbzeit dieses außergewöhnlichen Bundesligaspiels bemühten die Berichterstatter bereits diverse Datendienste. Sechs Tore für ein Team binnen einer Halbzeit, das hatte es zuletzt 1977 beim 12:0 von Borussia Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund gegeben, sollte an diesem kalten Frühlingsabend in Leverkusen ein Rekord fallen?

In der zweiten Hälfte nutzt Leverkusen seine Chancen nicht

Die Leverkusener gaben in der zweiten Hälfte nicht nach und hatten ihre Chancen, aber sie nutzten ihre Gelegenheit nicht, so dass den Frankfurtern nach der 1:6-Niederlage zumindest der Verlust ihres Champions-League-Platzes erspart blieb. Bei einem 9:1-Sieg wäre Leverkusen nicht nur nach Punkten gleich-, sondern auch vorbeigezogen. Im Rennen um den letzten Platz an der Sonne haben sie ihre Aussichten aber auch so schon gewaltig verbessert, am nächsten Wochenende folgt gegen Schalke ein weiteres Heimspiel, Eintracht Frankfurt muss dagegen noch beim FC Bayern antreten.

Frankfurts Trainer Adi Hütter sagte später: "Das ist ein rabenschwarzer Tag. Ich haue aber nicht auf die Mannschaft drauf." Er versuche, die Spieler wieder in die Spur zu bringen, "die Chance auf die Champions League ist noch da, trotz unserer fürchterlichen Leistung heute."

Hütter hatte seine Elf gegenüber dem kräftezehrenden 1:1 gegen Chelsea auf vier Positionen umgebaut, er setzte auf verstärkte Defensive. Die Angreifer Luka Jovic und Goncalo Paciencia saßen auf der Bank, Ante Rebic bildete einen Solosturm. Gelson Fernandes und Jetro Willems sollten die Fünferkette sichern, ein taktisches Manöver, das vor allem deswegen nicht verfing, weil sich Julian Brandt immer wieder durch geschickte Positionswechsel dem Zugriff zu entziehen wusste. Seinen Einfluss auf das Leverkusener Offensivspiel bekam die Eintracht erst in den Griff, als Hütter mit einem Doppelwechsel die missglückte Aufstellung wieder korrigierte: Jovic und Gacinovic ersetzten in der 37. Minute den indisponierten Willems und den kaum weniger hilflosen Evan Ndicka.

Die zweite Hälfte geriet dann auch deutlich unspektakulärer als die erste. Die Eintracht erhöhte den körperlichen Einsatz und verteidigte nun energischer und effektiver, Bayer ging leichtfertig mit seinen immer noch zahlreichen Möglichkeiten um und spielte nun öfter mal einen Hackenpass zu viel. "Einer geht noch, einer geht noch rein", riefen die Zuschauer sensationslüstern, doch Kai Havertz scheiterte zweimal an Trapp. Die Frankfurter Fans nahmen ihrer gerupften Elf das Debakel indes nicht krumm und spendeten den Verlierern nach dem Abpfiff nicht weniger Applaus als das einheimische Publikum den Siegern.

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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