Leverkusen in der Bundesliga:Brandt führt Bayer in neuer Rolle an

Bayer Leverkusen - Lukas Hradecky und Julian Brandt

Kaum aufzuhalten: Julian Brandt (re.) war gegen Frankfurt der beste Leverkusener.

(Foto: Ina Fassbender/AFP)
  • Julian Brandt glänzt bei Bayer Leverkusen als gereifte Persönlichkeit auf dem Platz.
  • Beim 6:1 gegen Frankfurt deutet sich an, warum die Leverkusener derzeit so stark in Form sind.
  • Gleichzeitig ist nicht klar, ob Brandt bleibt - nun soll Kerem Demirbay kommen, um das Team zu verstärken.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Niemand hat den Leverkusenern nach ihrem 6:1-Sieg gegen Eintracht Frankfurt die Einnahme magischer Pilze oder anderer berauschender Substanzen unterstellt, dennoch stellte sich natürlich die Frage, was in den Bayer-Spielern vor sich ging, als sie über den Gegner herfielen wie die gallische Horde über die römischen Besatzer. Auch die Betroffenen interessierten sich für das Thema. Sie wunderten sich ja selbst darüber, wie sie es während der ersten Halbzeit geschafft hatten, binnen 36 Minuten sechs Tore gegen ein konkurrierendes Spitzenteam zu schießen und dabei doch nur die Hälfte der Chancen zu nutzen.

Julian Brandt, einer der Anführer des brutalen Überfalls, präsentierte eine plausible Schilderung seiner Empfindungen auf dem Rasen: "Gefühlt war es so, dass alles, was du tust, Sinn ergibt und erfolgreich ist. Alles hat gestimmt, jeder hat seinen Teil dazu beigetragen, und die komplette Mannschaft hat perfekt harmoniert." Und was er auch noch dazu sagen könne: "Das fühlt sich dann sehr schön an."

So ein Spiel, wie es am Sonntag in Leverkusen unter ungläubigen Ah- und Oh-Rufen bestaunt wurde, kommt zwar selten vor in der Bundesliga, stellt unter den gegebenen Umständen aber kein unerklärliches Phänomen dar. In der Bayarena trafen zwei Elemente aufeinander, die sich für dieses Spektakel trefflich ergänzten. Auf der einen Seite die manchmal sehr lebenslustig aufspielenden Leverkusener, auf der anderen Seite die vom Europacup gestressten Frankfurter, deren mutmaßlicher Erschöpfungsgrad den Eintracht-Trainer Adi Hütter zu einem folgenschweren Trugschluss verleitete.

Hütter hatte gedacht, es sei vernünftig, dem Tempo und der Offensivkraft der Gegenseite mit einer doppelt und dreifach gesicherten Deckungsreihe zu begegnen, doch diese Kalkulation erwies sich als Fehlberechnung. "Wir haben es nicht geschafft, Brandt und Havertz in den Griff zu bekommen", sagte er, bevor er leise hinzufügte, dass es bei Aránguiz und Baumgartlinger nicht anders war. Und da hatte er immer noch die Bayer-Stürmer Volland und Alario ausgespart.

Tatsächlich stand die Eintracht erst dann ein wenig stabiler, als Hütter nach 37 Minuten beim Stand von 1:6 die Defensivspieler Jetro Willems und Evan Ndicka herausnahm und Mittelstürmer Luka Jovic sowie den halboffensiven Mijat Gacinovic einwechselte. "Der Glaube, dass man mit mehr Abwehrspielern besser verteidigt", habe sich nicht erfüllt, bemerkte der Coach und lud damit ausdrücklich dazu ein, ihn für das Debakel haftbar zu machen. "Bitte lasst es an mir aus", ersuchte er die aus Hessen mitgereisten Berichterstatter.

Während die Frankfurter Spieler nach der Partie allesamt von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machten, versuchten die sportlichen Führungskräfte den Schaden zumindest rhetorisch einzugrenzen. Offenkundig befürchteten Trainer Hütter und Sportchef Fredi Bobic, dass diese Niederlage nicht nur drei Punkte im Wettstreit um den letzten freien Champions-League-Platz kostete, sondern auch moralische Wirkung auf die Akteure hinterlassen könnte.

Plötzlich Mittelpunkt der Mannschaft

So einigte man sich darauf, das Geschehen schonungslos einzuordnen und zugleich jede Form von Dramatisierung zu vermeiden, die Lage ist ja dramatisch genug. Bobic' zentrales Rechtfertigungsargument - "Wir sind immer noch Eintracht Frankfurt und nicht der FC Barcelona" - entspricht einer unerfreulichen Wahrheit: So herrlich die Saison bisher war, und so sehr diese Mannschaft mit ihrem Gemeinschaftswerk die überregionalen Beliebtheitswerte gesteigert hat, so ungewiss bleibt die Aussicht auf den Ertrag. Auf den letzten, nun doch spürbar mühseligen Metern ist sogar der Trostpreis eines Europa-League-Platzes in Gefahr.

In das Rückspiel mit Chelsea am Donnerstag gehen die Frankfurter nach dem 1:1 im Hinspiel nicht als Favorit, auch wenn der Leverkusener Torwart Lukas Hradecky einen guten Tipp bereithielt: "Gewinnen", empfahl er, "und dann den Champions-League-Platz beim Finale in Baku holen."

Dieser Ratschlag des vormaligen Eintracht-Torwarts war sowohl von alter Freundschaft, als auch von Eigennutz geprägt. Auch Bayer will in die Champions League, viele meinen allerdings, das müssten sie auch, damit es weitere Festspiele wie am Sonntag gibt. Julian Brandt, den Trainer Peter Bosz zu einem Mittelpunkt der Mannschaft gemacht hat, hat nicht erklärt, dass er seine 25-Millionen-Euro-Ausstiegsklausel im Sommer zum Wechsel nutzen wird. Doch er hat nicht garantiert, bei Bayer zu bleiben.

"Jeder Fan kann sich erst mal auf die nächsten zwei Wochen freuen", sagte er, "das heißt: Stand jetzt bleibe ich." Der Stand von übermorgen hängt aber wohl nicht nur davon ab, dass es ihm sichtbar Freude macht, mit seinem Freund Kai Havertz zusammenzuspielen (den der Verein auf keinen Fall gehen lassen möchte). Sondern auch vom sportlichen Fortschritt des Klubs.

Dafür ist Bayer offenbar zu markanten Investitionen bereit. Vom Transfermarkt wird berichtet, dass Kerem Demirbay, 25, aus Hoffenheim kommen soll, 28 Millionen Euro würde er vertragsgemäß kosten. Dieser Wechsel würde nicht nur in Hoffenheim Abschiedsschmerz hervorrufen, sondern auch beim stets gebeutelten Hamburger SV. Vor drei Jahren verkaufte der HSV Demirbay für 1,7 Millionen, die vereinbarte zehnprozentige Weiterverkaufsbeteiligung ist mit der Vertragsverlängerung des Spielers im vorigen Jahr erloschen.

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