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Leverkusen:Der bessere Havertz ist zurück

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In seiner vierten Saison, in der ihm fußballerisch bislang nicht so ganz viel gelungen ist, hat Bayers Spielmacher Wichtiges gelernt, etwa: dass man sich nicht verrückt machen lassen darf. Das zahlt sich jetzt aus.

Von Ulrich Hartmann, Paderborn/München

Am Sonntag hat Kai Havertz viele Komplimente bekommen. In jedem Interview wurde er für ein Tor, eine Torvorlage und Bayer Leverkusens 4:1-Sieg beim SC Paderborn gelobt. Erstaunlicherweise huschte dem 20-Jährigen angesichts der schmeichelhaften Fragen kaum ein Lächeln übers Gesicht. Vier Monate hatte er auf diesen Treffer warten müssen. Statt der gewohnten Lobeshymnen hat er in dieser Zeit erstmals in seiner noch jungen Karriere Kritik vernommen. Seine vermutlich letzte Saison in Leverkusen hat ihm die Schattenseiten der Branche aufgezeigt. Und so sagte Havertz nach einem eigentlich guten Abend in Ostwestfalen: "Binnen drei Jahre habe ich das Fußballbusiness ganz gut kennengelernt: Diejenigen, die dich schnell hochjubeln, lassen dich genauso schnell wieder fallen - aber ich weiß um meine Qualitäten und habe mich nicht unterkriegen lassen."

In seiner vierten Bundesliga-Saison, in der ihm fußballerisch bislang nicht so ganz viel gelungen ist, hat der gebürtige Aachener wahrlich Wichtiges gelernt, etwa: dass man sich nicht verrückt machen lassen darf. Diese Erkenntnis gilt sowohl für die guten wie die schlechten Zeiten, und einer, der das schon länger weiß, hat seinem jungen Spielmacher bereits kurz nach dem Abpfiff in Paderborn diesbezüglich einen Gefallen getan. In der Pressekonferenz hat Trainer Peter Bosz die Anfrage nach einer überschwänglichen Bewertung für Havertz enttäuscht, als er sagte: "Ich fand ihn heute gar nicht so gut, er hat wieder hart gearbeitet, aber da ist noch viel mehr drin."

Und so stemmten sich die Leverkusener nach ihrem Pflichtsieg gegen Schwarz-Weiß-Malerei. Havertz selbst wollte seine jüngsten Leistungen relativiert wissen. "Ich habe auch in der Hinrunde nicht nur schlechte Spiele gemacht", sagte er. Die vier Monate ohne Tor, diese acht Bundesliga- und vier Champions-League-Spiele und das Pokal-Spiel seit Ende September, die wollte er sich nicht ankreiden lassen. "Zum Fußball gehören auch andere Sachen", sagte er. Dabei ist er in dieser Saison in keiner einzigen Statistik vorne dabei.

Nach den 17 Treffern und vier Vorlagen, die ihn in der vergangenen Saison mit 21 Punkten auf den elften Platz der Bundesliga-Scorer-Liste geführt hatten, steht er mit bislang drei Toren und zwei Vorlagen in dieser Liste momentan auf Rang 55. Auch in anderen relevanten Statistiken bewegt er sich in diesem Bereich: bei den Ballbesitzphasen auf Platz 51, bei den Torabschlüssen auf Platz 55 und bei den gewonnenen Zweikämpfen sowie den gelaufenen Kilometern jeweils auf Platz 60. "Er ist ein so unglaublich guter Spieler", sagt sein Trainer, "er kann es viel besser."

Bosz braucht den viel besseren Havertz, um in Liga, Pokal und Europa League weiter chancenreich mitzuspielen. Der Coach hat seinen Vertrag soeben bis 2022 verlängert und muss davon ausgehen, dass Havertz den eigenen, genauso lang gültigen Vertrag, nicht erfüllt. Es deutet alles darauf hin, dass Havertz Leverkusen im Sommer für eine hohe zweistellige, vielleicht dreistellige Millionen-Ablöse verlässt. Bayern München gilt als Interessent, wie andere namhafte Klubs aus Europa auch. Daran, dass Havertz als einer der besten jungen Spieler gilt, hat seine maue Hinrunde nichts geändert.

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SZ vom 21.01.2020
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