Leverkusen:Dann eben Verwalterfußball

Bayer Leverkusen - 1. FC Union Berlin

Leverkusener Torschützen: Kevin Volland (Mitte) und Lucas Alario (re.).

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Bayer beendet seine Mini-Krise - auch dank der harmlosen, an Ballbesitz desinteressiert wirkenden Crew von Union Berlin.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Damit Ballbesitzfußball, ein Phänomen der ausklingenden 10er-Jahre, klappt, braucht es drei Dinge: Personal, Selbstbewusstsein, Erfolg. Mangelt es an einer Komponente, fehlt nicht bloß ein Drittel - es besteht die Gefahr, dass gleich alles verschüttgeht. Am radikalsten geht das mit Peter Bosz. In Dortmund 2017 gefeiert und rasch gefeuert, führte der Trainer 2019 Leverkusen in die Champions League und erhöhte mit zwei Siegen zu Beginn dieser Saison die Fallhöhe. Zuletzt genügten zwei Wochen, um den Klub von einem der heißesten Vereine in ein Team ohne Plan B zu verwandeln. Nach drei Enttäuschungen in Serie (0:0 gegen Hoffenheim, 0:4 in Dortmund und, noch grässlicher, 1:2 gegen Lok Moskau) musste sich Bosz anhören, dass er mit seinem Ballbesitzfußball auf Dauer alles zu sehr auf eine Karte setzen würde.

Insofern war es für Klub und Trainer enorm wichtig, dass gegen die an Ballbesitz desinteressiert wirkende Crew von Union Berlin ein 2:0 (2:0) heraussprang - auch wenn es mit dem Bosz'schen Ideal vom Fußball meistens wenig zu tun hatte.

Man nehme nur die Tore. Das 1:0 in der 20. Minute fiel nach einer flotten Umschaltaktion des agilen Amiri, sehr schön nach Lehrplan. Aber Torschütze Kevin Volland hatte Glück, dass ihm der Ball nach einem überhasteten ersten Abschluss noch mal vor den Schussfuß fiel. Beim 2:0, fünf Minuten später, spritzte Verteidiger Wendell tief in der gegnerischen Hälfte in einen schlampigen Union-Querpass, sehr schön nach Lehrplan auch das. Er leitete sogleich weiter in die Spitze zu Lucas Alario, der nun 20 Meter vor dem Tor Optionen hatte, besser postierte Mitspieler in Szene zu setzen. Der Argentinier wählte jedoch die scheinbar schlechteste Variante, die seinem Trainer zunächst nicht ganz so gut gefallen haben dürfte: Der Stürmer machte einen Schritt nach links und zog aus dieser eher mittelprächtig verheißungsvollen Position aus 18 Metern ab - aber weil Union-Verteidiger Keven Schlotterbeck den Ball abfälschte, war der Doppelschlag perfekt.

Bezeichnend, dass Bosz später über eine Szene drei Minuten vor dem 1:0 sprach, die in keiner Statistik auftaucht, Bayer aber auf Touren brachte: Nach der ersten feinen Kombination des Werksteams vollendete Alario eine scharfe Hereingabe von Lars Bender. Weil Volland beim Schuss direkt vor Union-Keeper Gikiewicz im Abseits herumgehüpft war, wurde der Treffer zwar annulliert - Bosz beharrte aber darauf, man habe "drei Tore erzielt - ja, drei!"

Es folgte eine irritierende Phase beiderseitiger Harmlosigkeit, die bis zu Sebastian Polters Platzverweis währte (66., siehe Sechserpack). Bayer, das das 2:0 freudlos verwaltet hatte, begann erst in Überzahl, auf das 3:0 zu drängen - vielleicht auch, weil Bosz "noch ein, zwei Tore sehen wollte". Er guckte vergeblich, gab aber später zu: "Das einzige Ziel für dieses Spiel war ein Sieg, und der ist uns gelungen."

Für längerfristige Lösungen muss Bosz drei Stützen aufrichten: den überspielten Verteidiger Jonathan Tah, der diesmal eine Auszeit erhielt; Sommereinkauf Kerem Demirbay, der noch fremdelt; und Youngster Kai Havertz, der unter akutem Brandt-Blues zu leiden scheint, weil er seinen nach Dortmund abgewanderten Partner Julian Brandt vermisst. Bosz weiß: Wenn Havertz nicht so funktioniert wie im Rest des Kalenderjahrs, wird es schwer für erfolgreichen Ballbesitzfußball.

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