Leverkusen - Bremen:Rasante Action, aber wenig Glorreiches

Bayer 04 Leverkusen - SV Werder Bremen 26.10.2019. Sven Bender (LEV) mogelt sich durch die Bremer Abwehr und erzielt da

Knie-Eigentor in der vierten Minute: Der Bremer Verteidiger Ömer Toprak (vorne) bringt die alten Leverkusener Kameraden früh in Führung.

(Foto: Schröder/imago)

Bayer Leverkusen spielt auch beim 2:2 gegen Werder mit Licht und Schatten.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Die eine oder andere Hand bemühte sich zum Applaus, als Kerem Demirbay nach 62 Minuten das Feld verließ. Der Beifall drückte Höflichkeit aus, nicht Zustimmung und schon gar nicht Begeisterung. Wenn der Spielmacher nach einer Stunde ausgetauscht wird, obwohl er fit und gesund ist, ist das im Fußball häufig ein Anlass, der zu Diskussionen führt. Gelegentlich fährt der Spielmacher dann geradewegs nach Hause und ist beleidigt, und der Trainer sitzt im Stadion und muss sich rechtfertigen. Aber Demirbay hat am Samstagabend noch eine Weile interessiert an der Seitenlinie gestanden und das Spiel seiner Leverkusener gegen Werder Bremen betrachtet, beleidigt war er offenbar nicht. Was vielleicht auch daran lag, dass der 26-Jährige, Bayer Leverkusens teuerste Erwerbung seit Bundesligazugehörigkeit, noch weit davon entfernt ist, jener Spielmacher zu sein, der er sein soll. Blickte man während der Partie ins Mittelfeld, dann fielen dort der fleißige und feurige Davy Klaassen sowie der schlaue und einflussreiche Nuri Sahin auf. Zwei Bremer, die dank ihrer Intelligenz das Spiel bewegen. An Demirbay, dem eine ähnliche Rolle zugedacht ist, lief das Geschehen vorbei.

Kohfeldt ist zufrieden, der Kollege Bosz macht ein trübes Gesicht

Als Bayer im Mai verkündete, Demirbay aus Hoffenheim unter Vertrag genommen zu haben, gehörte Julian Brandt noch zum Leverkusener Ensemble, und für ein paar Tage konnten sich die Fans an der Aussicht auf eine schöne Zukunft erfreuen: Ein Trio mit dem Strategen Demirbay, dem spielstarken Brandt und dem noch spielstärkeren Kai Havertz versprachen glorreiche Momente. Davon kann zurzeit keine Rede sein, auch die geballte rasante Action beim 2:2 zwischen Bayer und Werder am konnte darüber nicht hinwegtäuschen.

Von der Vision einer Bayer-Elf, die den Gegner kunstvoll auszutanzen versteht, ist im fortgeschrittenen Anfangsstadium der Saison nicht viel zu sehen, nicht in der Liga und erst recht nicht in der Champions League. Gegen Werder mussten sich die Leverkusener ohne den abgewanderten Brandt und den erkrankten Havertz mit Einsatzkraft und Tempo statt mit überlegener Technik behelfen. Damit brachten sie den Gegner in der zweiten Hälfte in arge Schwierigkeiten, aber für einen Sieg reichte es zum fünften Mal in Serie nicht. Trainer Peter Bosz klang schon ein wenig melancholisch, als er feststellte: "Wir haben es versucht ..., versucht zu gewinnen, aber es ist leider nicht passiert."

Der Spieler, der Bayers beste Tugenden in Hälfte zwei repräsentierte, war derselbe Spieler, der in der ersten Hälfte die aktuellen Untugenden dieser Elf verkörperte. Unentwegt forderte Karim Bellarabi auf dem rechten Flügel seinen Gegenspieler Friedl zum Laufduell, nicht selten mit Erfolg, aber all der lobenswerte Eifer war in Wahrheit Übereifer. Damit stand er beispielhaft für ein Team, das oft seine Fähigkeiten andeutet, aber nicht den Verstand besitzt, sie zu verwirklichen - was auch auf Demirbay und dessen Zuständigkeit zurückfällt.

Dass Werder-Trainer Florian Kohfeldt das Remis als Punktgewinn "gegen eine bärenstarke Leverkusener Elf" reklamierte, mag zwar seine aufrichtige Meinung gewesen sein, kam bei den Hausherren aber kaum als Kompliment an. Ein Eigentor von Ömer Toprak hatte Bayer nach vier Minuten das 1:0 gebracht, doch diesen Bonus wusste man gegen defensiv anfällige Bremer nicht zu nutzen. Auch deshalb, weil Bayer ebenfalls Abwehrprobleme hat, sowohl das 1:1 durch Milot Rashica (30.) als auch Klaassens 2:1 (48.) zeugten davon.

Dank der gemeinschaftlich untätigen Leverkusener Deckungskräfte durfte Vorlagengeber Joshua Sargent mit dem Ball durch den Leverkusener Strafraum spazieren, als ob er eine Sondergenehmigung dazu hätte, Klaassen erhielt zum Einschuss freie Bahn. Ein kurioses Tor, fand auch Bosz: "Stimmt. Wenn sieben Spieler von uns im Strafraum sind, dürfen die Bremer nicht so freistehen." Der Trainer sah aus, als ob er seufzen wollte.

Am Ende konnte Bayer froh sein, dass die Partie nicht noch verloren ging: Nadiem Amiri, der zuvor wegen eines unfreiwilligen und unverschuldeten, aber auch unbestreitbaren Handeinsatzes für die Aberkennung des schon lautstark bejubelten 3:2 haftbar gemacht worden war, leistete sich in der Nachspielzeit ein weiteres Handspiel an neuralgischer Stelle: Im eigenen Strafraum rutschte er mit beiden Händen in eine Bremer Hereingabe. Der Schiedsrichter klassifizierte das Manöver ohne Videohilfe als nicht strafwürdige "Stützhand". Werder-Manager Baumann sprach von einer "tollen Torwart-Parade", aber es blieb bei mildem Unmut. "Wir hätten verlieren können, aber es ist kein komplett unverdienter Punkt, wir sind zufrieden", sagt Kohfeldt, während Kollege Bosz ein betrübtes Gesicht machte.

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