Süddeutsche Zeitung

Moussa Diaby:Im Superhelden-Tempo

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Beim 5:1 gegen überforderte Augsburger brilliert Moussa Diaby mit drei Toren und beeindruckenden Sprints. Leverkusen freut sich auf das Topspiel gegen Dortmund - und auf einen neuen Mittelstürmer.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Moussa Diaby hat etwas Lausbübisches. Als könne er nicht recht glauben, dass er damit durchkommt: Der Franzose scheint mit seinen 22 Jahren einer der wenigen Superhelden zu sein, die in der Bundesliga herumlaufen. Offiziell im Jahr 1999 in Paris geboren, könnte er laut SZ-Recherchen auch mit Dash Parr in den Kindergarten gegangen sein, dem Sohn von Bob und Helen Parr, auch bekannt als The Incredibles aus dem gleichnamigen Pixar-Film.

Dash Parr und offenbar auch Diaby wurde schon früh eingeimpft, dass man seine Supergeschwindigkeit nicht ungebremst einsetzen darf, denn die Menschen haben eine eigentümliche Art, mit Superhelden umzugehen: Einerseits finden sie sie toll, andererseits behaupten ja gerade deutsche Feuilletonisten immer wieder, dass es gar keine Superhelden gibt. Also dreht Moussa seine Runden in dem unscheinbaren Städtchen Leverkusen seit zweieinhalb Jahren merklich langsamer - so langsam, dass man ihn sogar sehen kann, wenn er lossaust.

Am Samstag hat er allerdings vermutlich trotzdem übertrieben. Diaby eilte in Lichtgeschwindigkeit seine Flanke entlang, er beförderte den Ball beim 5:1 (2:0) gegen den FC Augsburg auch dreimal ins gegnerische Tor, so oft wie noch in keinem Bundesliga-Spiel. Fast wäre ihm noch ein vierter Treffer gelungen, den nahm ihm dann sein Kollege Lucas Alario per Hackentrick ab (81.) - will ja niemand, dass sich nach London oder Madrid herumspricht, was da auf der rechten Rheinseite abgeht.

Diaby gibt dem Hype keine Nahrung, er ist als Typ eher schüchtern, mit Mühe machte ein brauchbares Zitat von ihm die Runde: "Das erste Tor war mein Lieblingstor", sagte der Franzose, für den der Werksklub 2019 schnäppchenhafte 15 Millionen Euro an Paris Saint-Germain zahlte: "Weil es nach einer schönen Kombination entstanden ist."

Der Franzose Diaby profitiert von der Gedankenschnelligkeit des Mitspielers Florian Wirtz

Das darf man ihm glauben, denn in punkto Zusammenspiel hat er sich in den vergangenen Jahren enorm gesteigert. Anfangs war Diaby oft schneller als der Ball, und die Zuspiele waren mitunter nicht zu gebrauchen - er musste lernen, das nur die Wenigsten so fix unterwegs sind wie er. Abwehrarbeit war ein Fremdwort, doch auch in der Hinsicht lernt er dazu. Diaby profitiert dabei zweifellos von den Talenten um ihn herum, vorneweg der andere Superheld-Kandidat des Werksklubs, Florian Wirtz, 18, der schnell auf den Beinen ist, aber noch schneller im Kopf. Während Diaby nichts so liebt wie freie Flächen, kommt Wirtz zugute, dass er in engen Räumen verblüffende Ideen entwickelt - er scannt die Umgebung mit atemberaubender Geschwindigkeit.

Wie wichtig diese Fähigkeit ist, demonstrierte der Teenager, als der Werksklub sich nach 60 souveränen Minuten anschickte, mal wieder einen Zwei-Tore-Vorsprung aufs Spiel zu setzen. Torwart Lukas Hradecky ließ einen Freistoß nach vorne prallen, worauf dem Augsburger Arne Maier sein erstes Bundesligator im 91. Einsatz gelang. Aber nur zwei Minuten später schnappte sich Wirtz den Ball zentral vor dem eng besetzten gegnerischen Strafraum und lupfte ihn millimetergenau in den Lauf von Amine Adli. Dessen Kopfball konnte FCA-Keeper Rafal Gikiewicz noch parieren, doch Diaby versenkte den Abpraller mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre der Winkel nicht extrem spitz gewesen.

Augsburgs Taktik erweist sich als Einladung für die flotten Bayer-Spieler - zunächst auf den Flügeln, später in der Mitte

Vermutlich konnten sich Diaby und Wirtz auch deshalb nicht zurückhalten, weil sie vom Gegner dazu eingeladen wurden, ihrem wahren Ich freien Lauf zu lassen. "Sorglos" sei sein Team gewesen, monierte Gästetrainer Markus Weinzierl in seiner Analyse und benutzte das Wort mehrmals. Dass seine taktische Ausrichtung, die die Außenverteidiger Gumny und Pedersen allein komplett überforderte, vielleicht nicht so zündend war, wollte er nicht wahrhaben.

"Es war kein Systemfehler, dass wir in den ersten 20 Minuten zwei Gegentore bekommen", individuelle Aussetzer seien verantwortlich gewesen. "Dann haben wir natürlich das System umgestellt", auf 5-3-2 mit drei Innenverteidigern, "weil wir die Schnittstellen besser schließen wollten - aber dann haben wir in der zweiten Halbzeit die 10er-Räume weniger geschlossen bekommen." Die Abstände und der Respekt seien zu groß gewesen, "ich kann gar nicht glauben, dass wir 49 Prozent der Zweikämpfe gewonnen haben sollen".

Nach dem 3:1 zerfielen die Gäste endgültig, der Bundesliga-Rekord im direkten Vergleich der beiden Teams bleibt bestehen: Augsburg hat keines der 22 Ligaduelle gegen Bayer 04 gewinnen können. Leverkusen freut sich nicht bloß auf das Topspiel in zwei Wochen bei den defensiv löchrigen Dortmundern, sondern auch auf den iranischen Mittelstürmer Sardar Azmoun, 27, der noch bei Zenit Sankt Petersburg spielt und im Sommer Lucas Alario oder Patrik Schick ersetzen könnte, falls dieser doch ein Angebot aus der Premier League bekommt, das man nicht ablehnen kann. Und wer weiß, welche Superhelden-Eigenschaft der Bundesligist bei Azmoun entdeckt hat. Moussa Diaby kannte vor drei Jahren auch kaum jemand.

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