Leverkusen:Aufstieg in die Torjäger-Schickeria

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Präzision, als hätten Ingenieure sie berechnet: Patrik Schick trifft zum 2:0. (Foto: Ralf Treese/Imago)

Patrik Schick trifft und trifft, doch Bayer Leverkusen verspielt erneut eine klare Führung.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Noch immer hat Lucas Alario in dieser Saison kein Bundesligator für Bayer Leverkusen geschossen, auch beim 2:2 gegen die TSG Hoffenheim ging er leer aus. Zehn Einsätze, kein Treffer, das ist eine bittere Bilanz für einen Mittelstürmer, aber dass es am Mittwochabend wieder nicht geklappt hat, dürfte Alario kaum irritiert haben. Er betrat erst in der 94. Minute den Rasen, eine Minute später beendete Schiedsrichter Tobias Stieler die Partie.

Für den argentinischen Angreifer mit der magischen Gabe, plötzlich am rechten Fleck zum Torschuss bereit zu stehen, würden viele Bundesliga-Trainer liebend gern Platz schaffen in ihrer ersten Elf, und auch in Leverkusen wird Alarios Kunst für besonders wertvoll gehalten. Er muss jedoch erkennen, dass das Werk seines Konkurrenten aktuell noch deutlich höher taxiert wird. Und gegen Hoffenheim konnte er sich von seinem Beobachterposten auf der Reservebank davon überzeugen, dass die Experten damit nicht falsch liegen.

Patrik Schick hat das Spiel allein entschieden - das hätte garantiert mancher TV-Kommentator gesagt, wenn die Partie nicht noch eine unvermutete Wendung genommen hätte. Die beiden Tore des tschechischen Torjägers ließen Bayer 04 bis zur 80. Minute als designierten Sieger erscheinen - bis dem eingewechselten Hoffenheimer Angelo Stiller mit Hilfe von Bayer-Torwart Lukas Hradecky der Anschlusstreffer gelang und Munas Dabbur wenig später (83.) sogar der Ausgleich. Wie beim jüngsten 2:5 in Frankfurt, wo Leverkusen auch schon 2:0 geführt hatte, sei es auch diesmal nach dem ersten Gegentor "komplett bergab" gegangen, klagte Schick. Das Team, so der Tscheche, müsse dringend an seiner Mentalität arbeiten.

Ein Patrik Schick in der gegenwärtigen Form wirft die Frage auf, wie lange er noch mit solchen altbekannten Leverkusener Schwachstellen zu tun haben könnte. Der Angreifer aus Prag, 25 Jahre alt, hat sich zu einem Spitzenstürmer entwickelt, der in die Schickeria der Szene passt.

Englisch und Italienisch spricht er bereits fließend. In Leverkusen ist man allerdings gelassen, wenn die Rede auf eventuelle Interessenten aus dem Ausland kommt: "Wenn Patrik sich mit den besten Stürmern der Welt messen will, dann ist er in der richtigen Liga - so selbstbewusst sollten wir sein", sagt Bayer-Sportchef Rudi Völler, "es wird ja immer nur von Robert Lewandowski und Erling Haaland gesprochen, aber Patriks Quote spricht für sich." 16 Treffer in bisher 13 Liga-Spielen sind tatsächlich ein gutes Argument.

Völler war schon Fan von Patrik Schick, als der vor vier Jahren noch in der Serie A für AS Rom spielte. Die Roma, Völlers Ex-Klub und ewige Liebe, hatte den Stürmer Sampdoria Genua abgekauft, für ungeheure 42 Millionen Euro. Doch das Engagement missglückte. Bayer war zwar zur Stelle, um Schick zu leihen, doch den Zuschlag erhielt Leipzig. Als RB Schick ein Jahr später aus finanziellen Gründen nach Rom zurückschickte, stand Völler wieder bereit, "und dann habe ich mit meinen Römern verhandelt". Im Sommer 2020 unterschrieb Schick einen Fünfjahresvertrag, Leverkusen zahlten stolze 26 Millionen.

Sein Fürsprecher Völler findet, die Investition habe sich gelohnt: "Patrik ist immer noch ein feiner Fußballer, aber er ist auch robuster geworden, er hat sich noch mal weiterentwickelt." Das Spiel gegen Hoffenheim bestätigte ihn. Nicht nur Schicks Tore waren außergewöhnlich, sondern auch die Szenenfolgen, die zu den Toren führten. Der Konter zum 1:0 über Kossounou, Wirtz, Diaby und Schick sah aus wie eine in allen Einzelheiten perfekt festgelegte Komposition, und in der Flanke-Kopfball-Kombination beim 2:0 steckte so viel Präzision, als hätten Ingenieure sie berechnet.

Schick schätzt, wie alle Mittelstürmer, eigene Tore am meisten, aber er ist ein weniger manischer Fall als viele seiner Kollegen. Sein Egoismus zeichne sich dadurch aus, "dass er in die Abschluss-Situation geht", lobt der gestrenge Cheftrainer Gerardo Seoane, "er hat sowohl das Individuelle wie das Kollektive gesucht, mit dieser Aufteilung bin ich zufrieden".

Lewandowski oder Haaland, Haaland oder Lewandowski? So lautet im populären Diskurs die Frage. Seoane meint, die Antwort könne durchaus Schick heißen.

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