Merklich irritiert zeigten sich die Vertreter von Bayer Leverkusen am Samstag vom fußballerischen Ansatz der TSG Hoffenheim. "Erstaunlich, wie sie uns teilweise gar nicht attackiert haben", sagte Abwehrspieler Jonathan Tah. "Ich habe schon ganz andere Hoffenheimer Mannschaften hier gesehen", sagte Sportchef Rudi Völler. Die Leverkusener waren enttäuscht vom 0:0-Unentschieden. Sie waren aber offenkundig auch enttäuscht vom destruktiven Fußball einst euphorisch spielender Hoffenheimer. "Sie hatten ja fast Angst vor uns", spöttelte Völler.
Die Bilanz zwischen Leverkusen und Hoffenheim ist eine der torreichsten in der jüngeren Bundesliga-Geschichte. 22 Mal hatten die beiden Klubs gegeneinander gespielt, 73 Tore waren in diesen Spielen gefallen, das macht im Schnitt 3,3 Treffer. Am Samstag dauerte das 23. Bundesliga-Duell 100 Minuten, weil wegen hitzebedingter Trinkpausen zwei Mal unterbrochen und in jeder Halbzeit umso länger nachgespielt wurde. Nie zuvor war ein Spiel der beiden Teams torlos ausgegangen, aber diesmal genügten nicht einmal 1:40 Stunde für einen einzigen Treffer. Leverkusen hatte zwar 75 Prozent Ballbesitz, 580 Pässe, 20 Torschüsse und 19 Ecken - aber keinen Torerfolg. Und Hoffenheim kaprizierte sich auf die Gegentor-Verhinderung und versuchte eigentlich bloß, die Räume eng zu machen.
Hoffenheim hatte seine beiden besten Mittelfeldspieler im Sommer verloren - an Leverkusen
Von Angst, wie Völler, sprach Hoffenheims neuer Trainer Alfred Schreuder hinterher natürlich nicht. Er schien eher stolz, dass ihm ein Coup gelungen war. Hoffenheim hat im Sommer relevante Spieler verloren. "Wir haben für 118 Millionen verkauft", sagte Schreuder fast entschuldigend über die Verluste: Joelinton wechselte nach Newcastle, Niko Schulz nach Dortmund - sowie die beiden Mittelfeldspieler Kerem Demirbay und Nadiem Amiri just nach Leverkusen. Zusammen etwa 40 Millionen Euro hat sich Bayer das Duo kosten lassen. In Hoffenheim müssen sie erst einmal lernen, solche Spieler spielerisch zu ersetzen. "Da können wir gegen einen Gegner wie Leverkusen nicht voll auf Angriff spielen", sagte Schreuder.
Den Gegner zu diskreditieren, ist im Fußball beliebt. Meistens überspielt man damit eigene Unzulänglichkeiten. Leverkusen wusste diesmal mit dem Ball nicht viel anzufangen. Die Räume waren eng, die Gegenspieler laufbereit, die Temperaturen hoch. Immer wieder droschen die Hoffenheimer die Bälle von dannen, 19 Mal auch ins eigene Toraus. Daraus resultierten 19 Eckbälle für Leverkusen, und der einzige, aus dem Lucas Alario per Kopf ein Tor machte, war von Schiedsrichter Felix Zwayer abgepfiffen worden.
Leverkusens äußerst schwache Verwertung sogenannter Standard-Situationen müsste in dieser Woche eigentlich ein Schwerpunkt-Thema im Training sein. "Eigentlich schon", sagte auch die Defensivkraft Lars Bender. Allerdings stehen ja erst einmal zwei Länderspiele an, zu denen diverse Spieler abgeordnet werden. Aber vielleicht bringen genau diese Spieler ein paar Ideen aus ihren Nationalmannschaften mit. Standard-Fortbildung in aller Welt - für Leverkusen ein durchaus reizvoller Gedanke.