Wie es sich anfühlt, wenn es läuft, hat Leonie Fiebich neulich vor 12 115 johlenden New Yorkerinnen und New Yorkern am Hallenmikrofon erklärt. „Wir sind schwer zu schlagen, wenn wir so zusammenspielen“, lautete ihr Resümee nach dem klaren Sieg ihres WNBA-Klubs im ersten Playoff-Viertelfinale gegen die Atlanta Dream. Die 24-Jährige zog dabei die Augenbrauen hoch, wie es jemand in tiefer Überzeugung des Gesagten tut. Kein Wunder, denn hinter Fiebich lag ihr bestes Basketballspiel seit ihrer Ankunft. 21 Punkte bei fast perfekter Trefferquote, damit führte sie ihre New York Liberty an – als Rookie in ihrem ersten Jahr. Als derzeit wohl gefährlichste Dreierschützin der US-Liga.
Für die Landsbergerin hat sich ihre Premierensaison in Amerika zu einer steilen Bergaufreise entwickelt. Nach einer Einfindungsphase ist sie immer besser und selbstbewusster geworden. Den Berg erklimmt Fiebich mit Leichtigkeit, und wenn es so weitergeht, erreicht sie auf dem Gipfel die Möglichkeit, als zweite Deutsche nach Marlies Askamp 2002 den Titel zu gewinnen. Denn auch in Spiel zwei der Serie gegen Atlanta traf sie wieder wie eine Präzisionsarbeiterin, neun Zähler, kaum Fehler – Fiebich ist gerade in Bestform.
Basketballerin Fiebich in der WNBA:Es klickt beim Klassentreffen
Die Deutsche Leonie Fiebich hat sich bei New York Liberty etabliert – und liefert im Duell mit Satou Sabally eine Karrierebestleistung ab. Ihr Klub gilt mittlerweile sogar als Titelfavorit im US-Profibasketball.
Ein Einzug ins Halbfinale steht damit fest, der Vorrundenbeste New York trifft in einer Neuauflage des letztjährigen Finales nun auf die Las Vegas Aces. Die nächste Show in Brooklyn könnte am Sonntag anstehen, wenn die erste Partie der Best-of-Three-Serie stattfindet. Bei den Liberty sind sie hochzufrieden mit ihrer Attraktion aus Deutschland, zumal die dieser Tage gar ins „All-Rookie-Team“ gewählt wird, eine Auswahl der besten Neulinge der Liga. Vollkommen überrascht sind indes Menschen, die Fiebichs Weg schon länger verfolgen, nicht. Dass sie bereit ist, auf allerhöchstem Level zu spielen, hatte sich – Achtung Branchensprache – angedeutet.
Zweimal hintereinander stach sie in den vergangenen Jahren als Klassenbeste der spanischen Liga hervor. In Saragossa holte sie Titel, verfeinerte ihr Spiel mit internationalem Schliff und eignete sich eine Physis an, mit der sie auch im Muskelland USA mithalten kann. Fiebich ist 1,93 Meter groß, ihre breiten Schultern geben ihr Stabilität, ihre saubere Wurfmechanik ermöglicht ihr Treffer aus Fernrohr-Distanz. Am wichtigsten ist aber ihre Arbeitseinstellung, denn anders als viele US-Rookies, kam Fiebich als gemachte Profisportlerin in die WNBA. „Ich habe sie schon in Spanien verfolgt“, erklärte ihre Mitspielerin und mehrfache Titelgewinnerin Breanna Stewart kürzlich gegenüber dem Portal SB Nation: „Wenn sie aufs Parkett kommt, kann sie sofort übernehmen mit ihrer Länge, ihrem Spielverständnis.“
In New York loben sie bei Fiebich ihre Hingabe in allen Bereichen – sie ist ein Vollprofi, obwohl sie noch neu ist
Anerkennung äußert auch Liberty-Trainerin Sandy Brondello: „Spielerinnen, die so groß sind und von außen agieren können, sind selten. Sie ist so vielseitig und passt deshalb in jede Aufstellung, das ist das Schöne bei ihr.“ Fiebich ist eine Allrounderin, die meist von der Bank kommt und Einfluss nimmt. „Sie hängt sich in der Defensive rein, kann gegen schnelle Spielerinnen verteidigen. Nichts bringt sie aus der Ruhe“, findet Brondello, die auf Pressekonferenzen allzu gerne über „Leo“ spricht. Genau diese Bestimmtheit schätzt man an ihr. „Egal, ob es die reguläre Saison oder die Playoffs sind: Sie bringt immer die gleiche Mentalität“, hat die Trainerin beobachtet.
Und Fiebich selbst? Tatsächlich besitzt sie die Fähigkeit, Kopf und Herz aufs Wesentliche zu lenken, was im rasanten Hin und Her des Basketballs Klarheit schafft. Gedankliche Klarheit, aber auch Handlungsstärke. Ihr Job sei es, dem Team „Energie“ zu geben, wenn andere ermüden, sagte Fiebich im Sommer, „speziell in der Verteidigung, denn da hilft es, wenn jemand einspringt und direkt aggressiv ist“.
Man muss sich das Phänomen Fiebich so vorstellen: Da kommt eine aus Europa geflogen, tastet sich als Frischling langsam rein, prüft die Lage in der Liga und im Team – und glänzt spielerisch, seitdem die WNBA wegen Olympia pausierte. In Zahlen: Weit über 50 Prozent ihrer Dreier rauschen durch die Reuse. „Ich freue mich, dass ich von meinen Mitspielerinnen den Ball kriege und werfen kann“, beschrieb sie ihre 21-Punkte-Bestleistung zu Wochenbeginn.
Dabei beobachtet Fiebich noch immer Erstaunliches: Die Gegnerinnen lassen ihr mitunter zu viel Platz, weil sie ihre Widersacherin unterschätzen – und gleichzeitig Mühe haben, alle anderen Größen der Liberty zu bewachen. Ausnahmebasketballerinnen also wie Stewart, Sabrina Ionescu und manchmal sogar eine andere Deutsche: Nyara Sabally, 24, die ebenfalls im New Yorker Aufgebot steht. Bisher galt ihre große Schwester Satou, 26, als Deutschlands beste Spielerin, die Playoffs aber verpasste sie mit ihrem Verein Dallas Wings klar. Ganz anders Leonie Fiebich, die wohl noch öfter ans Hallenmikrofon muss.