Leon Goretzka:Münchens neuer Drang in die Tiefe

Leon Goretzka: Mann des Spiels: Leon Gorezzka (Mitte).

Mann des Spiels: Leon Gorezzka (Mitte).

(Foto: AFP)
  • Beim 3:0 gegen den VfB Stuttgart ist Leon Goretzka der Mann, der das vorentscheidende 1:0 erzielt und ein weiteres Tor auflegt.
  • In seinem Pflichtspieldebüt überzeugt der Ex-Schalker und verleiht dem Spiel des FC Bayern eine neue Dynamik.
  • Bayern-Trainer Niko Kovac ist mit der Leistung der gesamten Mannschaft zufrieden.

Von Maik Rosner, Stuttgart

Die kniffligste Herausforderung wartete erst nach dem Spiel auf Leon Goretzka. Viele Glückwünsche musste er entgegen nehmen und dabei einige Hände schütteln. Die eigentlich angenehme Aufgabe zum Dienstschluss geriet allerdings durchaus kompliziert, weil Goretzka wegen seines gebrochenen Mittelfingers noch immer mit einer verbundenen rechten Hand unterwegs ist. Ein bisschen unbequem und unbeholfen sah das Händeschütteln nun aus. An seiner Freude über die Komplimente für seinen imposanten Auftritt beim souveränen 3:0 (1:0)-Sieg des FC Bayern beim VfB Stuttgart durch sein 1:0 (37.) und die weiteren Tore von Robert Lewandowski (62.) und Thomas Müller (76.) änderte dies natürlich nichts.

"Ich bin froh, dass mir das so gelungen ist", sagte der ehemalige Schalker Goretzka nach seinem ersten Einsatz von Beginn an im vierten Pflichtspiel mit seiner neuen Mannschaft. Das 1:0 hatte der 23-Jährige mit einem bedachten Rechtsschuss ins untere Toreck erzielt, hinzu kamen viele Offensivaktionen, mit denen er das Spiel der Münchner vor allem in der ersten Halbzeit mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit geprägt hatte. Auch nach 90 Minuten wurde der Achter als der Akteur mit den meisten Torschüssen geführt (fünf). Dass Bundestrainer Joachim Löw auf der Tribüne zum beeindruckten Fachpublikum zählte, war für Goretzka vor den beiden Länderspielen gegen Weltmeister Frankreich am Donnerstag in München und gegen Peru am Sonntag in Sinsheim aber nur ein schöner Nebeneffekt. "Ich bin nicht in das Spiel gegangen, um mich für die Nationalmannschaft zu beweisen, sondern vor meinen Mitspielern. Ich wollte zeigen, dass ich ihnen helfen kann", sagte Goretzka. Es gelang ihm mit Ausrufezeichen.

Hinter ihm und seinen Kollegen lag allerdings ein Spiel, in dem ihnen bei weitem nicht alles gelungen war, auch Goretzka nicht. Zu Beginn ließen sich eine Reihe erstaunlicher Fehlpässe und Ballverluste beobachten, die in dieser Form und Häufung eher unüblich sind bei den Münchnern. Der wieder in die Innenverteidigung rotierte Mats Hummels verlor beim Dribblingversuch im Aufbau den Ball. Thiago Alcántaras Flügelwechsel geriet deutlich zu lang und landete im Seitenaus. Dorthin passte auch Franck Ribéry völlig unbedrängt, mögliche Adressaten befanden sich mindestens eine Mannschaftsbuslänge entfernt. Und zwischendurch missriet Manuel Neuer ein Zuspiel auf Thiago so sehr, dass Stuttgarts Angreifer Mario Gomez wohl nur deshalb den Ball nicht zu einem Torschuss nutzte, weil er Neuer einen derart verrutschten Risikopass gar nicht zugetraut hätte.

Die Makel und Schludrigkeiten fielen aber auch deshalb nicht ins Gewicht, weil dem VfB Stuttgart bei seinen wenigen Kontermöglichkeiten jene Geradlinigkeit und Effizienz fehlten, die im letzten Saisonspiel in der Münchner Arena beim 4:1-Sieg des VfB noch zu bestaunen gewesen waren. Diesmal allerdings griffen die Sicherungssysteme des Meisters in der Defensive, was auch damit zu tun hatte, dass anders als bei der letzten Verabredung die Titelvergabe am zweiten Spieltag nur theoretisch feststeht. Auch deshalb sahen sich die Münchner in der Pflicht, sich bald zu straffen, um Niko Kovac' Vorgabe nachzukommen, stabiler in der Defensive zu agieren. Beim 3:1-Sieg im Pokalfinale mit Eintracht Frankfurt hatte Kovac noch von jener Münchner Konteranfälligkeit profitiert, die sich im Saisonfinale auch die Stuttgarter zu Nutze gemacht hatten.

Wie das Spiel der Münchner insgesamt nun in Stuttgart eine deutliche Verbesserung nach den anfänglichen Unstimmigkeiten erfuhr, entwickelte sich auch Gortezkas Auftritt. Was auch bei ihm fehlerhaft und von Ballverlusten geprägt begann, durfte rasch als Empfehlung für weitere Einsätze von Beginn an bewertet werden. Aus dem halblinken Mittelfeld setzte Goretzka mit seinen Vorstößen in den Strafraum immer mehr Akzente, ganz so, wie es sich Kovac von ihm erhofft hatte. Goretzkas Qualitäten "Tiefendrang, Aggressivität und Schnelligkeit" hob der Trainer hervor. Er sagte nach dem starken Startelfdebüt: "Ich freue mich für ihn."

Eine ganze Reihe von Abschlüssen häufte Goretzka vor allem in der ersten Halbzeit an, darunter der überlegt eingeschobene Ball zum 1:0 nach Müllers Zuspiel. Es war zugleich jene Aktion, die Stuttgarts Widerstand vorentscheidend brach, Kovac sprach vom "Türöffner". Nicht eine Chance konnte für den VfB im gesamten Spiel notiert werden, was sich trotz des übermächtigen Gegners aus München ins Bild der drei Niederlagen in den bisherigen drei Pflichtspielen fügte. Als einziger Bundesligist haben die Stuttgarter noch kein Tor in dieser Saison erzielt. "Der Weg zum gegnerischen Tor war zu weit", sagte Trainer Tayfun Korkut, "wir haben es nicht geschafft, auf die Höhe zu kommen, auf die wir wollten. Wir waren passiv."

Auch deshalb hatten die hochüberlegenen Münchner spätestens nach Goretzkas Führung leichtes Spiel mit dem VfB. Nach Arjen Robbens Auswechselung zog Goretzka in der Schlussphase von halblinks auf den rechten Flügel um. Besondere Nachweise seiner Allrounderqualitäten musste der Nationalspieler dort nicht mehr erbringen, weil die Partie zu diesem endgültig entschieden war. Lewandowski hatte nach Goretzkas Außenristablage mit einem Flachschuss zum 2:0 getroffen, bald darauf krönte Müller den spielfreudigen Auftritt der Münchner mit dem schönsten Tor zum 3:0, das Lewandowski mit einem Hackpass nach Joshua Kimmichs Zuspiel vorbereitet hatte. "Ich bin mit der Darbietung meiner Mannschaft sehr zufrieden", lobte Kovac, "so können wir weitermachen." Goretzka durfte sich davon ganz besonders angesprochen fühlen.

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