Leon Bailey bei Leverkusen:Aktuell Weltklasse

TOR zum 0 1 durch Leon Bailey Bayer 04 Leverkusen per Hacke Hackentor gegen Kevin Vogt TSG 1899 Hoff

Weiß ziemlich genau, wo das Tor steht. Auch wenn er es nicht sieht: Leon Bailey holt aus, um mit der Ferse aus acht Metern zum 1:0 zu trefffen.

(Foto: Michael Weber/imago)

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Kevin Volland erzählte, sich erst nach dem Spiel getraut zu haben, seinen Trainer Heiko Herrlich zu fragen, ob er in der alten Heimat bleiben dürfe. Seine Schwester wohne schließlich noch in Mannheim, und viele Leute aus seinem Heimatdorf im Ostallgäu seien auch im Stadion gewesen. Der Trainer von Bayer Leverkusen gab seinem Stürmer schließlich die Erlaubnis, in der Rhein-Neckar-Region zu bleiben. Warum auch nicht? Nach dem 4:1-Auswärtssieg von Bayer Leverkusen bei der TSG Hoffenheim, Vollands altem Verein, fiel Herrlich das leicht. Volland spielte bis Sommer 2016 vier Jahre lang für die TSG, bevor er sich in der Hoffnung auf regelmäßige Champions-League-Einsätze ins Rheinland verabschiedete. Hoffenheim kassierte damals 20 Millionen Euro Ablösesumme.

In seiner ersten Saison bei Bayer ging aber vieles schief für den mittlerweile 25-Jährigen, die Hoffenheimer schlossen auf Tabellenrang vier ab, während Leverkusen eine Horrorrunde mit Trainerwechseln und zwischenzeitlicher Abstiegsgefahr erlebte. Er traf auch nicht wie erhofft und verlor sein Standing als Nationalmannschaftskandidat.

Inzwischen aber läuft es wieder für Bayer und für Volland. Mit neuem Trainer befinden sich die Leverkusener auf dem Weg, die alte Hackordnung wieder herzustellen: Nach dem verdienten, wenn auch zu hoch ausgefallenen Erfolg stehen die Leverkusener nach den Spielen am Samstag auf dem zweiten Tabellenrang - Hoffenheim ist bis auf Platz neun durchgereicht worden. Allerdings liegen die beiden Kontrahenten nur vier Zähler auseinander. Das zeigt zum einen, dass das Rennen um die internationalen Plätze wohl bis zum Saisonende spannend bleiben wird. Zum anderen beweist diese enge Tabellenkonstellation aber auch, wie wichtig Siege gegen direkte Konkurrenten sind.

Ein Jamaikaner überragt alle deutschen Nationalspieler

Volland ist mit zehn Toren derzeit bester deutscher Stürmer in der Torjägerliste der Bundesliga, sein Kumpel Mark Uth von der TSG mit neun Treffern aktuell zweitbester Deutscher. Doch am Samstag blieben beide blass vor 28 017 Zuschauern, unter denen sich die beiden Co-Trainer der A-Nationalmannschaft, Marcus Sorg und Thomas Schneider, sowie U 21-Nationaltrainer Stefan Kuntz befanden. Uth und Serge Gnabry bei der TSG sowie Volland, die drei potenziellen WM-Kader-Stürmer Deutschlands, standen klar im Schatten eines Mannes, der in Kingston, Jamaika, geboren ist: Leon Bailey.

Volland blieb ohne Toraktion, Uth nach seiner Einwechslung nach knapp einer Stunde Spielzeit wirkungslos und Gnabry hatte starke Momente, aber keine entscheidenden Abschlüsse. Bailey hingegen war der Spielentscheidender, der das Leverkusener 1:0 kurz vor der Pause (42.) famos mit der Hacke erzielte (aus fast zehn Metern!), das 2:0 durch Julian Baumgartlingers Schuss kurz nach der Pause (52.) initiierte und das 3:0 durch Lucas Alario (70.) vorbereitete. "Leon gelingt im Moment alles", gab auch Bayer-Trainer Herrlich zu, der ansonsten trotz des deutlichen Sieges bemüht war, nicht zu schwärmerisch von der Leistung seines Teams zu sprechen. Der Treffer von Adam Szalai (86.) kam für Hoffenheim zu spät, Alario stellte in der Nachspielzeit den 4:1-Endstand für die Werkself her, die nur einem Woche nach dem enttäuschenden Auftritt beim 1:3 gegen Bayern München mühelos in die Spur gefunden hat.

Zu verschwenderisch bei der Chancenverwertung

Die Auswahl von Trainer Julian Nagelsmann vergibt in dieser Saison insgesamt zu viele Torchancen. Wäre der Ball nach der von Bayer-Abwehr-Spieler Sven Bender abgefälschten Flanke von Dennis Geiger nicht an die Latte geflogen, sondern ins Tor (26.), wäre die TSG in Führung gegangen. Und kurz nach der Pause traf Lukas Rupp aus 18 Metern nur den Pfosten (46.) - statt 1:1 stand es kurz danach 0:2. "Der Spielstand von 0:2 war zu diesem Zeitpunkt nicht gerechtfertigt", haderte Nagelsmann, der danach auf totale Offensive setzte und die Angreifer Uth, Kramaric und Amiri einwechselte - und später auch noch Abwehrspieler Benjamin Hübner in den Angriff schickte.

Für Leverkusen ergaben sich durch die Umstellungen beim Gegner große Räume für Konter, die die Elf aber nicht immer gut nutzte. Leverkusen hatte mehr Spielglück, aber Herrlichs Elf war eben auch einen Tick reifer und individuell besser. Besonders Bailey zeigte in vielen Aktionen, welch überragender Spieler er ist. Der 20-Jährige könnte wohl auch in der Sprintstaffel seines Heimatlandes antreten - und die Technik eines Brasilianers hat er auch.

Bailey sei aktuell Weltklasse, lobte auch Julian Nagelsmann, aber sein Tor zum 0:1 sei es nicht gewesen, das könnten viele Spieler so machen. Mit dem Rücken zum Tor verwandelte Bailey aus acht Metern mit der Hacke seines linken Fußes. Seine Entscheidung so zu handeln, habe er instinktiv in der Sekunde des Abschlusses getroffen, erzählte Bailey: "Ich wusste ja: Das Tor bewegt sich nicht." Also machte er eine Bewegung, mit der keiner rechnete. Unberechenbarkeit war eine der Qualitäten, die ihn an diesem Tag von allen anderen Stürmern auf dem Platz abhob. Auch von den potenziellen deutschen WM-Kaderspielen Volland, Uth und Gnabry. Kevin Volland freute sich trotzdem auf einen schönen Abend.

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