RB Leipzig:Tage der Misstöne

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Ablenkung durch Arbeit: Leipzigs Trainer Domenico Tedesco. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Die von RB Leipzigs Chef Mintzlaff losgetretene Debatte um Trainer Domenico Tedesco erreicht ausgerechnet vor dem Champions-League-Auftakt einen neuen Höhepunkt. Marco Rose ist schon in Leipziger Kaffeehäusern zu sehen.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Der Montag war einer dieser Tage, an denen die Bild-Zeitung das dröhnende Schweigen des großen Vorsitzenden von RB Leipzig, Oliver Mintzlaff, nachgerade genüsslich füllt. Seit ein paar Wochen geht das schon so. Genauer: Seit Mintzlaff schon nach dem zweiten Spieltag von einem, pardon, "beschissenen Saisonstart" sprach - und damit die perfekte Vorlage für eine andauernde Diskussion um den Trainer Domenico Tedesco lieferte. Gerade war Tedesco noch der Coach der besten Rückrundenmannschaft, die zudem den DFB-Pokal und damit den ersten Titel der Betriebsgeschichte gewonnen - er war also ein Trainer, der sich eine vorzeitige Vertragsverlängerung verdient hatte. Jetzt steht er "vor dem Job-K.-o.", titelte die Bild, die nicht gerade die schlechtesten Beziehungen in den Leipziger RB-Kosmos hat. "Das gehört wohl dazu", sagte Domenico Tedesco vor dem ersten Vorrundenspiel der Champions League gegen Schachtjor Donezk (Dienstag, 21 Uhr, live in Dazn), äußerlich ungerührt.

Wie viel von der Gelassenheit gespielt ist, die Tedesco an den Tag legt? Schwer zu sagen. Das Problem ist: Die seinerzeit als verfrüht geltende Abrechnung Mintzlaffs mit dem eigenen Team liest sich im Nachhinein wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Und so richtig lässt sich die Bemerkung Mintzlaffs nicht toppen, sodass er nach Pleiten nun lieber schweigt.

"Das Frankfurt-Spiel war ein Novum, was die Leistung betrifft", sagte Tedesco

So auch am Samstag, als die Leipziger auf desaströse Weise bei Eintracht Frankfurt verloren (0:4). Tedesco hatte im Spiel versucht, das Debakel durch immer neue Umstellungen aufzuhalten. Als das nicht fruchtete, redete er sich in eine Rage, die er am Montag abzumildern versuchte. Ja, er blieb dabei, dass der Auftritt vom Samstag "grottenschlecht" gewesen sei. Aber: "Das Frankfurt-Spiel war ein Novum, was die Leistung betrifft", sagte Tedesco; sein Wort vom Samstag ("Katastrophe!") sei exklusiv auf Frankfurt gemünzt gewesen. Dass das 0:4 die Diskussionen um seine Person befeuerte, das habe er nur über Dritte erfahren. Er meide die Lektüre von Zeitungen.

Unter den Dingen, die Tedesco möglicherweise von Dritten hinterbracht wurden, dürfte auch dies gewesen sein: dass sein Trainerkollege Marco Rose längst in Leipziger Kaffeehäusern zu sehen ist - und als potenzieller RB-Kandidat gilt. Es hat schon abenteuerlichere Spekulationen gegeben als diese. Denn: Rose ist Leipziger. Er kennt die RB-Philosophie, weil er zwischen 2017 und 2019 die Filiale in Salzburg trainierte; er ist gerade anstellungslos - und er würde zu Max Eberl passen, der wiederum als designierter Leipzig-Sportchef gilt. RB-Boss Mintzlaff hat das Interesse an dessen Verpflichtung bei Eberls bisherigem Arbeitgeber Mönchengladbach hinterlegt. Und ebendort in Mönchengladbach hatten Eberl und Rose zwischen 2019 und 2021 zusammengearbeitet, bis Rose für ein letztlich mäßig glückliches Jahr nach Dortmund weiterzog. Und weil sich diese Diskussionen immer stärker verselbstständigen, gerät eines fast in Vergessenheit: Der Trainer in Leipzig heißt immer noch Domenico Tedesco.

Vom Rauschen im Blätterwalde versuche er sich mit "Arbeit im Sinne von Spielvorbereitung" abzulenken, aktuell eben auf Donezk, sagte Tedesco. Nachdem er am Samstag noch erklärt hatte, dass ihm die Vorfreude auf die Champions League durch den lausigen Auftritt in Frankfurt verhagelt worden sei, erklärte er nun, sich darauf zu freuen, am Dienstag wieder die Königsklassenhymne zu hören. Jedoch: Das letzte Mal, als er diesen Klängen als Coach lauschte, war 2019 mit dem FC Schalke 04, er ging seinerzeit mit 0:7 bei Manchester City unter. "Da haben wir völlig verdient voll auf die Mütze bekommen." Doch das sei Vergangenheit - und in keiner Hinsicht mit der Lage in Leipzig zu vergleichen.

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