Leipzig spielt nur Unentschieden:Zu hektisch für die Spitze

RB Leipzig v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Timo Werner (hier mit Kevin Mbabu) hatte Spaß, so variabel wie gegen Wolfsburg hatte man ihn selten gesehen. In der 54. Minute schoss er das 1:0 für Leipzig.

(Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Timo Werner trifft zur Führung gegen Wolfsburg - und danach zerbröckelt das Spiel. Nach dem 1:1 schimpft Trainer Julian Nagelsmann über die Schlampigkeit des Leipziger Fußballs.

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Es wäre nur halb so schön gewesen, hätte Timo Werner das Tor schon früher gemacht. Vor der Fankurve rutscht es sich schließlich am schönsten die Knie wund und da RB Leipzig gegen den VfL Wolfsburg erst in der zweiten Halbzeit vor den eigenen Fans aufs Tor schoss, hob sich Timo Werner das mit dem Treffen eben bis zur 54. Minute auf. Hier noch eine Kurve, da ein Schuss, drin war der Ball und Werner rutschte leidenschaftlich den Rasen entlang, als hätte er nur dafür früher mit dem Kicken angefangen.

Das Problem war dann halt: Danach zerbröckelte das Spiel.

Ja, dieses seltsame Phänomen konnte man am Samstagnachmittag in der Leipziger Arena beobachten: Wie aus einem Treffer zum 1:0 nicht neue Angriffslust beim nun führenden Team entstand - sondern die Glieder begannen, ein hektisches Eigenleben zu führen. "Wir haben aufgehört, Fußball zu spielen", sagte später RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, der sich als Erster vor die Mikrofone wagte. Wolfsburg kam die Nervosität der Gastgeber ganz gelegen, in der 82. Minute bescherte Wout Weghorst dem VfL das verdiente 1:1, sein Trainer Oliver Glasner war ganz verzückt: "Es hat richtig Spaß gemacht, den Jungs beim Fußballspielen zuzuschauen." So unterschiedlich können die Gefühlswelten bei einem Unentschieden sein.

Die erste Halbzeit hatte sich hauptsächlich in der Hälfte der Wolfsburger abgespielt, Leipzig konnte sich freimütig den Ball zuspielen, "der Raum war größer als wir teilweise gedacht haben", sagte Nagelsmann. Das nutzte allen voran Timo Werner, der sich im offensiven Mittelfeld immer wieder zurückfallen ließ und so jedem Fleckchen auf dem Rasen einen Besuch abstattete. Werner hatte Spaß, so variabel wie gegen Wolfsburg hatte man ihn selten gesehen. Tore wurden nicht daraus, denn: "Wir verlieren einfach zu viele Bälle", sagte Nagelsmann später, das Wort "schlampig" benutzte er oft an diesem Abend, gewidmet der ganzen Mannschaft. Der entscheidende Pass war oft der zittrigste. Die kurioseste Szene des Spiels ereignete sich schon in der 18. Minute, als Dayot Upamecano eine verunglückte Bogenlampe in Richtung von Torwart Peter Gulacsi schickte, der wehrte mit der Hand ins Seitenaus ab; es gab indirekten Freistoß - zehn Meter vorm Tor. Alles, was im Namen der Brause kickte, tummelte sich rund um die Torlinie, Maximilian Arnolds Schuss wehrte schließlich doch wieder Gulacsi ab.

Nach dem Wiederanpfiff machte Werner schließlich die Leipziger froh, aber die Wolfsburger nicht unglücklich genug, dass diese sich freiwillig ergeben würden. Ganz im Gegenteil, mit jeder verstreichenden Minute keimte in ihnen größere Hoffnung auf, weil RB zu sehr in dem vertieft war, was Nagelsmann später als "Stehen im luftleeren Raum" bezeichnete. Man habe auf Umschaltmomente gehofft "und die Spieler nicht verteidigt", sagte Nagelsmann; vor dem Ballgewinn hat der Fußballgott halt das Verteidigen gesetzt, das war ihnen kurz entfallen. So war es dann auch ganz passend, dass sowohl Mintzlaff als auch Nagelsmann später davon sprachen, man hätte "um den Ausgleich gebettelt". Und Mintzlaff wurde dann auch grundsätzlicher: "Das ist zu wenig, da erwarte ich mehr."

Schon am Mittwoch trifft RB in der Champions League auf Zenit St. Petersburg, "das wäre heute etwas gewesen, wo wir nicht nur was fürs Punktekonto tun", sagte Mintzlaff noch, man hätte sich schließlich auch Selbstbewusstsein für die anstehenden Aufgaben erspielen können. Es war nun ja schon das vierte Pflichtspiel in Folge ohne Sieg gewesen. Julian Nagelsmann hoffte mit anderen Mitteln auf ein Erwachen in der Mannschaft. "Normal bin ich nicht häufig laut, aber heute war ich schon mal laut", sagte er, nachdem er die Kabine verlassen hatte. Um die Hektik "an der Murmel" zu bekämpfen, muss er sich jetzt noch mehr einfallen lassen.

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