RB Leipzig:Frühreifer Designerhengst

Hamburger SV v RB Leipzig - DFB Cup

Leipzigs Mannschaft feiert den erstmaligen Finaleinzug nach dem 3:1 gegen den HSV.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • RB Leipzig steht durch ein 3:1 beim Hamburger SV im DFB-Pokalfinale - es ist das erste richtige Endspiel in der jungen Vereinsgeschichte.
  • In der Startelf stehen sieben Spieler, die schon beim Erstligaaufstieg 2016 dabei waren.
  • Trainer Ralf Rangnick deutet nach dem Spiel an, dass die Liga nun vernachlässigt werden könnte.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Das Volksparkstadion war kein schlechter Platz für die feierliche Leipziger Selbstreflexion. Vor gar nicht so langer Zeit konnte RB Leipzig die Hamburger Arena ja vorkommen wie eine ferne Festung: Als dieser neue Klub im Mai 2009 erfunden wurde, gehörte der alte HSV noch zum oberen Teil der Fußball-Bundesliga. Jetzt, ein Jahrzehnt später, plagt sich der einstige Europapokalsieger in der zweiten Liga, und diese globalisierten Sachsen haben nach der Champions League nun auch recht lässig das Berliner Finale des DFB-Pokals erreicht, pünktlich zu ihrem Jubiläum. Wenn der HSV bis zu seinem Abstieg der Dino war: Was ist dann RB Leipzig?

Der frühreife Designerhengst aus dem Stall des Aufputschlimokönigs? Jedenfalls ein hellwaches Gegenmodell zu den müden Hanseaten. Nach dem letztlich ziemlich souveränen 3:1-Sieg besannen sich die Sachsen auf ihre erstaunliche Vita. Vor zehn Jahren gegründet, angefangen in Liga fünf, bis vor sechs Jahren vierte Liga, jetzt Dritter in der Bundesliga, wieder unterwegs in die europäische Meisterliga und erstmals in der jungen Vereinsgeschichte bald in einem richtigen Endspiel.

Es sei schon großartig, im dritten Erstligajahr um einen Titel spielen zu können und zum zweiten Mal in einem internationalen Wettbewerb zu stehen, findet der Trainer Ralf Rangnick sehr zurecht. "Ich weiß nicht, ob es so was schon mal gegeben hat in der Bundesliga."

Natürlich nicht, es gab in der Bundesliga auch noch nie so eine Schöpfung aus der Retorte. Und der Stratege Rangnick, 60, hat dem anfangs etwas seelenlosen Brause-Experiment Aufbau-Ost Leben eingehaucht. Ein Entertainer ist dieser Pädagoge nicht, aber er weiß genau, was er tut. Wie langweilig wäre Deutschlands Fußball ohne die TSG Hoffenheim, die der Schwabe zunächst salonfähig gemacht hatte, und ohne diese rasenden Rasenballsportler Leipzig?

Insofern ist es fast logisch, dass auch hier Julian Nagelsmann sein Nachfolger auf der Bank sein wird, wenn sich Rangnick am Saisonende wieder ins Leipziger Management zurückzieht. Rangnick habe die Mannschaft nach und nach zusammengefügt, schwärmt Oliver Mintzlaff, der Vorsitzende, Geschäftsführer und ehemalige Langstreckenläufer. "Deswegen spielen wir heute den attraktivsten Fußball, den wir je gespielt haben. Die Mannschaft ist noch erwachsener geworden."

Man habe "dreieinhalb bis vier Wochen Zeit, ein Qualifying zu machen", sagt Rangnick

In der Startelf in Hamburg standen sieben Mann, die mit Rangnick 2016 in die Bundesliga aufgestiegen waren. Darunter Yussuf Poulsen, Emil Forsberg, Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg, inzwischen Nationalspielern wie Timo Werner. "Das zeigt einfach, wie eng die Verbindung vieler Spieler zu diesem Verein und zu dieser Stadt ist", sagt Rangnick. Das kann bei aller Tradition nicht jeder Bundesligist von sich behaupten. "Geschwindigkeit, Präzision, Klarheit" erkennt HSV-Trainer Hannes Wolf im Leipziger Spiel. Der zwischenzeitliche Ausgleich durch Bakery Jattas Kunstschuss, nachdem der ansonsten ballsichere Kevin Kampl die Kugel vertändelt hatte, diente letztlich als erzieherische Maßnahme. Wobei Rangnick darauf hinwies, dass sein Torwart Peter Gulacsi bei dem Gegentreffer nicht zu weit vor dem Tor gestanden sei, sondern dort, "wo bei uns der Torwart steht, wenn wir im Ballbesitz sind", also relativ weit vor dem Tor.

Man habe "dreieinhalb bis vier Wochen Zeit, um ein Qualifying zu machen", sagt Rangnick

Im Moment sei es so, sagt der Däne Poulsen, der das 0:1 per Kopf erzielte und das Hamburger Eigentor zum 1:2 erzwang, ehe der Schwede Forsberg flach und trocken das 1:3 nachlegte: "Wir glauben, dass wir nicht verlieren können." Und wenn Willi Orban, der Kapitän, sagt: "Wir sind hungrig auf Erfolg", dann hört sich das bei Leipzig 2019 nicht nach einer Floskel an. Die meisten dieser Profis haben noch keine Trophäe gewonnen, anders als die Bayern. Die Frage ist nur, wie Glauben und Hunger bis zum Pokal-Showdown am 25. Mai dosiert werden und was das für die Endphase der Bundesliga bedeutet. Rangnick gab Hinweise, die den Ligazweiten Dortmund beunruhigen könnten. Oder doch nicht?

Der Startplatz in der nächsten Champions League ist RB Leipzig kaum mehr zu nehmen, und am Samstag kommt Freiburg zu Besuch. Machbar. Dann hätten sie "drei Wochen Zeit, um uns auf das Pokalfinale vorzubereiten", sagt Rangnick, ohne dabei allzu viel auf die Punkte und die Tabelle schauen zu müssen.

Was heißt das? Man habe "dreieinhalb bis vier Wochen Zeit, um ein Qualifying zu machen", so die Antwort, denn es sei nicht ganz einfach, in den Leipziger Kader zu kommen, "geschweige denn in die Startelf". Rangnick hat ja erlebt, wie sie monatelang durch die aufreibende Europa League hasteten, wo sie ohne das späte 1:1 von Trondheim vielleicht noch wären. Ob sie dann auch 61 Punkte hätten und im Pokalfinale stünden - "hypothetisch", sagt Rangnick, aber es mache halt einen Unterschied, ob man unter der Woche mal schnell nach Kasachstan müsse. Frankfurt, europäischer Halbfinalist, leide in der Bundesliga ja unter der Doppelbelastung.

Die Sache ist nur die, dass Rangnicks Team am vorletzten Spieltag den FC Bayern empfängt und es Borussia Dortmund kaum gefiele, wenn das nur ein Casting für Berlin wäre, das erste Endspiel in zehn Jahren RB Leipzig.

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