Süddeutsche Zeitung

Leipzig daheim nur 0:0:Triumph der Sekundärtugenden

Lesezeit: 3 min

"Volle Kanone Spaß": Der FC Augsburg erfreut sich daran, einen Punkt aus Leipzig entführt zu haben. Wie schon in der Hinrunde endet das Duell mit einer gnadenlosen Nullnummer.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Über Geschmacksfragen lässt sich bekanntlich selten streiten. Und so darf es nicht überraschen, dass etwa Michael Gregoritsch vom FC Augsburg nach dem 0:0 bei RB Leipzig an Dingen erfreute, die man eher zu den kleineren Dingen des Fußballs zählt. Es habe "volle Kanone" Spaß gemacht, sagte Gregoritsch, sich in jeden Ball reinzuwerfen, sich in Aufopferung zu üben, eine Woche nach dem Sieg gegen Borussia Dortmund einer weiteren Spitzenmannschaft mit Sekundärtugenden wie Disziplin und Ordnung Punkte abzunehmen. Und sollte es die Augsburger, die gegen den Abstieg kämpfen, groß interessieren, ob sich das Endprodukt für Unbeteiligte als sehenswertes Spektakel darstellt? Zumal sie wegen Sperren und Verletzungen auf gleich eine ganze Elf verzichten mussten - nachdem sich am Spieltag auch Ji Dong-Won, ihr südkoreanischer Doppeltorschütze vom Dortmund-Spiel, wegen Muskelbeschwerden abmeldete.

Wichtiger waren ihnen die Fakten: RB Leipzig verpasste auch im vierten Anlauf den ersten Bundesliga-Heimsieg des laufenden Kalenderjahres; Augsburg wiederum konnte im Abstiegskampf Boden gewinnen, rückte bis auf einen Punkt an Schalke heran - und vergrößerte die Distanz zum VfB Stuttgart, der derzeit den Relegationsplatz belegt, auf drei Zähler. "In der Hinrunde sind wir oft in Schönheit gestorben. Jetzt spielen wir, wie eine Mannschaft spielen muss, die gegen den Abstieg spielt", sagte Gregoritsch.

Augsburg vermeidet es, Konterchancen zuzulassen

Das Spiel begann so erratisch wie die heftigen Böen, die das Bundesland Sachsen heimsuchten. In der Anfangsphase suchten die Augsburger Schutz in der eigenen Hälfte, standen Schulter an Schulter und sorgten damit immerhin dafür, dass sich die Leipziger in ihren Angriffsbemühungen immer wieder verhedderten. Die Hausherren monopolisierten zwar den Ball. Doch weil die Augsburger ihren Plan, Kontersituationen zu vermeiden, perfekt umsetzten, hatten die Leipziger vor 38590 Zuschauern massive Schwierigkeiten, Räume zwischen den Augsburger Linien aufzureißen. Und sie stoppten ihre wenigen vielversprechenden Attacken immer wieder selbst durch Ungenauigkeiten beim letzten Pass.

Die Folge: Die Augsburger hatten in der ersten Halbzeit kaum je das Gefühl, am Abgrund zu wandeln. Erst in der 37. Minute kam die Mannschaft von Ralf Rangnick zu einem klaren Abschluss. Marcel Sabitzer leitete in der Hälfte der Augsburger einen Ball per Hacke auf Marcel Halstenberg weiter, der im Strafraum quer auf Mateus Cunha legte. Der Brasilianer aber scheiterte an Augsburgs Torwart Gregor Kobel, der bis dahin vor allem dadurch aufgefallen war, dass er sich bei den Abstößen alle Zeit der Welt nahm. In der 40. Minute, bei der zweiten Leipziger Großchance, musste Kobel gar nicht erst die Hände bemühen: Cunha hatte gesehen, dass Sabitzer auf der rechten Flanke unbewacht stand, der Österreicher flankte per Direktabnahme auf Timo Werner - doch der DFB-Stürmer, der wegen einer Wadenverletzung von Yussuf Poulsen nach einer zweiwöchigen Verletzungspause zurückkehren musste, setzte den Ball freistehend per Kopf übers Augsburger Tor. "Ich dachte, den macht er sicher", ärgerte sich später Leipzigs Trainer Ralf Rangnick.

Fast gelingt den Gästen der "Ober-Lucky-Punch"

Nach der Pause leisteten sich die Gäste gleich zwei gefährliche Annäherungen auf das Tor der Leipziger. Kevin Danso setzte einen Kopfball aus vierzehn Metern knapp neben das Tor (55.). Rund fünf Minuten später tauchte Michael Gregoritsch im Strafraum der Leipziger auf und scheiterte mit einem satten Linksschuss an dem blendend reagierenden Torwart Peter Gulacsi. "Das wäre der Ober-Lucky-Punch gewesen", sagte Augsburgs Trainer Manuel Baum. Danach verzog sich Augsburg wieder in die eigene Hälfte, um sich dem stetigen, aber sterilen Druck der Leipziger auszusetzen. Timo Werner scheiterte wieder bei zwei Kopfballannäherungen (57./65.); Marcel Halstenberg versuchte es aus spitzem Winkel, statt Marcel Sabitzer im Fünfmeterraum zu bedienen (69.), Kampl musste sich bei einem Fernschuss dem tadellosen Keeper Kobel beugen.

Die größte Chance vergab allerdings Sabitzer, als er in der 83. Minute den Augsburger Verteidiger Philipp Max aus acht Metern in die Waden schoss. Max jubelte nach der Aktion, als habe er ein Tor oder einen Sieg erzielt. Beides wird in den nächsten beiden Spielen Pflicht sein - denn es geht gegen Hannover und Nürnberg, zwei direkte Rivalen im Kampf gegen den Abstieg. "Gegen Hannover wollen wir die gleiche Intensität an den Tag legen wie in den letzten beiden Spielen - und punkten", sagte Gregoritsch.

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Quelle:
SZ vom 10.03.2019
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