Leipzig gegen Bayern:Eine Halbzeit Raserei

RB Leipzig v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Bayerns Kingsley Coman im Duell mit Leipzigs Christopher Nkunku.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • RB Leipzig und der FC Bayern trennen sich in der Bundesliga 1:1.
  • Lewandowski trifft für die Münchner, Forsberg per Elfmeter für die Leipziger.
  • In der ersten Hälfte sind die Bayern deutlich überlegen - danach hat auch Leipzig mehrere gute Chancen.

Von Maik Rosner, Leipzig

Mitte der zweiten Halbzeit standen Niko und Robert Kovac eng zusammen. Die beiden Brüder hielten sich jeweils eine Hand vor den Mund, damit niemand von ihren Lippen ablesen konnte, was sie gerade beratschlagten. Handlungsbedarf aus Sicht des FC Bayern bestand vor allem deshalb, weil RB Leipzig zunehmend gefährlicher agierte und drauf und dran schien, das Spiel zu drehen.

Robert Lewandowski (3.) hatte die Münchner in Führung gebracht und Emil Forsberg für Leipzig per Foulelfmeter ausgeglichen (45.+3). Doch am Ende blieb es trotz einer wilden zweiten Halbzeit mit vielen Chancen auf beiden Seiten bei diesem 1:1, mit dem RB zwar nicht Revanche nehmen konnte für die 0:3-Niederlage aus dem Pokalfinale im Mai, aber nun immerhin die Tabellenführung verteidigte. Und auch Chefcoach Niko Kovac und sein Assistent Robert konnten mit dem Remis leben, obgleich aus ihrer Unterredung kein siegbringender Impuls hervorgegangen war.

Es war ein Spiel gewesen, das eine Überraschung schon kurz vor dem Anpfiff bereithielt. Das galt aber nicht für Thomas Müller, der einen Tag nach seinem 30. Geburtstag im offensiven Mittelfeld erwartungsgemäß anstelle von Philippe Coutinho auflief, weil der Brasilianer erst am Donnerstag von der USA-Reise mit der Nationalmannschaft zurückgekehrt war. Die Überraschung war vielmehr Jérôme Boateng in der Startelf der Bayern, und auch der Innenverteidiger war von seinem kurzfristigen Einsatz überrascht worden. Linksverteidiger David Alaba hatte sich kurz vor dem Anpfiff mit muskulären Problemen abgemeldet, weshalb Boateng in die Startformation rutschte und Lucas Hernández in der Viererkette von innen nach links auf Alabas Position. Vor der Abwehrreihe begann erneut Joshua Kimmich als Sechser, unterstützt von Thiago Alcántara.

Fast ein Klassenunterschied in Halbzeit eins

Als das Spiel begann, zog aber rasch nicht mehr die Münchner Defensive das Interesse auf sich. Der Leipziger Abwehrverbund war es nun, der ein paar Fragen aufwarf. Vor allem jene, wo der Leipziger Abwehrverbund eigentlich war, als Müller links im Mittelfeld den Ball erkämpfte und Lewandowski umgehend steil schickte. Der Pole lief allein auf Leipzigs Torwart Peter Gulacsi zu und schob den Ball ohne Mühe zur frühen Führung der Bayern ein. Müllers gewonnener Zweikampf, Gedankenschnelligkeit und anschließender Pass hatten genügt, um die Defensive des Tabellenführers komplett auszuhebeln. Aus Sicht von Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann war das viel zu einfach, verärgert schaute er nach Lewandowskis siebtem Ligator im vierten Spiel drein.

Auch danach gab dieser laue Septemberabend in Leipzig den Gastgebern erst einmal wenig Anlass zur Freude. Zwar kamen sie nach ihren drei Siegen in den vorherigen drei Ligaspielen kurz nach dem Rückstand zu einer Großchance, doch Lukas Klostermann verzog freistehend nach Timo Werners Zuspiel. Danach aber spielte nur noch der FC Bayern und sorgte mit enormer Passsicherheit für eine Dominanz, die so noch nie in einem ihrer Spiele bei den Leipzigern zu besichtigen war. Das attestierte auch Niko Kovac: "Ich finde, wir haben in der ersten Halbzeit sensationell gut gespielt. Das war die beste Leistung. Wir haben nichts zugelassen, müssen natürlich mehr Tore schießen und dürfen in der Nachspielzeit nicht den Elfmeter kassieren, wo wir uns selbst in Schwierigkeiten bringen."

Zuweilen wirkte es, als sei Leipzig in dieser Saison eine optische Täuschung gewesen, die dem Publikum nur vorgegaukelt hatte, dass hier ein ernstzunehmender Herausforderer für den Abo-Meister aus München erwachse. Stattdessen sah es nun fast nach einem Klassenunterschied aus, und das Einzige, was sich die Gäste vorwerfen mussten, war tatsächlich nur jener Umstand, dass sie aus ihrer beeindruckenden Überlegenheit nicht mehr Kapital schlugen.

Nachts wird RB ein würdiger Gegner

Lewandowski verpasste mit einem zu hoch angesetzten Kopfball seinen 200. Pflichtspieltreffer für die Münchner. Danach ließen die Bayern einige aussichtsreiche Torannäherungen versiegen. Und auch einen ursprünglich verhängten Foulelfmeter bekamen sie nach einer Videoüberprüfung doch nicht zugesprochen, weil Marcel Sabitzer Hernández bei dessen Hereingabe tatsächlich nicht gefoult hatte. Stattdessen gab es nach einem Fehlpass von Thiago in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit auf der Gegenseite Strafstoß, den Leipzigs Forsberg zum Ausgleich verwandelte. Glücklich war dieses 1:1 zur Pause nicht nur wegen des Spielverlaufs, sondern auch, weil Yussuf Poulsen den Strafstoß geschickt provoziert hatte, indem er beim Abschirmen des Balles ein Bein herausstellte, in das Hernández hineinlief. Vertretbar war der verhängte Elfmeter dennoch.

In der zweiten Halbzeit war Leipzig deutlich präsenter und kam rasch zu zwei Torannäherungen, von denen besonders Nordi Mukieles Rechtsschuss gefährlich wurde. Bayerns Torwart Manuel Neuer konnte den Ball am Pfosten vorbeilenken. Kurz darauf rettete Ibrahima Konaté auf der Gegenseite kurz vor der Torlinie, nachdem Kingsley Coman abgezogen hatte. Nun schien sich jenes wogende Spektakel zu entwickeln, das sich viele von diesem Vergleich der Neureichen aus Sachsen mit den Altreichen aus Bayern versprochen hatten.

Auch der bis dahin ziemlich unsichtbare Werner leistete dazu seinen Beitrag, als er nach fast einer Stunde mit einem Hackentrick das Außennetz traf. Kurz darauf schickte Sabitzer einen wuchtigen Flatterball auf die Reise, den Neuer vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw nur mit viel Artistik mit seinem linken Arm abwehren konnte. Beinahe ähnlich reflexhaft reagierte kurz darauf Gulacsi, als er einen abgefälschten Schuss des eingewechselten Corentin Tolisso gerade noch um den Pfosten lenkte. Das Raunen im Publikum war kaum verklungen, da schoss Werner nur knapp an Neuers Tor vorbei.

Atemlos durch die Leipziger Nacht ging es nun in diesem Topspiel, das tatsächlich noch ein offener Schlagabtausch geworden war - und RB nebenbei ein gleichwertiger Gegner für die Münchner. Für Julian Nagelsmann gilt trotzdem: "Wir können an einem guten Tag mithalten. Wir sind nicht besser als Bayern, nein." Für Gefahr sorgte noch Comans abgefälschter Linksschuss, den Gulacsi ans Lattenkreuz lenkte. Doch eine große Pointe der Raserei in der zweiten Halbzeit blieb aus, auch weil Werner kurz vor dem Abpfiff mit einem Rechtsschuss an Neuers Brust statt ins Tor traf und auf der anderen Seite Gulacsi nach Niklas Süles Kopfball rettete.

Nach dem Spiel hatte Manuel Neuer dann nochmal einen Auftritt und reagierte verärgert über die jüngsten Aussagen seines Nationalmannschafts-Konkurrenten Marc-André ter Stegen. "Ich habe es natürlich mitbekommen", sagte er im TV-Sender Sky und betonte: "Ich weiß jetzt nicht, ob uns das hilft." Ter Stegen hatte gesagt: "Diese Reise mit der Nationalelf war für mich ein schwerer Schlag." Neuer meinte dazu: "Wir sind eine Mannschaft und müssen zusammenhalten, auch die Torhüter." Über sich selbst urteilte Neuer: "Ich zeige halt auch sehr gute Leistungen." Im Spiel gegen Leipzig traf diese Aussage zu.

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