Süddeutsche Zeitung

Leipzig schlägt Augsburg:Ein Hauch von Sommerromanze

Timo Werner schießt zwar mittlerweile in London seine Tore, beim 2:0 in Augsburg jedoch erinnert sein ehemaliger Sturmpartner kurz an ihn - und verschafft Leipzig die Tabellenführung.

Von Felix Haselsteiner, Augsburg

Nicht ganz vier Monate ist es her, da stand Julian Nagelsmann in der Coaching Zone der Arena in Augsburg und nahm einen Spieler väterlich in den Arm. Fest drückte er Timo Werner damals an seine Brust und verabschiedete sich dann mit ein paar leise geflüsterten Worten. Zwei Tore hatte Werner damals, bei seinem letzten Spiel im Trikot von RB Leipzig, erzielt und sich damit gar noch zum Rekordtorschützen des Vereins gemacht. Rückblickend wirkt die Erinnerung an die energievollen Antritte und die wuchtigen Abschlüsse von Werner ein wenig wie eine Sommerromanze, die man sich gerne noch einmal erzählt, der schönen Erinnerungen wegen.

Denn: Es ist längst Herbst und Werner schießt seine Tore beim FC Chelsea in London, zwei waren es ausgerechnet an diesem Nachmittag gegen Southampton. Nagelsmann unterdessen hatte am Samstagnachmittag beim 2:0 von RB Leipzig gegen den FC Augsburg - Schauplatz die Augsburger Arena, selbe Coaching-Zone wie im Juli - eine dicke Weste angezogen, weil es kalt war und er auch nicht vor hatte, jemanden väterlich zur Brust zu nehmen.

Die Begegnung ist ein Spitzenspiel - rein tabellarisch zumindest

Immerhin die sportliche Situation war vor dem vierten Spieltag erwärmend, und zwar sowohl für Nagelsmann und Leipzig (gar nicht mal so überraschend Tabellenführer) als auch für Heiko Herrlich und den FCA (ziemlich überraschend Tabellenzweiter). "Spitzenspiel" hätte man das also fast nennen können, rein tabellarisch, versteht sich.

Dass beide Mannschaften nämlich doch etwas mehr trennt als die Tordifferenz, zeigte sich über die gesamten 90 Minuten. Leipzig spielte mit dem gewohnten Pressingsystem, mit dem RB vor allem tiefstehende Gegner über längere Zeiträume auf überaus beeindruckende Art und Weise kontrollieren und im Spielaufbau behindern kann. Augsburg jedenfalls fand keine Lösungen aus dem Spiel heraus, sondern wenn, dann gerade noch Antworten in höchster Bedrängnis im eigenen Strafraum. "Wir wollten versuchen, durch Umschaltmomente ins letzte Drittel zu kommen", sagte Herrlich, konstatierte jedoch: "Wir haben es nicht geschafft, uns von hinten heraus zu befreien."

Dass der Leipziger Führungstreffer erst in der 45. Minute nach einer Flanke des starken Dani Olmo auf Angeliño fiel, lag jedenfalls nicht an der fehlenden Strafraumpräsenz der Sachsen, sondern vielmehr an der Abwesenheit von manchem Rekordstürmer, der als Anspielstationen teilweise immer noch sichtbar fehlt. "Wir hatten ein paar Flanken mehr heute", sagte Nagelsmann nach dem Spiel: "Da hätte uns ein Stürmer gut getan, das war nach den Nationalmannschaftsreisen jedoch nicht möglich." Doch auch die Querpässe von Nordi Mukiele und Benjamin Henrichs - der sein Startelf-Debüt gab, weil Amadou Haidara positiv auf das Coronavirus getestet und laut Klub präventiv isoliert wurde - ließen im ersten Durchgang noch die letzte Genauigkeit vermissen.

Augsburg verteidigte zwar tapfer, fand aber nur selten Wege nach vorne: Einen Freistoß hätte Tobias Strobl beinahe eingeköpft (34.), aus dem Spiel heraus sprang keine nennenswerte Gelegenheit heraus. Umso unerfreulicher war die Nachricht, dass der isländische Stürmer Alfred Finnbogason nach der Verletzung in der Nations League gegen Belgien länger ausfallen wird. "Es sieht so aus, als wäre es kein einfacher kleiner Faserriss, sondern als wäre eine Einblutung da. Daher gehen wir von einer längeren Ausfallzeit aus, das können auch vier, sechs Wochen sein", sagte Manager Stefan Reuter.

Nach dem 2:0 entwickelt sich ein offeneres Spiel - was Nagelsmann missfällt

Auch mit drei Neuen nach der Halbzeit (unter anderem kam Florian Niederlechner für den vom Leipziger Dayot Upamecano völlig abgemeldeten Frederik Jensen) hatte der FCA Probleme mit den nun noch etwas kombinationsstärkeren Leipzigern. In der 60. Minute klärte Außenverteidiger Mads Pedersen auf der Linie, die Augsburger waren nun endgültig eingeschnürt im eigenen Sechzehner. Das 2:0 in der 66. Minute war folgerichtig, erst danach entwickelte sich ein etwas offeneres Spiel, was zumindest Nagelsmann nicht gefiel: "Die zweite Halbzeit haben wir es die ersten zwanzig Minuten noch sehr gut gemacht, danach wurde es etwas wild, was unnötig war."

Yussuf Poulsens 2:0, das er mit seiner ersten Ballberührung erzielte und das Leipzig die Tabellenführung absicherte, bedarf jedoch noch einmal besonderer Erwähnung. Wieder bediente Olmo dabei sehenswert per Flanke. Und Poulsen, der jahrelang als Sturmpartner an der Seite von Werner gespielt hatte, traf so formvollendet mit links per Volleyschuss ins lange Eck, dass man sich fast ein wenig an vergangene Sommerromanzen erinnert fühlte.

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