Leipzig:Auf zum nächsten Gipfelkreuz

Leipzig: Sah nicht nur beim ersten Gegentor unglücklich aus: Schalke-Torwart Alexander Nübel.

Sah nicht nur beim ersten Gegentor unglücklich aus: Schalke-Torwart Alexander Nübel.

(Foto: Martin Meissner/AP)

RB beschämt Schalke, wundert sich nach dem höchsten Auswärtssieg in der Bundesliga aber über Timo Werner.

Von Ulrich Hartmann, Gelsenkirchen

Der höchste Auswärtssieg in der Bundesliga-Geschichte von RB Leipzig war noch keine halbe Stunde alt, da fand der Nationalstürmer Timo Werner, dass er gut zum FC Liverpool passen würde. Leipzig hatte 5:0 gegen Schalke 04 gewonnen, hat seit sechs Stunden kein Gegentor mehr zugelassen, wahrt als Tabellenzweiter seine Titelchance und besitzt exzellente Aussichten, ins Viertelfinale der Champions League einzuziehen. Aber noch besser schlägt sich in der Premier League der FC Liverpool, und weil ja ganz ambitionierte Fußballer stets den nächsten Schritt machen und das Gipfelkreuz erreichen wollen, statt auf halbem Anstieg stehen zu bleiben, präpariert Werner, 23, zumindest schon einmal verbal seinen avisierten Wechsel gen England. Eine Zusammenfassung seiner jüngsten Schwärmereien liest sich so: "Die Premier League ist einfach die interessanteste Liga; Liverpool ist derzeit das beste Team der Welt; sie haben mit Jürgen Klopp einen der besten Trainer der Welt." Für Werner lautet die Schlussfolgerung dieser Indizienkette: "Es spricht einiges dafür, dass ich mit meiner Spielweise da vielleicht gut hinpassen würde."

Tatsächlich spielt Werner seine bislang beste Saison. Er hat in 33 Pflichtspielen 27 Tore geschossen und elf vorbereitet. Auf Schalke hat er mit dem Treffer zum 2:0 sein 21. Saisontor in der Bundesliga erzielt, aber die wahren Helden waren diesmal andere: der Mittelfeldmann Christopher Nkunku mit vier Torvorlagen, der spanische Flügelflitzer Angeliño, der erst seit Kurzem von Manchester City ausgeliehen ist, aber auf der linken Außenbahn spielt, als gehörte er seit Jahren zum Kollektiv - und dann die Abwehr mit Lukas Klostermann, Dayot Upamecano und Marcel Halstenberg. Sie düpierten die Schalker Angreifer mit einer solchen Eleganz, dass der eigene Torwart Peter Gulacsi, der sozusagen aus der ersten Reihe zugesehen hatte, ins Schwärmen geriet. "Diese Stabilität ist der Schlüssel zu unserem Erfolg", schwelgte er, "auch die aggressiven Außenverteidiger machen es überragend", (Nordi Mukiele und Angeliño) "und unsere defensiven Mittelfeldspieler" (Marcel Sabitzer und Konrad Laimer) "laufen 13 Kilometer pro Spiel, das ist unglaublich".

Diese Zahlen stimmen zwar nicht ganz, es sind bloß knappe elf Kilometer der meisten Spieler, aber womit Gulacsi unzweifelhaft Recht hat, ist der Vorteil "des anderen Systems, das wir jetzt hinten spielen und das uns so gut tut". Die Leipziger spielen nun dauerhaft Dreierkette mit zwei lauffreudigen Außen und zwei Sechsern, die frontal entschärfen. Gegen diese Formation ist zuletzt Bayern München, Bremen und Tottenham kein Treffer gelungen und nun also auch den Schalkern nicht.

Es gibt viele Indizien dafür, dass die in der Hinrunde hochgelobten Gelsenkirchener gerade in eine kleine Krise geraten sind, so sehr sie sich auch gegen diese Vokabel wehren. Trainer David Wagner sagt, ihm gefalle das Wort Krise im Fußball generell nicht, und der Sport-Vorstand Jochen Schneider präzisiert, das sei allenfalls eine "Leistungsdelle".

Diese Delle hat allerdings kapitale Komponenten: Schalke hat seit fünf Bundesligaspielen nicht mehr gewonnen, der Torwart Alexander Nübel erleidet seit seinem angekündigten Wechsel zu Bayern München im kommenden Sommer eine veritable Formkrise, pardon: -delle, und wird von den eigenen Fans ausgepfiffen. Am schlimmsten aber war: Die 0:5-Niederlage gegen Leipzig war die höchste Heimniederlage seit einem 0:5 gegen den FC Chelsea im November 2014 in der Champions League und die höchste Bundesliga-Heimniederlage seit einem 0:6 gegen den VfL Bochum im Mai 1981. Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie lange das her ist, hier die Namen der damaligen Protagonisten: Der Torwart hieß Norbert Nigbur, der Stürmer Klaus Fischer und der Trainer Fahrudin Jusufi.

Jusufi war damals bloß ein Jahr Trainer auf Schalke, eine deutlich prägendere Zeit erhofft man sich derzeit von Wagner. Innerlich bereits verabschiedet haben sich die Fans offenbar von Torwart Nübel. Ob Wagner dies auch tut und nach der Rückkehr des derzeit verletzten Markus Schubert eher auf seinen bisherigen Ersatztorwart setzt, mochte der Trainer bislang nicht beantworten. Diese Entscheidung wird die spannendste in den nächsten Tagen in Gelsenkirchen-Buer.

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