Duplantis und Lyles:Die Leichtathletik hat zwei neue Attraktionen

Noah Lyles und Armand Duplantis

Grund zum Jubeln bei der WM in Doha: Noah Lyles und Armand Duplantis in Doha

(Foto: AP/Getty Images)
  • Der 22-jährige Noah Lyles sprintet bei der Leichtathletik-WM zu Gold, der 19-jährige Armand Duplantis springt zu Silber.
  • Beide gelten als neue Attraktionen in ihrem Sport, wie Usain Bolt wollen sie aber nicht sein.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Leichtathletik-WM.

Von Saskia Aleythe, Doha

Armand Duplantis war noch nicht fertig und deswegen sollte die schwedische Anhängerschaft im Khalifa-Stadion in Doha auch noch nicht allzu viel Lärm machen. Gerade hatte er im letzten Versuch 5,92 Meter überquert, doch Duplantis jubelte nicht, er drückte stattdessen die Hände nach unten und hielt die Zeigefinger vor den Mund. Alle mal beruhigen, sollte das heißen. 5,92 Meter, da fängt so ein Abend für den Schweden ja gerade erst richtig an. Und als Sam Kendricks später zu Gold gesprungen und Duplantis sich Silber gesichert hatte, da sagte Kendricks, der US-Amerikaner: "Das war ein unvergesslicher Abend. Ich denke, die Sprünge und die letzte Stunde, waren das Beste, was ich bisher in einem Wettkampf erlebt habe."

Einer für die große Bühne

Und so ist das dann manchmal: Ein großer Wettkampf definiert sich nicht immer über Rekorde, sondern über die Charaktere, die ihn bestreiten. Im Stabhochsprung galt das für alle drei Medaillengewinner, auch Piotr Lisek, der Pole, der in diesem Jahr 42 Wettkämpfe bestritten hatte und nach seiner Medaille nur nach Hause wollte, um seine kleine Tochter zu umarmen. Doch mit gerade mal 19 Jahren sticht Armand Duplantis aus dem Trio heraus, weil er nun auch bei einer WM bewiesen hat, dass er einer für die große Bühne ist. Eine Attraktion der Leichtathletik, und diese gab es am Dienstagabend auch auf der Tartanbahn zu sehen: Noah Lyles, 22, Weltmeister aus den USA über 200 Meter.

Duplantis und Lyles, sie sind die jungen Wilden, die mit ihren forschen Erwartungen an ihre Sportler-Karriere und den gleichsam hohen Veranlagungen in den kommenden Jahren im Fokus der Leichtathletik stehen könnten. Beide sprechen von Weltrekorden, natürlich wollen sie die knacken! Duplantis hält schon alle möglichen Junioren-Rekorde, nachdem er - der Legende nach - als Kind mit einem Besenstil auf das heimische Sofa gehüpft ist. Und Lyles ist so schnell unterwegs, dass er schon mit Usain Bolt verglichen wird.

2018 bei der EM ging Duplantis nach einem hochklassigen Wettkampf als Sieger hervor - mit neuem U20-Weltrekord von 6,05 Meter. Auch diesmal behielt er die Nerven und überquerte jeweils im dritten Versuch 5,92 Meter und 5,97 Meter. Auch Kendricks, 27, hielt zwei Mal dem letzten Versuch stand. "Es kommt auf die mentale Stärke an, wenn du die Latte überquerst", sagte Duplantis jetzt in Doha und es ist ja auch so: Nur wenn alle den Kampf annehmen, kann daraus auch ein großer werden. Sie treiben sich gegenseitig an, weil sie auch schon während der Saison bei Wettkämpfen aufeinandertreffen. "Wären wir uns nach der EM nicht immer wieder begegnet, hätten wir heute nicht so einen Wettkampf gehabt", sagte der Weltmeister noch, "wir hatten zusammen sechs Sechsmeter-Sprünge dieses Jahr. Wann gab es das schon mal?"

Er spazierte bei der Fashion Week in Paris über den Laufsteg

So herzlich wie sie auch während des Wettkampfs miteinander umgehen, läuft es bei den Sprintern nicht ab, 200 Meter sind ja auch bedeutend schneller vorbei als so ein Stabhochsprung-Wettbewerb. In 19,83 Sekunden hatte sich Noah Lyles in Doha sein erstes WM-Gold gesichert, er gilt als großes Versprechen für die Zukunft: 2018 rannte er vier Mal unter 19,70 Sekunden, das hat bisher nur Usain Bolt geschafft. Mit 21 war Lyles eine Zehntel schneller als der Jamaikaner im gleichen Alter. Doch der neue Bolt sein will er nicht, er will, dass die Welt sich irgendwann an Noah Lyles erinnert. "Ich bin gekommen, um meine eigene Geschichte zu schreiben", sagt er. Die Leichtathletik soll wieder populär werden, findet er, und da hilft es dann auch, dass er ein recht extrovertiertes Naturell hat.

Der Gegenentwurf zu Coleman

Bei der Fashion Week in Paris ist er im Januar über den Laufsteg spaziert, er schreibt Songs und interessiert sich fürs Zeichnen, er lässt sich dann doch nicht nur auf die Faxen reduzieren, die er vor und nach einem Rennen auch schon drauf hat, wie sein jamaikanischer Vorgänger. Und Lyles macht es dann auch nichts aus, sich nach dem Gewinn seines ersten WM-Titels auf ein Pressepodium zu setzen und über die schwierigen Phasen in seinem Leben zu erzählen. Wie er mit vier Jahren alle sechs Wochen zur Behandlung seines schweren Asthmas ins Krankenhaus musste, wie er mit neun Jahren die erste Therapie wegen depressiver Phasen hatte. Später wurde ihm ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom attestiert. "Mein Asthma hatte sich gerade erst verbessert und dann bekam ich wieder Medikamente", sagte er neulich der Daily Mail, "es war, als wäre mir meine ganze Persönlichkeit genommen worden, weil die Medikamente meine Gefühle ausschalteten." In der Schule wurde Lyles gemobbt, eine Lernschwäche machte ihm das Leben auch nicht unbedingt einfacher. "Ich habe Laufen als Ventil benutzt", sagte Lyles nun, "ich habe versucht, an meinem Charakter zu arbeiten so sehr ich kann, immer fröhlich zu sein und zu lieben, was ich tue".

Lyles gilt als Gegenentwurf zu Christian Coleman, der wegen seiner verpassten Dopingtests einen schweren Stand in der Gunst seiner Sportart bekommen hat. Schon in Doha sollten sie eigentlich aufeinandertreffen, doch der Weltmeister über 100 Meter verzichtete auf die doppelte Distanz. Die Beziehung zueinander sei "nicht gut. Es ist einfach so, wie es ist", sagte Lyles zuletzt: "Er hat mich einfach nie gemocht."

Aber, und auch da helfen ja Erkenntnisse aus dem Stabhochsprung: Konkurrenz kann einen besser machen. Bis Tokio sollten Lyles und Coleman vielleicht noch ein paar Mal aufeinandertreffen.

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