Leichtathletik-WM in Berlin:Keine Zahlenspiele mehr!

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Statt die Zuschauerzahlen schönzurechnen sollten künftige WM-Ausrichter lieber überlegen, wie sie wirklich mehr Menschen ins Stadion bekommen.

Joachim Mölter

Am Donnerstagabend ist deutlich geworden, was das für eine unvergessliche WM in Berlin hätte werden können - wenn die Tribünen nur immer so voll gewesen wären. Am sechsten Tag war das Stadion jedenfalls zum ersten Mal so gut gefüllt, dass die leeren grauen Sitze nicht mehr auffielen. Und das Publikum bescherte den Athleten einen unvergesslichen Abend: Es war unglaublich laut nach Usain Bolts Weltrekord über 200 Meter, es war unfassbar leise bei Ariane Friedrichs Anlauf zum Hochsprung, es hielt bemerkenswert lange aus, bis auch die Zehnkämpfer am Ende zweier langer Tage angelangt waren. Es war ein beeindruckendes Erlebnis, wie Zehntausende spätabends noch auf ihren Plätzen standen, übertroffen allenfalls von der Stille, welche 60.000 Menschen in das historische Gemäuer zauberten, als Friedrich sie per Handzeichen darum bat - wie ein Dirigent, der den Taktstock erhebt zu einer großen Aufführung. Hätte es nicht jeden Abend so berauschend sein können?

Leere Ränge in Berlin. (Foto: Foto: ddp)

Zwar empfanden die Athleten auch in den ersten Tagen die Stimmung als gut; zwar waren auch bei früheren Weltmeisterschaften zu Beginn nicht alle Eintrittskarten verkauft worden. Aber die vielen leeren Plätze hatten doch Zweifel aufgeworfen, ob die Leichtathletik noch attraktiv genug ist fürs große Publikum. Als Fernsehzuschauer wird man ja leicht beeinflusst von den Bildern: volles Stadion - muss was los sein, muss man hin! Leere Tribünen - kann man sich sparen!

Viele Interessierte wurden durch die Eintrittspreise vom WM-Besuch abgehalten. Wer mit Familie ins Stadion wollte und nicht im Oberrang sitzen mochte, von wo aus man die Athleten nur als bunte Punkte auf der blauen Bahn erkennt, war leicht 300 Euro los. In Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen überlegen die Leute dreimal, ob sie das ausgeben.

In Berlin sind die Zuschauerzahlen wieder schöngerechnet worden, der Weltverband IAAF und künftige WM-Ausrichter sollten auf solche Zahlenspiele verzichten und lieber überlegen, wie sie wirklich mehr Menschen ins Stadion bekommen. Mehr Zuschauer bedeuten mehr Stimmung, die wiederum beschert bessere Fernsehbilder und bessere Leistungen, welche wiederum mehr Menschen anlocken: ein einfacher Kreislauf, und damit sollten sich gerade die Leichtathleten auskennen.

© SZ vom 22.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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