Leichtathletik-WM in Berlin:Blankas kühle Augen strahlen

Die deutsche Hochspringerin Ariane Friedrich muss sich Titelverteidigerin Blanka Vlasic beugen und holt Bronze.

Joachim Mölter, Berlin

Ariane Friedrich hatte die dunkle Sonnenbrille abgesetzt, die zu ihrem Markenzeichen geworden ist, aber auch einen ganz praktischen Grund hat: "Ich habe lichtempfindliche Augen." Aber die Sonne war schon untergegangen hinter den historischen Mauern des Berliner Olympiastadion, als die Hochspringerinnen am Donnerstag zu ihrem Finale antraten, und so konnte man ihr auf den Videotafeln direkt in die Augen schauen, als sie zu ihren ersten Versuchen anlief: Sie signalisierten Entschlossenheit. Das taten aber auch die kühlen Augen von Blanka Vlasic, der Titelverteidigerin aus Kroatien, ihrer größten Konkurrentin.

Leichtathletik-WM in Berlin: Blanka Vlasic springt über 2,04 Meter.

Blanka Vlasic springt über 2,04 Meter.

(Foto: Foto: dpa)

Die 1,93 Meter große Vlasic war an diesem Abend auch die Größte. Sie gewann den Wettbewerb mit 2,04 Meter, nachdem Ariane Friedrich mit ihrem letzten Versuch an den 2,06 Meter gescheitert war, die sie vor zwei Monaten an gleicher Stelle noch überwunden hatte. Diesmal musste sie sich mit 2,02 Meter begnügen und der Bronzemedaille hinter der höhengleichen Russin Anna Tschitscherowa. "Mein Gott, sie war heute die Bessere. Ich bin sehr, sehr froh über Bronze. Es war so geil", sagte Friedrich nach dem Wettkampf. Siegerin Vlasic sagte: "Es war ein Wettkampf voller Emotionen. Es ist für mich eine große Erleichterung."

Bis zur Zwei-Meter-Marke schien es allerdings tatsächlich auf das erwartete Duell zwischen Friedrich und Vlasic hinauszulaufen. Doch dann kam das, was Friedrichs Trainer Günter Eisinger befrüchtet hatte: Eine weitere Springerin mischte sich ein, Tschitscherowa eben, Olympia-Drite von Peking 2008 und WM-Zweite von Osaka 2007. Die 27-Jährige war zwar in diesem Sommer noch nicht höher gekommen als zwei Meter, aber "sie hat enormes Potenzial gezeigt", hatte Eisinger bei der Qualifikation am Dienstag beobachtet.

Im Finale war Tschitscherowa die Erste, die 2,02 Meter überquerte, Vlasic zog im zweiten Anlauf nach. Ariane Friedrich hatte das Pech, dass sie unmittelbar nach dem von Jubel umtosten Weltrekordlauf von Usain Bolt über 200 Meter an der Reihe war. Ihre Konzentration schien gelitten zu haben, sie brauchte drei Versuche, um die 2,02 Meter zu meistern. Diese drei Frauen machten dann bei 2,04 Meter die Medaillen unter sich aus. Vlasic war die einzige, welche diese Höhe schaffte.

Man hätte ahnen können, dass sich hinter der zur Schau gestellten Entschlossenheit von Ariane Friedrich eine ganze Menge Anspannung verbarg. Sie hatte den Wettkampf vorsichtshalber schon bei 1,92 Meter begonnen; bei der Qualifikation hatte sie sich noch getraut, erst bei 1,95 einzusteigen.

Aber vielleicht war ihr der Teamkollege Sebastian Bayer (Bremen) ein mahnendes Beispiel, der nebenan an der Weitsprung-Anlage gerade gezeigt hatte, wie schnell man große Hoffnungen in den Sand setzen kann. Der Hallen-Europarekordler (8,71 Meter) brachte in der Vorausscheidung nur einen gültigen Versuch zustande - und der war mit 7,98 Meter nicht genug für das Finale am Samstag, den einzigen Tag, an dem das Olympiastadion schon ausverkauft ist.

Am Donnerstagabend war die Arena zum ersten Mal gut gefüllt gewesen in dieser WM-Woche, auch wenn immer noch Plätze leer waren. Ariane Friedrich stachelt so eine große Kulisse an: "Es wäre ja schlimm, wenn das eine Last wäre", findet sie. Als die zwölf Finalistinnen vorgestellt wurden, und die Zuschauer bei ihrem Namen noch etwas lauter jubelten als bei den anderen, strahlte sie übers ganze Gesicht. Sie konnte ja ziemlich unbeschwert antreten, weil die Werfer Steffi Nerius (Speer) und Robert Harting (Diskus) in den beiden vorangegangenen Tagen schon zwei Titel für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) gewonnen hatten.

"Jetzt hängt es nicht mehr an ihr, für eine Goldmedaille zu sorgen", sagte Trainer Günter Eisinger erleichtert. Ariane Friedrich wollte "mit Spaß an die Sache rangehen und hoffentlich eine Medaille heimkarren". Mehr hatte sie sich nicht vorgenommen, zumindest hat sie öffentlich nie von Gold geredet, um die Erwartungen, die ohnehin auf ihre schmalen Schultern geladen wurden, nicht noch zu beschweren. Auch das gehörte zum Vorspiel des Pokerabends.

So cool wie Ariane Friedrich ja auch erscheinen mag mit ihrer dunklen Sonnenbrille und den weißblond gefärbten Haaren, ist sie ja doch nicht, auch wenn Trainer und Athletin das gern überspielen. Aber die Psyche der 25-Jährigen ist mindestens ebenso fragil wie manchmal ihr Körper. An ihr Malheur von den Olympischen Spielen 2008 in Peking, als eine Muskelverspannung im Finale ("mein Hintern war hart wie Stein") ihren Höhenflug abrupt bei 1,99 Meter und Platz sieben beendete, darf man sie nicht erinnern.

Wenn Günter Eisinger solche Fragen nicht schon im Keim erstickt, dann tut es Friedrich selbst: "Lassen sie uns nicht mehr über Peking reden", bat sie vorige Woche im Trainingslager in Kienbaum: "Es wäre fatal, schlechte Erinnerungen wachzurufen. Ich habe meine Erfahrungen daraus gezogen, das reicht."

Zu den Lehren, die sie im Laufe ihrer Karriere als Profisportlerin gezogen hat, gehört offenbar, auch auf Kleinigkeiten zu achten. Anfang der Woche zog sie mit einer eigens gekauften, harten Matratze ins Teamhotel in Berlin ein; an einem schlechten Schlaf in einem zu weichen Bett mit anschließenden Rückenbeschwerden hätte das Unternehmen nicht scheitern sollen.

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