Leichtathletik:Harting irritiert mit Kortison-Kommentar

Diskuswerfer Robert Harting

Noch mal zur EM: Robert Harting muss sich in Nürnberg qualifizieren.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)
  • Im Berliner Olympiastadion begann der Diskuswerfer Robert Harting seinen Triumphzug mit dem WM-Sieg 2009, dort soll seine Karriere nun ausklingen.
  • Doch er bangt noch um die EM-Qualifikation. An diesem Wochenende soll die bei der Deutschen Meisterschaft in Nürnberg klappen.
  • Mit einem möglichen Einsatz von Kortison, um seine Schmerzen zu stillen, irritiert er allerdings.

Von Joachim Mölter

Würde das Leben des Diskuswerfers Robert Harting nach Drehbuch verlaufen, wäre klar, wie das kommende Wochenende verläuft: dramatisch! Dunkle Wolken über dem Showdown, einsetzender Trommelwirbel, nervöse Streicher dazu, es prasselt, knarzt und quietscht: Allegro! Crescendo!! Presto!!! Prestissimo!!!! Robert Harting würde herumwirbeln wie ein Revolverheld, sein letztes Geschoss abfeuern und gerade noch einmal überleben, im übertragenen Sinn natürlich nur.

Für Robert Harting geht es ja nicht um Leben und Tod an diesem Wochenende, sondern bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Nürnberg bloß darum, sich für die EM Anfang August in seiner Heimatstadt Berlin zu qualifizieren. Gäbe es ein Drehbuch, würde er das selbstverständlich schaffen, denn das wäre ja die Voraussetzung für ein Happy End: Im Berliner Olympiastadion begann Harting seinen Triumphzug mit dem WM-Sieg 2009, dort soll seine Karriere nun ausklingen mit einem letzten großen Wettkampf, der EM eben. Aber dafür muss er sich erst einmal qualifizieren. Und weil man im Sport in aller Regel nicht weiß, wie's ausgeht, wird das Diskus-Finale der Männer am Samstagabend (18.05 Uhr) also der dramaturgische Höhepunkt der Titelkämpfe.

Nach einem Kreuzbandriss hat er nie mehr zu alter Stärke zurückgefunden

Es gibt zwar noch weitere hochkarätige Wettbewerbe, das Speerwerfen der Männer zum Beispiel, wo am Sonntag (17.20 Uhr) die aktuell drei Besten der Welt aufeinandertreffen, Weltmeister Johannes Vetter (in diesem Jahr 92,70 Meter), Olympiasieger Thomas Röhler (91,78) und der momentan dazwischen rangierende Andreas Hofmann (92,06). Aber die haben ihre Startplätze für Berlin so gut wie sicher. Es geht jedenfalls in keiner anderen Disziplin auf einem so hohen Niveau noch um EM-Plätze wie im Diskuswerfen, und nirgendwo sonst droht einem so prominenten Athleten das Aus wie dem 33 Jahre alten Robert Harting, Deutschlands Sportler der Jahre 2012, '13 und '14, dreimaliger Welt- und zweimaliger Europameister sowie einmaliger Olympiasieger (2012).

Drei Athleten pro Disziplin darf der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) bei der EM in Berlin an den Start schicken, Robert Harting ist mit 65,13 Metern bislang die Nummer fünf in der Bestenliste. Sein jüngerer Bruder Christoph, der Olympiasieger von Rio 2016, ist bereits nominiert dank seiner 67,59 Meter, es sind also nur noch zwei Plätze frei, ein Mitbewerber ist der Olympia-Dritte Daniel Jasinski (Saisonbestweite: 66,59 Meter). Es wird nicht leicht, aber das beunruhigt Robert Harting nicht. "Ich zweifle überhaupt nicht daran, dass ich mich qualifiziere. Das ist in meinem Kopf einfach kein Szenario", hat er der Deutschen Presse-Agentur gesagt.

Nun gibt es zwar kein Drehbuch, aber es gibt einen Film über Robert Harting, genauer: ein transmediales Projekt namens "Sechsviertel" - in so viele Abschnitte kann man die Drehungen eines Diskuswerfers im Ring zerlegen. Seit Harting sein Karriereende für diese Saison angekündigt hat, lässt er sich von einem Dokumentarfilmer begleiten; es geht um "die Geschichte meines Ausstiegs aus dem Spitzensport", erzählt der Athlet im Trailer. Einzelne Episoden sind bereits im Internet zu sehen (www.sechsviertel.de), eine Fernsehdokumentation und ein Kinofilm sollen folgen, wenn alles vorbei ist. In einem Beitrag sagt Harting: "Ich bin nicht mehr der Topkandidat für Gold, ich muss mich rankämpfen."

Mit seiner Medikation irritiert Harting

Nach einem Kreuzbandriss im Herbst 2014 hat er ja nie mehr zu alter Stärke zurückgefunden, sein Bewegungsradius war eingeschränkt, in diesem Frühjahr riss noch die Quadrizepssehne im rechten Knie. "An die Beeinträchtigungen durch Schmerzen habe ich mich gewöhnt", sagt er. Für das Ziel Berlin will er die Schmerzen in der Sehne betäuben, die Bild-Zeitung zitierte ihn in dieser Woche so, als ob er dafür auch Kortisonspritzen anwende: "Das Kortison besitzt die Nebenwirkung, dass es das Gewebe schmerzfrei, aber auch unlebendig macht." Das irritiert dann doch, denn Kortison steht auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur, für den Gebrauch benötigt man eine Ausnahmegenehmigung. Auf Anfragen der SZ zu diesem Punkt antworteten bis Donnerstagabend weder das Anti-Doping-Referat des DLV noch Hartings Management.

Das Thema passt vielleicht auch nicht so gut in die Bilder, die Robert Harting am Ende seiner Karriere von sich zeichnen lässt. Er tritt ja nicht nur im Film auf, sondern auch im nächsten Micky-Maus-Heft: Als Comicfigur mit Entenschnabel, aber trotzdem unschwer zu erkennen, gibt er Donald Duck Tipps für einen Zehnkampf.

Für den Film hat Robert Harting übrigens auch dann ein Happy End arrangiert, falls es mit der EM-Teilnahme nicht klappen sollte: Seinen letzten Wettkampf bestreitet er auf jeden Fall im Berliner Olympiastadion - am 2. September, beim traditionsreichen ISTAF.

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