Anti-Doping-Kampf:Jetzt erwischt es auch die Prominenten

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Vorsprung durch Doping: Die mittlerweile suspendierte Hindernisläuferin Ruth Jebet (rechts).

(Foto: Beautiful Sports/imago)

Weltrekordhalter, Weltmeister, Olympiasieger: Die Dopingjäger der Leichtathletik fallen seit einer Weile mit beachtlichen Ergebnissen auf. Manchmal führt der forsche Aufklärungsdrang sogar zu weit.

Von Johannes Knuth

Vor ein paar Tagen erwischte es dann auch Daniel Wanjiru. Der Kenianer, Bestzeit 2:05:21 Stunden, hatte 2017 noch den prestigeschwangeren Marathon in London gewonnen. Später stießen die Dopingjäger des Leichtathletik-Weltverbands auf Unregelmäßigkeiten in seinem sogenannten Blutpass. Vor Kurzem sperrten sie Wanjiru, bis auf Weiteres.

Oder Ruth Jebet, einer der prominentesten Fälle der vergangenen Wochen. Die Kenianerin, die seit 2013 für Bahrain startet, hielt für eine Weile den Weltrekord über 3000 Meter Hindernis, 2016 gewann sie in Rio Olympiagold. Zuletzt wurde sie für vier Jahre gesperrt: Sie war bei einer Trainingskontrolle in Kenia mit dem Blutbeschleuniger Epo aufgeflogen.

Oder auch Robert Wagner. Einst Manager des überführten Sprinters Ben Johnson, zuletzt zuständig für den schon zweimal überführten Justin Gatlin. Wagner hatte verdeckten Reportern vor drei Jahren im Trainingslager in Florida versichert, dass er ihnen natürlich Dopingstoff besorgen könne. Nebenbei erzählte er, wie tief der Betrug noch immer in der Leichtathletik wurzele: Gatlin dope, wie alle US-Sprinter, "sie müssen es tun". Wagner beteuerte später, er habe da Unsinn erzählt, um die Reporter zu beeindrucken, der Österreicher wurde jetzt dennoch rückwirkend für zwei Jahre gesperrt. Wagner, so das Urteil, habe sich grob fahrlässig verhalten.

Viele erwischte Athleten sind Größen des Sports

Das globale Anti-Doping-System mag gerade nahezu brachliegen - die Athletics Integrity Unit (AIU), wie sich das Anti-Doping-Ressort der Leichtathleten mittlerweile nennt, vermeldet weiter Ermittlungserfolge. Sie profitiert nun davon, dass sie seit einer Weile nicht nur ein paar Hinterbänkler erwischt, wie es in der Hochleistungsbranche oft üblich ist. Sie hat vor allem die Weltspitze im Blick, jene Klientel also, bei der Leistungen, Prämien und auch der Betrugsdruck am größten sind. Der Kanadier Brett Clothier, der die AIU seit ihrer Grundsteinlegung 2017 leitet, sagte der Neuen Zürcher Zeitung vor einem Jahr: "Wir erwischen Weltrekordhalter, Weltmeister und Olympiasieger." Das können wahrhaftig nicht viele Verbände von sich behaupten, die meist in einem schweren Interessenskonflikt stecken: als Vermarkter und Betrugsaufklärer in einem.

Vor drei Jahren hing auch über der Leichtathletik noch ein schwerer Schatten, den Ex-Weltverbandsboss Lamine Diack gespannt hatte. Dessen Nachfolger Sebastian Coe verordnete den Dopingjägern, die unter Diack diverse Dopingfälle vertuschten, eine unabhängigere Struktur - auch wenn die AIU mit rund acht Millionen Euro Jahresbeitrag weiter von Coes Verband gesponsert wird. Aber die ersten Haltungsnoten fielen durchaus respektabel aus, die Ermittler legten 2018 knapp 350 und 2019 sogar noch mehr Dopingfälle offen, wie die AIU auf Anfrage bestätigt.

Die Fangquote liegt damit zwar noch immer im unteren einstelligen Prozentbereich; eine Lausanner Studie errechnete zuletzt eine Betrugsquote von 18 Prozent in der Leichtathletik - nur im Ausdauersektor. Aber selbst an die AIU-Werte kommen viele Sportverbände nicht heran. Und die Fahnder haben nicht nur dopende Athleten im Visier, auch Trainer, Betreuer, Funktionäre. Jenes Umfeld also, das Sportlern oft den entscheidenden Stoß in den Betrug gibt.

Verunreinigte Steaks und Doping für den Hund

Da die Betrüger in der Weltspitze oft finanzkräftiger und gewiefter sind, dank künstlich manipulierter Steroide oder Mikrodosierungen etwa, arbeiten sie bei der AIU auch an entsprechenden Aufklärungswerkzeugen: an Athletenprofilen etwa, die nicht nur Blutwerte für den Blutpass sammeln und verdächtige Ausschläge anzeigen sollen. Sondern auch Leistungsdaten und andere Parameter. Ein Algorithmus errechnet dann, welche Leistung von einem Athleten zu erwarten ist. Weichen die tatsächlichen Erträge davon ab, schauen die Fahnder genauer hin. So kann es sein, dass ein Sportler nur dank verdächtiger Werte gesperrt wird - wie jetzt Daniel Wanjiru, einer von vielen prominenten Ausdauerleistern aus Afrika, die zuletzt aufflogen.

Dass das Problem freilich ein globales ist, ergibt schon ein Blick in die AIU-Datenbank: Dort sind derzeit 570 gesperrte Personen gelistet, quer durch alle Disziplinen und Länder. Für jeden einsehbar übrigens, auch das ist ungewöhnlich in einer Branche, die ihr Pharmaproblem oft hinter einem Vorhang des Schweigens verhandelt.

Manchmal trägt es die Jäger mit ihrem Aufklärungseifer sogar zu weit, wie der Fall des amerikanischen Weitspringers Jarrion Lawson zeigt. Der WM-Zweite von 2017 reichte vor zwei Jahren einen Positivtest auf Epitrenbolon ein, wobei die gefundene Menge nicht gerade gewaltig war (0,65 Nanogramm/Milliliter). Lawson beteuerte, das Steroid müsse in einem verunreinigten Steak gesteckt haben. Die AIU sperrte ihn trotzdem für vier Jahre.

Verfahrensfehler werden selten zugegeben

Und kennt man sie nicht, diese Ausreden? Verunreinigte Steaks. Zu viel Sex. Doping, das nicht für einen selbst, sondern den asthmakranken Hund bestimmt sei.

Beobachter bemängeln freilich schon seit Jahren, dass Anti-Doping-Agenturen gerne mal an fragwürdigen Befunden festhalten, statt Verfahrensfehler zuzugeben. So wurde der deutsche Hindernisläufer Benedikt Karus 2016 für vier Jahre gesperrt, obwohl mehrere Gutachten an der Validität dessen Epo-Befunds zweifelten.

In Lawsons Fall hatte das Labor der Welt-Anti-Doping-Agentur in Québec den Positivtest ermittelt. Deren Direktorin Christiane Ayotte sagte im AIU-Verfahren aus, dass Positivtests auf Trenbolon in ihrem Labor zuletzt immer in geringen Konzentrationen vorkamen - ob ein Athlet die Substanz wissentlich oder unwissentlich zu sich genommen habe, könne man also kaum unterscheiden. Allerdings wollte Ayotte die Laborwerte nicht offenlegen. Das musste sie erst vor dem Sportgerichtshof Cas - dort zeigte sich, dass ihre Angaben schlicht nicht stimmten. Die Trenbolon-Konzentrationen waren im Schnitt 208 Mal höher als jene von Lawson, sagte dessen Anwalt Paul Doyle kürzlich dem Portal Letsrun.com. Der Cas sprach den 25-Jährigen frei.

Doyle sagte auch, die AIU vergesse in ihrem Aufklärungseifer derzeit oft ihre Sorgfaltspflicht (was die AIU bestreitet). Lawson ertrug das Gezerre jedenfalls beachtlich gefasst, zuletzt sagte er, dass er dann halt bei den Olympischen Spielen im Sommer 2020 in Tokio brillieren werde.

Dann kam der März - und die Corona-Pandemie.

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