Leichtathletik-Trainer Kollark:Verstrickt in die staatlich verordnete Muskelzucht

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Leichtathletik-Trainer Dieter Kollark.

(Foto: Sven Simon/Imago)
  • Der Leichtathletik-Trainer Dieter Kollark war offenbar in die Untiefen des DDR-Sportsystems verwickelt.
  • Nun setzt er sich gegen einen neuen Doping-Vorwurf zur Wehr.
  • Die Frage ist jedoch, wie das zu Einträgen in seiner Stasi-Akte passt.

Von Johannes Aumüller und Johannes Knuth

Vor einem Monat, die Leichtathleten steuerten gerade auf ihren Saisonhöhepunkt bei der EM in Berlin zu, war der Trainer Dieter Kollark ein wenig abgetaucht. Ein Ohrinfekt samt Gleichgewichtsstörung, richtete sein Verein aus, der SC Neubrandenburg. Kollarks Athletin, die Diskuswerferin Claudine Vita, wurde in Berlin von der ehemaligen Kugelstoß-Olympiasiegerin Astrid Kumbernuss betreut. Für die EM sei Kollark übrigens gar nicht akkreditiert, teilte der deutsche Verband (DLV) noch mit. Der 73-Jährige, schien man zu suggerieren, spiele doch eh keine so große Rolle. Keine große Rolle?

Kollark mischt natürlich noch immer munter mit, in der deutschen Leichtathletik und überhaupt. Er betreut weiterhin Claudine Vita, 21, die für den SCN startet und als Vierte bei der EM dann auch andeutete, warum ihr viele Beobachter künftig noch mehr zutrauen. Kollark ist auch für die chinesischen Stoßer zuständig; Lijao Gong, eine der härtesten Widersacherinnen der deutschen EM-Zweiten Christina Schwanitz, gewann vor einem Jahr bei der WM in London die Goldmedaille. Die Bild schrieb damals, angesichts der noch mauen deutschen Zwischenbilanz: "Wenigsten ein deutscher Trainier triumphiert."

Tatsächlich liegen über all den schönen Erfolgen auch ein paar Schatten, die sich bis ins Jetzt strecken. Und die auch zeigen, wie schwer sich die Leichtathletik weiter mit ihrer vergifteten Geschichte tut.

Er spitzelte unter dem Decknamen "Alexander"

Diverse Dokumente legen ja seit Längerem nahe, dass Kollark als Trainer in der DDR tief in die staatlich verordnete Muskelzucht verstrickt war. Er spitzelte auch für die Staatssicherheit, als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) mit dem Decknamen "Alexander". Vor der EM in Berlin wurde Kollark erneut mit dem Fall eines ehemaligen DDR-Nachwuchssportlers konfrontiert, der behauptet, Kollark habe ihn damals gedopt. Kollark stritt das vehement ab, das betont er noch einmal im Gespräch mit der SZ. Interessant ist nur, dass der Trainer mit seinem Dementi nun wiederum Fragen aufwirft, die dieses Dementi ins Wanken bringen.

Der Fall des jungen DDR-Sportlers wurde erstmals vor einem Jahr publik, auf einem Anti-Doping-Symposium in Schwerin. Jochen-Friedrich Buhrmann, Chefarzt für Psychosomatische Medizin der örtlichen Helios-Kliniken, beschrieb damals in anonymisierter Form die Geschichte eines Athleten, der sich in Buhrmanns Praxis vorgestellt hatte und in der DDR Kugelstoßer war. Sein Trainer habe ihm damals diese blauen Pillen beschafft. Damals, das sei im Alter von 13 bis 17 Jahren gewesen. Die Pillen, erklärte Buhrmann, waren eindeutig Oral-Turinabol, der klassische Fitmacher des DDR-Sports. Laut dem Trainer würden sie die Nerven stärken und die Muskeln wachsen lassen, so habe er es dem jungen Athleten erklärt. Nun, als Über-Fünfzigjähriger, sei der ehemalige Stoßer abhängig von Schmerzmitteln, er sei depressiv, seine Wirbelsäule musste versteift werden. Buhrmann stellte ihm ein Gutachten aus, mittlerweile ist der Ex-Athlet ein staatlich anerkanntes Dopingopfer, wegen der Anabolikapillen damals.

Vor der EM griffen der Tagesspiegel und die FAZ den Fall erneut auf, sie nannten auch den Trainer, der dem Nachwuchsathleten damals den Stoff verschafft haben soll: Dieter Kollark.

Für Kollark ist das eine "reine Lügengeschichte, in der alles erfunden ist". Er stellte eine Anzeige gegen Unbekannt, wegen Verleumdung. Und er berichtet, dass er dies per eidesstattlicher Erklärung bekräftigt habe. Er habe keinen Athleten in diesem Alter gedopt, von 13 bis 17 Jahren also. Dies könne schon deshalb nicht sein, weil er in dem in Frage kommenden Zeitraum gar nicht für diesen Altersbereich verantwortlich gewesen sei. Sprich: in den Jahren 1978 bis 1982, um die es gemäß der biografischen Angaben des Nachwuchsathleten geht. Schützenhilfe erhielt Kollark von einem langjährigen Trainerkollegen im SCN, anonym: "Dieter Kollark hatte in dieser Zeit nichts mit dem Nachwuchs zu tun, gar nichts. Er war im Erwachsenenbereich tätig", sagte der Trainer im Nordkurier.

Seit der Wende arbeite er sauber, sagt Kollark

In Kollarks Mitarbeiterakte, die die Stasi unter dem Decknamen "Alexander" führte und die der SZ vorliegt, klingt das indes alles ein bisschen anders. In einem Eintrag vom April 1980 heißt es, dass ein Hochleistungsathlet, den Kollark betreut habe, aus dem Sport ausgeschieden sei. Kollark sei daher gezwungen, sich konkret mit seinen eigenen Nachwuchssportlern zu beschäftigen und diese an die Weltspitze heranzuführen. Und in einem Dokument vom Oktober 1983 wird Kollark für seinen großen Einsatz gelobt: weil er in den zurückliegenden Jahren, neben seiner Tätigkeit im Spitzenbereich, auch Trainer im Nachwuchsbereich vertreten habe, und das überaus erfolgreich.

Eigene Nachwuchssportler, Vertretung von Nachwuchstrainern - ein Konflikt zu Kollarks bisherigen Angaben, oder nicht?

Auf eine schriftliche Anfrage hin teilt Kollarks Anwalt mit, dass dieser "die von Ihnen gesehenen Widersprüche zwischen den Angaben in seiner eidesstattlichen Erklärung und dem Inhalt von Stasi-Unterlagen nicht kommentieren wird". Überhaupt müssten die Einträge aus Kollarks Opferakte stammen, das dürfe man gar nicht verwenden. Im Übrigen bleibe Kollark bei seinen Angaben.

Unter dem Begriff Nachwuchssport wurde in der DDR die komplette sportliche Ausbildungszeit eines jungen Menschen verstanden, ab dem Kinder- und Jugendalter bis zum Übergang in den Seniorenbereich im Alter von 18, 19 Jahren. Das Politbüro bekräftigte 1969, man müsse den Nachwuchs so fördern, dass er bereits im Jugendalter zu Weltklasseleistungen befähigt sei. Die Athleten wurden meist vor ihrem ersten internationalen Wettkampf gedopt, in der Regel unwissentlich; im Turnen teils schon sehr früh, in der Leichtathletik eher ab 16, 17.

Dass Kollark, ab 1972 Trainer im SCN, grundsätzlich Tabletten an seine Athleten verteilt habe, geht auch aus den Akten hervor. Ab 1980 habe er demnach Oral-Turinabol beziehungsweise "u.M", unterstützende Mittel, wie sie die Stasi nannte, ausgereicht. Das steht in der Akte von Klaus Böhm, einem ehemaligen Neubrandenburger Sportarzt, der als "IM Fuchs" schnüffelte. Kollark habe auch bereitwillig und aus innerer Überzeugung an die Stasi berichtet, von 1984 bis '89. Er soll den jungen Trainer Thomas Springstein beobachtet haben, später verurteilt wegen Minderjährigen-Dopings; er berichtete, wenn Betreuer die "u.M" nicht einsetzten und gab Auskünfte über sexuelle Vorzüge von Athleten ("nymphomanischer Einschlag").

Nach der Wende trainierte Kollark Kumbernuss und die dreimalige Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch, obwohl seine Stasi-Mitarbeit seit 1994 bekannt war. Als der NDR vor den Olympischen Spielen 2008 erstmals über Kollarks Dopingverstrickung in Böhms Notizen berichtete, strich der DLV ihn aus dem Aufgebot. Kollark klassifizierte die Vorwürfe als "alte Kamellen", zu denen er sich "weder in die eine noch in die andere Richtung äußern werde". Der DLV ließ Kollarks Vertrag später auslaufen, der Trainer ging nach China, angefressen.

Seit der Wende arbeite er sauber, natürlich, das hat Kollark immer wieder betont. Er betreut seine Athleten in Neubrandenburg, die Chinesen schlagen dort oft ihr Trainingslager auf. Claudine Vita betreut er auf Honorarbasis, die Athletin schätzt ihn als Trainer. "Ohne ihn wäre ich heute nicht da, wo ich bin, ich schaffe es auch nur mit ihm als Trainer zu den Olympischen Spielen nach Tokio", sagte sie zuletzt. Diese Entscheidung habe man zu akzeptieren, teilte der DLV vor der EM mit - der ansonsten gern für sich beansprucht, für die Sauberkeit des Sports zu stehen.

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