Süddeutsche Zeitung

Leichtathletik:Sieg dahoam

Die Regensburgerin Corinna Harrer, die ihre Profikarriere längst beendet hat, gewinnt den München Marathon - und damit den deutschen Meistertitel.

Von Jonas Kraus

Vor etwa drei Jahren beschloss Corinna Harrer, dass sie an keiner deutschen Meisterschaft mehr teilnehmen würde. Sie wollte sich freimachen von all dem Druck, von all dem Training, von den körperlichen Belastungen. Gewonnen hatte die Mittelstreckenspezialistin auf nationaler Ebene ohnehin fast alles - warum sich also weiter quälen?

Am Sonntag stand die Regensburgerin dann im Münchner Olympiastadion und weinte hemmungslos. In 2:43:11 Stunden hatte sie den München Marathon gewonnen, sie war damit gleichzeitig deutsche Meisterin. Drei Jahre nach dem Ende ihrer Profikarriere. "Ein Traum wird wahr", schluchzte sie, "ein Sieg dahoam, was gibt es Schöneres?" Vor drei Wochen hatte sich die Läuferin spontan entschlossen, in München mitzurennen. Die Möglichkeit, auch im Marathon noch einen nationalen Titel zu erringen, war einfach zu verlockend.

Dass es am Sonntag auch um die deutsche Meisterschaft ging, war die große Besonderheit des München Marathons in diesem Jahr. Eigentlich hätte der Titel im Frühjahr in Hannover vergeben werden sollen, pandemiebedingt war der Wettkampf aber ausgefallen. Die Münchner Veranstalter schnappten zu und sorgten dafür, dass mehr Topläufer als sonst auf die Strecke gingen. In erster Linie ist der Marathon in der bayerischen Landeshauptstadt ein Breitensport-Event. Die ganz großen Namen fanden sich zwar auch dieses Mal nicht unter den rund 3300 Startern, dafür aber ambitionierte Spitzenläuferinnen wie eben Harrer.

Im Rennen lieferte sich die 30-Jährige einen harten Kampf mit Isabel Leibfried (TSG 1845 Heilbronn). "Das war sehr taktisch", sagte Harrer, die sich einige Kilometer vor dem Ziel absetzen konnte und mit fast einer Minute Vorsprung freudestrahlend über die Ziellinie lief. Der Titel im Marathon hat noch gefehlt in ihrer Sammlung an nationalen Titeln. Und auch wenn die Olympiateilnehmerin von 2012 nicht mehr ins professionelle Geschäft zurückkehrt - sie arbeitet jetzt bei einer Versicherung -, so hat sie doch Blut geleckt. Den Titel holte sie ohne spezielles Marathontraining, mit ihrer Zeit war sie nach nur drei Wochen Vorbereitung sehr zufrieden. "Ich will dranbleiben", kündigte sie an, 2022 dann womöglich die Marathon-Klassiker in Berlin und London angreifen. "Einmal Läufer, immer Läufer."

Bei den Männern setzt sich in Alexander Hirschhäuser ebenfalls ein Athlet durch, der bei einer deutschen Marathonmeisterschaft zum ersten Mal ganz oben steht. Doch der für den ASC 1990 Breidenbach aus Hessen startende Läufer blickt auf eine ganz andere Vita zurück als Ex-Profi Harrer. Hirschhäuser lief bis zum Beginn der Corona-Pandemie unter dem Radar und verletzte sich 2019 auch noch schwer am Fuß. Auch vorher war er schon aus dem Tritt geraten. Die wettkampflose Phase nutzte er dann zum einen, um gesund zu werden, zum anderen, um mal "richtig zu trainieren", wie er nach seinem Sieg erzählte. "Diese Zeit hat mir gutgetan."

Stück für Stück kämpfte sich Hirschhäuser zurück - und war plötzlich schneller denn je. Am Sonntag stellte er in 2:18:38 Stunden eine neue persönliche Bestzeit auf. Dass er in München vorne landen könnte, ahnte er bereits, auch wenn er sich erst vor einer Woche für einen Start entschied. "Ich dachte einfach, dass ich so gut in Form bin, dass ich es probieren muss." Dass die Veranstalter ihn zuvor nicht zu den Favoriten gezählt hatten, habe ihn nochmal extra motiviert.

Auf der Strecke duellierte sich der 29-Jährige mit dem Deutsch-Amerikaner Anthony Tomsich (LAV Stadtwerke Tübingen), der seinen ersten großen Wettkampf in Deutschland absolvierte, auf den letzten Kilometern aber nicht mehr folgen konnte. Hirschhäuser lief einsam seinem Sieg entgegen. "Ich habe es einfach genossen", erzählte er. Nur auf die große Party musste er verzichten. Der Molekularbiologe schreibt gerade seine Promotion zu Ende. "Da gibt es noch einiges zu tun", versicherte er. Danach liege der Fokus noch mehr auf dem Marathon. "Ich kann auf jeden Fall noch schneller laufen", kündigte er an.

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