Leichtathletik:Russische Athleten in der Verbannung - aber wie lange?

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Jubelnde russische Leichtathleten wird man in den kommenden Monaten nicht sehen. (Foto: AP)
  • Der Weltverband IAAF reagiert auf den Wada-Bericht und sperrt Russland provisorisch von allen internationalen Wettbewerben aus - auch von Olympia.
  • Ob die Sperre tatsächlich bis zu den Spielen anhält, ist aber fraglich.

Von Johannes Knuth, München/London

Am Freitagmittag hatten sie noch einmal eine Welle an Beteuerungen nach London geschickt. Jelena Issinbajewa klagte, eine mögliche Olympia-Sperre für russische Leichtathleten sei "unfair". Issinbajewa hält den Weltrekord im Stabhochsprung, bei den Spielen 2016 in Rio will sie noch einmal eine Goldmedaille gewinnen. Russlands Sportminister Witalij Mutko sicherte nach seinen spitzen Bemerkungen vom Montag nun plötzlich "breite Kooperation" zu. Überhaupt hatte Mutko am Freitag diverse Geistesblitze, vier Tage, nachdem eine unabhängige Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur auf mehr als 300 Seiten systemisches, staatlich abgeschirmtes Doping in Russlands Leichtathletik freigelegt hatte. "Falls nötig", sagte Mutko, "ändern wir das System."

Diese Maßnahme wird Mutko nun in jedem Fall angehen müssen. Denn am Freitagabend tagte das Council, die Regierung des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF per Telefonkonferenz, und nachdem die Debatte stundenlang hin- und hergeschwappt war, folgte die IAAF dann doch eindeutig jener Empfehlung, die die Wada-Kommission bereits am Montag in der Öffentlichkeit gegeben hatte: Sie verbannte den russischen Verband aus der Leichtathletikfamilie, provisorisch. Eine derartige Strafe hatte die IAAF noch nie verhängt. "Wir haben einen beschämenden Weckruf erhalten, und wir sind uns darüber im Klaren, dass Betrug nicht toleriert wird", sagte IAAF-Präsident Sebastian Coe in London. 22 Council-Mitglieder votierten für den Ausschluss, drei enthielten sich, nur einer war dagegen.

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Wie schwer die Sanktionen die russischen Leichtathleten im kommenden Jahr tatsächlich treffen werden, ist allerdings fraglich. Die IAAF richtete schriftlich aus, dass bis auf weiteres "Athleten und Betreuer aus Russland nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen, die Olympischen Spiele eingeschlossen". Außerdem werde Russland weder die Weltcup-Serie der Geher in Tscheboksary, noch die Junioren-WM 2016 in Kasan ausrichten.

Als Nächstes werde man im Weltverband darüber beraten, ob man die provisorische in eine vollwertige Sperre umwandeln werde. Um wieder in die Familie eingegliedert zu werden, müsse der russische Verband "eine Liste an Kriterien" erfüllen, beaufsichtigt von unabhängigen Inspekteuren. Sollte der Verband diese Kriterien vor den Spielen 2016 abhaken, könnte er dann auch wieder in die Leichtathletikgemeinde aufgenommen werden - rund neun Monate nach seiner Verbannung.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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