Leichtathletik:Der Bauch sagt nein

European Championships - Leichtathletik

Pamela Dutkiewicz-Emmerich gewann 2018 bei der EM in Berlin Silber vor ihrer Teamkollegin Cindy Roleder

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz-Emmerich beendet mit 29 Jahren ihre Karriere. Bekannt wurde sie auch, weil sie offen über den problematischen Umgang mit Körpergewicht in der Leichtathletik gesprochen hat.

Von Saskia Aleythe

Die schönen Momente aufzusaugen, hat Pamela Dutkiewicz-Emmerich noch früh genug gelernt. Die Augen schließen, die Geräusche wahrnehmen, fühlen, was gerade in einem los ist. 2017 zum Beispiel stand die Hürdensprinterin so im Olympiastadion in London, und hörte und fühlte, nachdem sie zu WM-Bronze gelaufen war. 2018 bei der Leichtathletik-EM in Berlin gleich nochmal, da gab es Silber. Sie hat das Glück von damals so gut eingefangen, dass nun noch etwas davon übrig ist.

Noch einmal erleben wird die 29-Jährige das alles nicht, zumindest nicht als Sportlerin: Am Montag verkündete sie ihr Karriereende, es ist der Schlusspunkt nach sorgfältiger Überlegung. "Ich hatte immer ein ganz gutes Bauchgefühl, ob ich etwas machen soll oder nicht", sagt sie, und der Bauch sagt jetzt nein. Es ist ein leiser Abschied, der in dieses Jahr passt, in dem so einige der deutschen Gesichter der EM 2018 mit Problemen zu kämpfen hatten. Und bei denen nicht klar ist, wie lange Körper und Geist sie noch im Profisport tragen.

Für Olympia in Tokio war Dutkiewicz-Emmerich durch die Position in der Weltrangliste schon so gut wie qualifiziert, doch dann machte der Körper mal wieder nicht mit. Erst plagte sie ein eingeklemmter Nerv, dann Probleme in der Kniekehle, dann Beschwerden im Oberschenkel und in den Füßen. Tokio war abgehakt, in der Reha kamen dann immer mehr Gedanken daran auf, was ihrem Sportlerleben folgen könnte. "Da war plötzlich eine Verschiebung der Prioritäten da", sagt sie. Manche olympischen Wettkämpfe hat sie sich im Fernsehen angeschaut, Turnen etwa, "aber nicht den Hürdenlauf. Da brennt schon das Herz."

"Der Athlet ist nicht mehr nur Marionette oder Gladiator, der in den Ring springt", sagt Dutkiewicz-Emmerich

Schon vor ihren Erfolgen in Berlin und London hat sie so manches Tal durchschritten, immer wieder Verletzungen überwunden, einmal riss sie sich Bänder in beiden Füßen. Und in Erinnerung bleibt Dutkiewicz-Emmerich auch, weil sie über ein Tabu gesprochen hat. In der Pubertät sagten ihr Trainer ständig, sie müsse abnehmen. Unterstützung am Sportinternat gab es keine, im Gegenteil. Stattdessen schädliche Tipps, sie solle nur einen Apfel am Tag essen. Es ist ein Thema, mit dem sie sich bis heute beschäftigt. Dass sie selber die Stimme ergriffen hat, macht sie stolz. "Ich glaube, dass es viele Bereiche gibt, die von den Athleten jetzt angepikst werden. Der Athlet ist nicht mehr nur Marionette oder Gladiator, der in den Ring springt."

Der Hürdensprint ist keiner, der von Europäern dominiert wird. WM-Bronze 2017 in London in 12,74 Sekunden war eine große Errungenschaft von Dutkiewicz-Emmerich. Der Sport ist aber noch mehr. Er sei "wie eine Lebensschule", sagt sie und glaubt, auch weiterhin davon zu profitieren. "In kürzester Zeit musst du mit vielen unterschiedlichen Herausforderungen und Menschen umgehen. Das sind die Softskills", sagt sie, "aber ich merke auch, wie wichtig es war, auch etwas auf meiner Habensseite zu haben. Die Olympia-Erfahrung, die Medaillen um den Hals." 2016 in Rio kam sie ins Olympia-Halbfinale. Ihre Medaillen 2017 und 2018 waren eine Belohnung nach vielen Hindernissen, wie es sich für eine Hürdenläuferin gehört.

Bereits im Sommer hat sie ihren C-Trainerschein gemacht, sie kann sich vorstellen, weiter im Sport zu arbeiten, vielleicht als Technikcoach. Vielleicht gibt sie aber auch ihre Ernährungstipps weiter, alles muss sich noch sortieren. Die EM 2022 in München sollte mal den Abschluss für Dutkiewicz-Emmerich markieren, nun will sie auf jeden Fall vor Ort dabei sein, in welcher Funktion auch immer: "Vielleicht sitze ich auch nur dort und genieße es ohne Stress und Trubel." Genießen hat sie ja gelernt.

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