Laufserie von Michael JohnsonLässt sich Spannung kaufen?

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„Um ehrlich zu sein, hätten wir gerne mehr Zuschauer hier gesehen“: Michael Johnson.
„Um ehrlich zu sein, hätten wir gerne mehr Zuschauer hier gesehen“: Michael Johnson. (Foto: Ricardo Makyn/AFP)

Die Leichtathletik kämpft abseits von Olympischen Spielen mit Bedeutungsverlust – der ehemalige Weltrekordler Michael Johnson will das mit einer millionenschweren eigenen Laufserie ändern. Die Premiere in Jamaika wirft allerdings auch Fragen auf.

Von Saskia Aleythe

Eine gute Botschafterin ist Gold wert. Die US-Sprinterin Gabby Thomas etwa kam aus dem Schwärmen am Wochenende gar nicht mehr heraus, als sie von ihrem ersten Auftritt beim neuen Leichtathletik-Event „Grand Slam Track“ berichtete. Thomas, dreifache Olympiasiegerin von Paris, hatte sich in Kingston in Jamaika über 200 Meter und 400 Meter präsentiert, war Erste und Zweite geworden und berichtete anschließend von einem „unglaublichen“ Gesamterlebnis. „Viele Athleten kamen und zeigten ihr Können, es stand viel Geld auf dem Spiel und die Energie war großartig“, sagte sie. Mit einem Preisgeld von 100 000 US-Dollar geht man als Leichtathletin tatsächlich eher selten nach Hause. Aber, und diese Frage stellt sich nun: Reicht das für eine Revolution in ihrem Sport?

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Revolution. Eine Neuerung in dieser Größenordnung wollte Michael Johnson, Ex-Sprinter und Weltrekordler, mit seinem neuen Laufformat kreieren: den Athleten mehr Relevanz und Aufmerksamkeit zu verschaffen und den Sport vom angestaubten Image befreien, das ihm anhaftet. Bei Olympischen Spielen gehören die Wettbewerbe der Leichtathletik zu den größten Attraktionen, doch abseits davon hat es die Kerndisziplin schwer, ein großes Publikum zu finden. Ein Umstand, der sich doch ändern lassen muss, dachte Johnson – und konzipierte ein Meeting, das den Sport regelmäßig ins Bewusstsein der Menschen hieven soll.

Michael Johnson sammelte mehr als 30 Millionen Dollar von Investoren ein

Johnsons These: Die Besten der Welt gegeneinander antreten zu lassen, macht den Sport erst so richtig interessant. Und da das abseits der Höhepunkte im Kalender selten vorkommt, hat er versucht, mit viel Geld große Sportler für seine vierteilige Serie zu verpflichten. Er sammelte mehr als 30 Millionen US-Dollar von Investoren dafür ein. So konnte Johnson ein Feld aus 32 Olympiamedaillengewinnern für den Auftakt gewinnen, darunter etwa Sydney McLaughlin-Levrone, die Weltrekordhalterin über 400 Meter Hürden, oder Fred Kerley, Bronze-Gewinner über 100 Meter in Paris.

Aber das Manko zeigte sich schon an den großen Namen, die fehlen: Ausgerechnet Noah Lyles, der schnellste Mann der Welt über 100 Meter, ist nicht dabei, aber auch Sha’Carri Richardson, Julien Alfred oder Jakob Ingebrigtsen nicht. Lyles zweifelte öffentlich an, dass die Serie ein Erfolg werden könne, andere Athleten setzten im Terminkalender eigene Prioritäten. Das ist ja eine Besonderheit dieses Sports: Ihre Form bauen die Leichtathleten mit Blick auf eine große internationale Meisterschaft auf, die meist im Spätsommer liegt. Die Pläne sind sehr individuell und bisher schwer in ein festes Schema zu pressen.

Nun in Kingston konnte man also sehen, welche Frühform die Starter und Starterinnen präsentierten, dafür musste jeder in zwei vorher festgelegten Disziplinen antreten, so sieht es das Format vor. Kurzsprinter waren über 100 und 200 Meter gefordert, die Langsprinter über 200 und 400 Meter, die Mittelstreckenläufer über 800 und 1500 Meter und die Langstreckenläufer über 3000 und 5000 Meter. Dazu kamen noch je zwei Rennen für die Hürdensprinter und die Hürdenläufer über die Stadionrunde. Für das Abschneiden werden Punkte verteilt, ihre Summe ergibt schließlich den Sieger des jeweiligen Slams. Die 48 Sportlerinnen und Sportler, die Michael Johnson für alle vier Slams verpflichten konnte, bekommen neben dem Preisgeld obendrauf noch ein Grundgehalt. Das Preisgeld insgesamt beläuft sich auf 12,9 Millionen US-Dollar.

Hürdenläuferin Sydney McLaughlin-Levrone unterstrich mit zwei Siegen ihre Dominanz.
Hürdenläuferin Sydney McLaughlin-Levrone unterstrich mit zwei Siegen ihre Dominanz. (Foto: Ricardo Makyn/AFP)

Und so manch interessanter Lauf war durchaus dabei, den die Macher des Events als Erfolg verkaufen können: Kenias Emmanuel Wanyonyi, Olympiasieger in Paris über 800 Meter, gewann etwa die 1500 Meter vor den Spezialisten über diese Distanz. Und Hürdenläuferin McLaughlin-Levrone unterstrich mit zwei Siegen ihre Dominanz.

Aber es zeigten sich auch Schwachstellen im Konzept: Der Anspruch, in jedem Rennen enge Duelle anbieten zu können, ging etwa über die 3000 Meter der Männer nicht auf. US-Läufer Grant Fisher ließ es nach seinem Sieg über 5000 Meter gemächlicher angehen, weil er wusste: Er musste gar nicht um den ersten Platz mitkämpfen, sondern nur besser abschneiden als seine Verfolger in der Gesamtwertung. Also beobachtete er, wer sich im Rennen absetzte und rechnete nach: Ein dritter Platz sollte ihm genügen, um 100 000 US-Dollar mit nach Hause zu nehmen. Nicht im Sinne des Erfinders Johnson, der es ja vor allem auf maximale Spannung abgesehen hatte.

Um sich zu bewähren, braucht es eben Zeit, glaubt Johnson

Was den Ausrichter am meisten schmerzte, waren allerdings die leeren Tribünen: „Um ehrlich zu sein, hätten wir gerne mehr Zuschauer hier gesehen“, sagte Johnson. Über alle drei Tage hinweg waren die Plätze nur spärlich besetzt, ihre Läufe absolvierten die Sportler in einem halb leeren Stadion. Die „großartige Energie“, von der Gabby Thomas geschwärmt hatte, musste dann auch mehr dem Temperament als der Masse der Zuschauer gelten. „Das Publikum war engagiert dabei, und das ist das, was wirklich zählt“, sagte Johnson. Wobei sich so ein Meeting nur durch Leidenschaft natürlich nicht refinanzieren lässt.

Doch um sich zu bewähren, braucht es eben Zeit, glaubt Johnson. Und die Zukunft bringt noch viel hervor, wenn man ihm glauben darf: Sein Renndirektor hätte viele Anrufe von interessierten Athleten bekommen, die nun auch gerne mitmachen würden, sagte Johnson. Man könne sich auf neue Gesichter bei den kommenden Ausgaben freuen. Die weiteren drei Stationen sind Miami, Philadelphia und Los Angeles.

Dass sich Johnson mit seinem neuen Format nicht nur Freunde macht, ist offensichtlich: Er steht in Konkurrenz zu anderen Veranstaltungen. Das zweite Meeting Anfang Mai in Miami findet zeitgleich zum Diamond-League-Auftakt in Shanghai statt. Bereits verpflichtete Läufer werden dort also fehlen. Und was Leichtathletik bei Olympia zur Attraktion macht, sind ja nicht nur die Läufer, sondern auch, was Werfer und Springer zeigen. Sie fehlen in Johnsons reinem Laufformat aber bewusst: „Der Mix von Lauf- und Technikdisziplinen funktioniert nur bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen“, sagt er. Das ist – wie so vieles beim Ausprobieren neuer Dinge – wohl Ansichtssache.

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