Leichtathletik:Im Giftschrank

Die Ethik-Kommission des Weltverbandes IAAF nimmt jetzt die diskreten Zahlungen an den früheren deutschen Spitzen-Funktionär Helmut Digel unter die Lupe. Der schweigt weiter eisern zu der zusätzlichen Entlohnung, die von keinem Passus im Regelwerk gedeckt ist.

Von T. Kistner, J. Knuth

Sebastian Coe ist schwer beschäftigt in diesen Tagen. Der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF wirbt gerade in der Szene für sein Reformpaket, er möchte das Compliance-Ressort des schwer verbeulten Verbandes umbauen. Der Arbeitstitel für diesen Umbau ist branchenüblich bescheiden gehalten: "Eine neue Ära." Viele der Vorhaben klingen tatsächlich gut, die Macht des Präsidenten soll eingedämmt, seine Dienstzeit auf drei Legislaturperioden beschränkt werden. Am 1. Januar 2017, hat Coe vor Kurzem ausgerufen, soll es losgehen mit dieser blütenweißen Ära. Unbequeme Fragen stören da nur, zu Coes von Merkwürdigkeiten umrankter Präsidentenkür im vergangenen Jahr etwa, oder zur tief verseuchten Vergangenheit der IAAF. Wir schauen nach vorne, heißt es im Verband. Schon praktisch, wenn man alles so einfach hinter sich lassen kann, zum Neujahrsfest.

Einige leuchten in diesen Tagen freilich doch jene Vergangenheit aus, nach SZ- Informationen zum Beispiel eine ausländische Staatsanwaltschaft. Und jetzt auch die Ethikkammer der IAAF.

Es geht um diskrete Zahlungen, die Coes Vorgänger Lamine Diack freihändig an Leichtathletik-Funktionäre verteilte - über Jahre hinweg, neben den offiziellen Vergütungen. Einer dieser Geldströme floss zum langjährigen deutschen Topfunktionär Helmut Digel (SZ vom 1.10.); der SZ liegt eine Bestätigung des ehemaligen Interims-Generalsekretärs vor. Doch so eine Entlohnung ist von keinem Statut im Regelwerk gedeckt, wiederholte Fragen nach der rechtlichen Basis für diese Zahlungen ließ die IAAF unbeantwortet. Digel selbst schweigt eisern, trotz vieler Anfragen. Und in der IAAF wollen sie das Thema fürs Erste nicht anfassen, den Giftschrank lieber nicht öffnen, in dem noch einiges zum Thema und zu Diack schlummern könnte. Der Senegalese steht seit einem Jahr in Frankreich unter Hausarrest. Dort ermittelt die Finanzstaatsanwaltschaft wegen Korruption, Geldwäsche, Erpressung; was auch für Diacks Sohn gilt, der heute von Interpol gejagt wird.

Die Ethikkammer der IAAF prüft in diesen Tagen nun jedenfalls auch die Zahlungen an Digel. Man wäre dankbar, schreibt eine Sprecherin des Gremiums der SZ, wenn man den Ethikern weiterführende Informationen zum Fall zur Verfügung stellen könne. Die Nachfrage, ob die Ethiker bereits ein offizielles Verfahren einleiten oder dies planen, will die Sprecherin weder bestätigen noch verneinen, man möge bitte verstehen, der hauseigenen Kodex: "Die Haltung unserer Kammer ist es, bezüglich unserer Aktivitäten Vertraulichkeit walten zu lassen."

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