Deutsche bei der Leichtathletik-EMDa müsste eigentlich mehr drin sein

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Shanice Craft ärgerte sich in Rom, sie sei "enttäuscht" von ihrer eigenen "Unfähigkeit".
Shanice Craft ärgerte sich in Rom, sie sei "enttäuscht" von ihrer eigenen "Unfähigkeit". (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Während Italiens Leichtathleten beim Start der Heim-EM triumphieren, hadern viele Deutsche in Rom zunächst mit ihren Ergebnissen – mal leise, mal laut. Diskuswerferin Shanice Craft sagt: „Ich werde noch eine Weile den Kopf schütteln.“

Von Saskia Aleythe, Rom

Fließend durch die Straßen von Rom zu kommen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Aber es gibt Situationen, da geht es eben doch: Am Sonntagmorgen hatten die Starter im Halbmarathon bei den Leichtathletik-Europameisterschaften ein echtes Privileg; über abgesperrte Wege ging es am Kolosseum vorbei, durch die Altstadt also und über den Tiber. Eine geschichtsträchtige Kulisse, die sich am Fixpunkt dieser Tage – dem Olympiapark mit seinen zahlreichen Heldenstatuen – fortsetzt. Dort angekommen, lag Amanal Petros später ausgepumpt im Zielbereich. Er hatte gerade Bronze gewonnen, doch lächeln konnte der Deutsche erst einmal nicht.

So ist das manchmal: Da steht eine Medaille auf dem Tableau und trotzdem kann sich die Zufriedenheit noch nicht so recht durchsetzen. Und diesen Petros-Moment konnte man durchaus als Sinnbild auf die ersten beiden EM-Tage in Rom übertragen, für das Abschneiden der deutschen Mannschaft. Der dominierende Eindruck: Da müsste eigentlich noch mehr drin sein.

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Besonders drastische Worte fand Diskuswerferin Shanice Craft, die als eine von drei deutschen Kandidatinnen fürs Podest nur auf Rang sieben gelandet war: „Ich werde noch eine Weile den Kopf schütteln“, sagte die EM-Dritte von 2014, 2016 und 2018, „ich bin einfach enttäuscht von meiner Leistung, meiner Unfähigkeit.“

„Es ist nicht Gold geworden, aber Bronze ist immer noch okay“, sagt Amanal Petros

Für Amanal Petros war der Wettbewerb aussichtsreicher, er war hinter dem führenden Italiener Yemaneberhan Crippa ins Stadion eingelaufen und hatte einen möglichen Sieg noch im Visier. Doch ein Tritt auf die Bahnbegrenzung brauchte ihn ins Schlingern. Auf den letzten Metern zog in Pietro Riva sogar noch ein Italiener an ihm vorbei. „Es ist nicht Gold geworden, aber Bronze ist immer noch okay“, sagte Petros später, den Frust hatte er da schon abgeschüttelt und sich die Deutschlandfahne um die Schultern gelegt. „Es bedeutet mir sehr viel. Ich bin sehr, sehr froh“, sagte er. Durch das Abschneiden seiner Kollegen Samuel Fitwi, Filimon Abraham, Richard Ringer, Simon Boch und Hendrik Pfeiffer auf den Plätzen fünf bis 34 sicherte sich das Team noch Bronze in der Mannschaftswertung. Für die Frauen um Melat Kejeta klappte es mit Silber, aber auch Kejeta blieb mit Rang fünf hinter ihren Möglichkeiten und Erwartungen zurück.

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Zwei Einzelmedaillen standen bis zum Sonntagmittag nach Bronze für Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye am ersten Tag in der deutschen Zwischenbilanz – ein klares Aufbäumen nach der medaillenlosen Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Budapest war das noch nicht. Man will sich schließlich in knapp zwei Monaten mit der Weltelite bei Olympia in Paris messen, und da fehlte es noch an Ausrufezeichen, während die Konkurrenz schon Meisterschaftsrekorde und Bestleistungen parat hat. Die nächsten Hoffnungen ruhten auf Sprinterin Gina Lückenkemper, den Hindernisläuferinnen um Gesa Felicitas Krause und den Hochspringerinnen Christina Honsel und Imke Onnen, deren Wettbewerbe am Sonntagabend anstanden.

Dass Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye am Freitag mit 18,62 Metern Bronze gewinnen konnte, war für sie ein Erfolg nach vielen Jahren, die von Verletzungen geprägt waren. Zugleich hatte sie ihr Auftritt bei den Hallen-Weltmeisterschaften im März in Glasgow mit einem Silber-Stoß auf 20,19 Meter schon in Bereiche katapultiert, die Weltspitze bedeuten, umso mehr hatte sie sich auch jetzt ausgerechnet. Glasgow habe ihr gezeigt: „Yemi du kannst es, du bist in der Lage, da vorne mitzumischen bei Weltmeisterschaften“, sagte Ogunleye in Rom. Das europäische Kräftemessen fiel ihr ungleich schwerer, auch das zuvor verletzte Knie bereitete wieder Probleme. „Es war heute eine ganz andere Situation, es war körperlich sehr herausfordernd und nervenaufreibend“, sagte sie. „Aber ich bin froh, dass es noch für eine Medaille gereicht hat.“

Ätsch, Bester! Kugelstoßer Leonardo Fabbri gewinnt mit 22,45 Metern eine von 13 (!) Medaillen für die EM-Gastgeber bis zum Sonntagmittag.
Ätsch, Bester! Kugelstoßer Leonardo Fabbri gewinnt mit 22,45 Metern eine von 13 (!) Medaillen für die EM-Gastgeber bis zum Sonntagmittag. (Foto: Michael Steele/Getty Images)

Während sich Belgiens Olympiasiegerin Nafi Thiam im Siebenkampf mit Meisterschaftsrekord Gold sicherte, brachen Carolin Schäfer und Sophie Weißenberg die Wettbewerbe ab, Vanessa Grimm wurde Elfte. Schäfer hatte im Kugelstoßen keinen gültigen Versuch hinbekommen, Weißenberg plagten Fersenprobleme. Auch Geher Christopher Linke kam nicht ins Ziel, nachdem er ein zu hohes Tempo mitgegangen war und sich übergeben musste. Robin Ganter, der sich wie Owen Ansah fürs 100-Meter Finale qualifiziert hatte, musste wegen muskulärer Probleme passen. Irgendwas ist immer.

Für die Italiener sind es schon jetzt Festspiele in der Heimat, bis zum Sonntagmittag sicherten sie sich 13 Medaillen, davon sieben goldene. Die 100 Meter entschied Olympiasieger Marcell Jacobs (10,02 Sekunden) für sich, Ansah kam auf Rang fünf (10,17) – ein sehr respektables Ergebnis nach einem verletzungsgeprägten Vorjahr. Und dass Mattia Furlani Silber im Weitsprung (8,38 Meter) holte, lässt dann schon manch andere Nation neidisch werden: Furlani ist erst 19 Jahre alt.

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