Leichtathletik-EMBebendorf fühlt den magischen Moment

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EM-Bronze mit Olympianorm: Hindernisläufer Karl Bebendorf erlebt ein fast perfektes Finale in Rom.
EM-Bronze mit Olympianorm: Hindernisläufer Karl Bebendorf erlebt ein fast perfektes Finale in Rom. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

26 Jahre nach der letzten EM-Medaille für einen deutschen Hindernisläufer erobert Karl Bebendorf in Rom Bronze, Frederik Ruppert wird Vierter. In dieser Disziplin treiben sich die Deutschen gegenseitig an – eine Rarität.

Von Saskia Aleythe, Rom

In seinem Kopf hat Karl Bebendorf den magischen Moment schon oft erlebt. Wie er mit sicherem Schritt zum letzten Mal den Wassergraben passiert, das letzte Hindernis überspringt und noch so viel Kraft in den Beinen hat, dass es zu einem veritablen Schlussspurt reicht. An kaum etwas anderes konnte der 28-Jährige in den vergangenen Wochen denken.

Aber da war auch die Nervosität vor seinen Läufen: Wie er schon oft am Start stand und nicht mehr wusste, „wer ich bin, ob ich schon jemals gelaufen bin“. Wenn er aufgeregt sei, werde er ruhig, sagt Bebendorf. Und am Montagabend, bei der Leichtathletik-EM in Rom? Auch da war Bebendorf plötzlich ganz still, allerdings: Diesmal sei es eine andere Ruhe gewesen, eine sichere.

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26 Jahre sind verstrichen, in denen die deutschen Männer ohne Medaille aus ihren Hindernisläufen im europäischen Wettkampf gegangen sind. Bis zum Montag, als Bebendorf jenen magischen Moment im Schlussspurt über 3000 Meter erlebte, von dem er lange geträumt hatte. „Auf der Zielgeraden bin ich immer einer, der krampft“, sagte Bebendorf später, doch an diesem Abend in Rom, da waren die Beine noch locker. Nur die Franzosen Alexis Miellet und Djilali Bedrani auf dem Gold- und Silberrang waren stärker. Die Medaille für Bebendorf, Platz vier für Frederik Ruppert, beide mit persönlicher Bestzeit: Das war ein Beleg dafür, dass diese knifflige Disziplin Hindernislauf gerade eine deutsche Spezialität mit Seltenheitswert ist.

Dabei hatte die Dramaturgie des Abends einen anderen Deutschen im Fokus vorgesehen: 200-Meter-Läufer Joshua Hartmann. Der 25-Jährige hatte als Zweitschnellster der Vorläufe beste Chancen auf einen Podestplatz, fabrizierte dann einen fast nachlässigen Fehlstart und wurde disqualifiziert. „Ich habe gestern ziemlich schlecht reagiert und hatte mir vorgenommen, heute besser zu reagieren. Jetzt habe ich zu früh reagiert“, sagte er, „das ist einfach bitter“. Seine Halbfinalzeit von 20,38 Sekunden hätte im Finale Silber bedeutet, die erste deutsche EM-Medaille über 200 Meter seit 1982. Ob er bewusst auf Risiko gegangen sei? „Bin ich“, sagte Hartmann knapp.

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Im Deutschen Leichtathletik-Verband dürfte man das nicht gerne hören, schließlich war Hartmann schon im vergangenen Jahr mit seinem Verhalten angeeckt. Bei den deutschen Meisterschaften in Kassel brach er zwar den 18 Jahre alten Rekord von Tobias Unger, in 20,02 Sekunden. Weil Hartmann schon kurz vor der Ziellinie den Arm zum Jubeln gehoben hatte, entging ihm eine noch bessere Zeit. Bei der WM in Budapest folgte dann im Vorlauf die Blamage: Er drehte sich auf den letzten 15 Metern zu seinen Konkurrenten um, verlor wertvolle Zeit und verpasste das Halbfinale. Er habe sich zu sicher gefühlt, gab Hartmann zu und versprach, aus seinen Fehlern zu lernen. Eingelöst hat er das in Rom nicht.

Ganz anders die deutschen Hindernisläufer, die in der Ewigen Stadt auch von ihrer Teamstärke profitieren, bei den Männern wie bei den Frauen: Alle, die es nach Rom schafften, qualifizierten sich fürs Finale und mischten teilweise im Medaillenkampf mit – das können die Deutschen nicht mehr in vielen Disziplinen für sich reklamieren. Und nicht nur die Platzierungen wie die Silbermedaille von Gesa Felicitas Krause stehen in Rom für die Teamstärke. Frederik Ruppert haderte mit seinem vierten Platz, dann sagte er diesen schönen Satz, in Anlehnung an Bebendorfs Erfolg: „Nach mir gönne ich es ihm am meisten.“

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Ruppert hatte selbst lange aussichtsreich im Rennen gelegen, ehe ihm im Endspurt die Kraft ausgegangen war. Hindernisläufer sind Einzelsportler, aber dass sie als gemeinsame Vertreter ihres Landes die Herausforderungen bei so einer EM bewältigen, „das beflügelt extrem“, sagte Ruppert. Und auch: „Wir wissen, wir müssen jedes Jahr noch mehr zulegen, weil die Jungs hinten, die wollen auch rankommen.“ Die Konkurrenz macht sie besser, das war auch in Rom beeindruckend anzuschauen: In 8:15,08 Minuten kam Ruppert auf acht Hundertstelsekunden an die Olympianorm heran. Seine Chance auf eine Teilnahme steht auch so gut, da er wertvolle Punkte für die Weltrangliste sammelte, den zweiten Pfad nach Paris.

Für Bebendorf klappte es sogar mit der Normzeit, in 8:14,41 Minuten, eine „geisteskranke Zeit“, wie er fand – impulsiv sein kann er dann schon. Mit dem Schlachtruf von Cristiano Ronaldo tingelte er am Abend durchs Olympiastadion, der Portugiese ist sein Vorbild, „ich bin KB7“, sagte er und lachte. Eigentlich wollte Bebendorf kommende Woche in Turku in Finnland die Olympianorm angreifen, „das kann ich jetzt mit gutem Gewissen absagen“, fand er. Dann verschwand er mit einem Grinsen in die Nacht.

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