Der große Rausch blieb aus. Robert Farken hatte sich das selbst anders vorgestellt, zwei deutsche Rekorde in nur sechs Tagen bricht man nicht allzu oft in seinem Leben. Aber als der Mittelstreckenläufer erst über 1500 Meter und später auch über die Meile so schnell lief wie noch nie zuvor, waren da keine überschwänglichen Gefühle, nicht mal Aufregung. „Es fühlt sich eigentlich nur wie etwas an, das man abhakt“, sagt er. Und ja, diese Rekorde standen für dieses Jahr auf seinem Plan.
Nach Plan verlief die Läuferkarriere des 27-Jährigen nicht immer, an einer Weltmeisterschaft im Freien hat Farken zum Beispiel noch nie teilgenommen. Immer wieder streikte der Körper, nun ist der deutsche Mittelstreckenläufer aber so schnell unterwegs, dass er für den Höhepunkt Mitte September gesetzt ist. „Ich bin die letzten acht Monate gesund durchgekommen, habe jeden Tag zweimal trainiert und hart dafür gearbeitet“, sagt Farken: „Es war eine Frage der Zeit, bis es passiert.“ Tatsächlich scheint aufzugehen, woran er schon lange getüftelt hat.

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Im vergangenen Herbst schlug Farken eine neue Richtung in seiner Karriere ein: Seit November absolviert er seine Trainingseinheiten in Boulder in Colorado in den USA, die dortige Laufgruppe wird vom Sportartikelhersteller On finanziert. Zuvor war Farken beim selben Sponsor in einer europäischen Gruppe in St. Moritz und feilte unter Thomas Dreißigacker, der ihn seit seiner Jugend in Leipzig trainierte, an seiner Form. „Er hat mich dazu animiert, noch mal etwas Neues zu wagen“, sagt Farken. Und die neuen Reize entfalteten in Kombination mit den Grundlagen der vergangenen Jahre ihre Wirkung. Dass er sich im Training mit seiner Laufgruppe mit starken Konkurrenten messen kann, ist für Farken ein Privileg: „Man kann sich von jedem Trainingspartner ein bisschen was abgucken.“
Beim Diamond League-Meeting in Rom lief Farken schließlich die 1500 Meter in 3:30,80 Minuten, schneller als jeder Deutsche zuvor. Die alte Bestmarke von Thomas Wessinghage war fast 45 Jahre alt, Farken lief 78 Hundertstelsekunden schneller. Dass es nur sechs Tage später in Oslo auch mit einer neuen Bestmarke über die seltener gelaufene Meile geklappt hat, bestätigt den Athleten in seinem Weg. Wobei er selbst weiß, dass seine Zeiten international noch keine Medaillen wert sind: In Oslo wurde er trotz seiner Leistungssteigerung nur Fünfter, die Weltspitze um Norwegens Jakob Ingebrigtsen ist mitunter mehrere Sekunden schneller unterwegs.
„Das sind langsam Bereiche, wo der Spaß echt aufhört“, sagt Karl Bebendorf
Die Wege, um nach oben zu kommen, sind im Sport oft individuell, das zeigt sich an Farken, aber auch an seinem Lauf-Kollegen Frederik Ruppert: Der Hindernisläufer hatte ebenfalls erst kürzlich für Aufsehen gesorgt, mit einem deutschen Rekord über 3000 Meter Hindernis. Ende Mai in Rabat in Marokko unterbot er in 8:01,49 Minuten die 26 Jahre alte Bestmarke von Damian Kallabis um gleich acht Sekunden. Es war ein Rennen, in dem für den 28-Jährigen alles passte, er sich auch durch die starke Konkurrenz in neue Bereiche vorkämpfen konnte.
Der Weg dahin sei „etwas Längerfristiges“ gewesen, sagt seine Trainerin Isabelle Baumann, die auch Bundestrainerin Lauf im Deutschen Leichtathletik-Verband ist. Seine Entwicklung habe sich über die letzten Monate abgezeichnet. „Freddy hat sicherlich schon letztes Jahr die körperliche Form, die Physis gehabt, um 8:10 Minuten zu laufen“, sagt sie: „Ich habe es auch immer ein bisschen erwartet, und es ist ihm nicht geglückt. Weil er sich es selbst nicht vorstellen konnte, nicht daran geglaubt hat.“ Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr wurde er auf der Zielgeraden von Teamkollege Karl Bebendorf eingeholt und verpasste so knapp die Bronze-Medaille.

Den neuen Glauben an sich selbst entdeckte er beim Monaco Run über fünf Kilometer im Februar, wo Ruppert aus dem Training heraus nationalen Rekord in 13:21 Minuten lief. „Das war über zehn Sekunden schneller als letztes Jahr“, sagt Baumann. Und es deutete die Richtung für die kommenden Monate an. Der Lauf von Rabat sei schließlich eine Kombination aus mehreren Faktoren gewesen, sagt Baumann: Da war Rupperts ausgezeichnete Form, dazu eine „sehr gute mentale Einstellung“, und ein Rennverlauf, in dem man schnell laufen musste, um vorn dabei zu sein. Eine Steigerung von 14 Sekunden im Vergleich zu seiner vorherigen Bestzeit ist trotzdem extrem selten und wurde auch im deutschen Team mit Erstaunen wahrgenommen. „Ich habe mich auch gefragt, wie das möglich ist, die Fakten sprechen aber für sich. Ich weiß, dass er was drauf hat“, sagte Kollege Karl Bebendorf später bei einem Meeting in Dresden. Motivierenden Effekt hatte Rupperts Zeit für ihn nicht: „Das sind langsam Bereiche, wo der Spaß echt aufhört.“
Anders als Robert Farken trainiert Ruppert in Deutschland, wechselte vor zwei Jahren in die Tübinger Trainingsgruppe von Isabelle Baumann, die früher den ehemaligen Olympiasieger Dieter Baumann trainierte und ihn später heiratete. Es ist ein Training über die Distanz von 450 Kilometern, schließlich lebt der Läufer in Würselen bei Aachen. Alle sechs bis acht Wochen treffen sie sich persönlich, Kontakt gibt es ohnehin täglich. Geplättet waren sie dann beide, als sein Superlauf von Rabat absolviert war. „Wir müssen den Weg jetzt weitergehen“, sagt Baumann, und das heißt auch: In drei Monaten bei der WM in Tokio schauen, wie weit es für ihn noch nach vorn gehen kann. Aktuell ist er die Nummer zwei in der Welt.