Leichtathletik:Die Hallen-EM als Corona-Verteiler

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Ins Straucheln geraten: Bei der Hallen-EM in Torun Anfang März, hier ein Vorlauf über 60 Meter der Frauen, kam es offenbar zu Dutzenden Corona-Infektionen.

(Foto: Vegard Wivestad Grott/Bildbyran/Imago)

Alles ganz sicher in den Corona-Blasen des olympischen Wettkampfsports? Nach der Hallen-EM der Leichtathleten in Polen melden immer mehr Teilnehmer Infektionen.

Von Johannes Knuth und Andreas Liebmann

Unter den vielen frohen Botschaften, die Thomas Bach, der deutsche IOC-Präsident, vor einer Woche unter die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees brachte, stach eine besonders heraus. Rund 270 Weltcups oder Weltmeisterschaften hätten seit vergangenem September stattgefunden, so Bach, mit rund 30 000 Athleten und über 200 000 Corona-Tests. "Nicht eine einzige Veranstaltung ist zu einem Virus-Spreader geworden", bilanzierte der 67-Jährige, dampfend vor Zufriedenheit. Nun erwähnte Bach rein zufällig keine Europameisterschaften, allerdings sind kontinentale Wettstreite oft viel größer als handelsübliche Weltcups: Bei der Hallen-EM der Leichtathleten in Torun/Polen waren allein 700 Athleten und Hunderte Betreuer und Offizielle zugegen. Und just diese Hallen-EM, die drei Tage vor Bachs Fensterrede zu Ende ging, ist nun offenbar zu einem Corona-Drehkreuz mutiert.

Der vorläufige, inoffizielle Medaillenspiegel der Infizierten: Italienische Medien berichteten zuletzt von 15 Fällen in der Squadra Azzurra, darunter Hochspringer Gianmarco Tamberi. Der britische Verband bestätigte neun Fälle, der niederländische ebenfalls, der deutsche sieben. Auch Frankreich (sechs), Ukraine (vier), Irland, Österreich, Polen und weitere Länder haben Positivfälle protokolliert. Das passt jedenfalls nicht mehr so ganz zu den "wenigen Fällen", die Dobromir Karamarinov, der Interimschef des Europäischen Leichtathletik-Verbandes, unmittelbar nach der EM erwähnte und anfügte: "Alles verlief nach Protokoll." Laut der Londoner Times klagten mehrere Anwesende in Torun, dass es in der Halle zu eng gewesen sei, viele Regeln seien nur phasenweise beachtet worden. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) sagte auf Anfrage, dass man noch in Nachforschungen stecke, das Hygienekonzept an sich sei aber stimmig gewesen. Nur die Umsetzung offenbar nicht.

Auch nach einem Fecht-Weltcup in Budapest kommt es zu Infektionen

Unbestritten ist, dass einige Infektionsketten mittlerweile weit über Torun hinausreichen. Die deutsche Delegation, die mit 48 Athleten und 19 Betreuern angereist war, verzeichnete zunächst keinen Fall vor, während und kurz nach der EM. Bei Tests in Deutschland kamen dann sieben als positiv zurück, wobei die Zahl noch steigen könnte: Am Freitag sollen alle EM-Fahrer noch einmal getestet werden. Einer der ersten Positivfälle war der Münchner Hochspringer Tobias Potye, Vierter in Torun. Potye, teilte sein Verein LG Stadtwerke mit, habe nach der Rückkehr zunächst mit Coach Sebastian Kneifel sowie Trainingspartnerin Laura Gröll, der deutschen Hallenmeisterin von 2020, trainiert. Beide waren nicht in Polen - sie haben nun aber auch positive Tests eingereicht und klagen über milde Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Geschmacksverlust und Gliederschmerzen. Die drei Münchner mussten ihre Reise ins Trainingslager auf La Palma stornieren, der positive Schwung für die Olympia-Vorbereitung: dahin. Ähnlich erging es britischen und irischen Athleten, die nach der Rückkehr geschlossen in Quarantäne verfrachtet wurden. Das verzögert die weiteren Planungen - und die Unsicherheiten, vier Monate vor Beginn der Spiele in Tokio.

Fast deckungsgleich lauten die Augenzeugenberichte aus Budapest, zuletzt Schauplatz eines Fecht-Weltcups: Die deutsche Reisegruppe berichtete von vier Corona-Fällen, die im Nachgang in Deutschland aufflammten, darunter zwei Athleten - die gesamte Auswahl begab sich in Isolation. Auch andere Nationen hatten Infektionen von Athleten und Kampfrichtern gemeldet, nach den Wettkämpfen. Noch ist unsicher, ob der deutsche Verband zum letzten olympischen Qualifikationswettkampf in der kommenden Woche in Doha ein Team entsenden wird.

Säbelfechter Max Hartung hatte nach der Budapester Exkursion der FAZ gesagt: "Wir hatten eine der größten Hallen für unseren Sport, aber selbst dort gelingt es nicht, ausreichend Abstand zu halten. Ich habe das schon als Risiko empfunden, und das hat es schwergemacht, mich auf den Wettkampf einzulassen." Man müsse sich schon fragen: "Wollen wir das riskieren, als Sportler und als Gesellschaft: Veranstaltungen, bei denen Infektionen stattfinden?"

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