Leichtathletik:Bergab im Backofen

Leichtathletik - DM

Schiefgelaufen, was schieflaufen kann: Gesa Felicitas Krause.

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

Bei den deutschen Meisterschaften wird auch deutlich, wie sehr die Sportler noch unter der Trainingspause wegen Corona leiden - mit einigen Ausnahmen.

Von Johannes Knuth, Braunschweig

Gesa Krause bewies eine bewundernswerte Ausdauer, zumindest bei der Nachbesprechung ihres Rennens. Sie nahm sich für jede Frage Zeit, die ihr gestellt wurde, nachdem sie die 3000 Meter Hindernis bereits nach 2000 Metern vorzeitig beendet hatte, völlig überraschend. Sie sprach über das anstrengende Höhentraining, das sie noch bis zwei Tage vor ihrem Auftritt in Braunschweig betrieben hatte, in Davos in der Schweiz; es folgte ein kurzes Referat über die Kunst und Tücken dieser Maßnahme, und überhaupt sei ein Athlet nun mal kein Computer, den man programmiere und der dann seine Leistung ausspucke: "Heute lief alles schief bei mir, was schieflaufen kann", beendete die 28-Jährige ihren Vortrag, und je länger man zuhörte, desto mehr spürte man, dass auch einer zweimaligen WM-Medaillengewinnerin ihr Handwerk entgleiten kann.

Die deutschen Leichtathleten machten es ihrem Verband am Wochenende gar nicht mal so leicht, die deutschen Meisterschaften in Braunschweig als Erfolg zu verkaufen. Betreuer, Kampfrichter und sonstige Anwesende gaben zwar ihr Bestes, etwas Stimmung zu entfachen, am Ende aber ließ sich nicht verhüllen, dass diese Meisterschaft, mit viel Aufwand vor leeren Rängen organisiert, oft eine zähe Angelegenheit war - was man auch an Krauses Auftritt ablesen konnte. Sie hatte sich zuvor lautstark dafür eingesetzt (mit Erfolg), dass die Langstreckenläufer trotz Corona-Restriktionen noch ins Programm eingegliedert werden. Nun schwitzte sie nicht nur in den Backofentemperaturen, sondern auch in der Hitze ihres Unbehagens. Sie machte dafür vor allem ihre kurzfristige Anreise aus Davos verantwortlich: Dieser Klimawechsel habe die Muskeln arg strapaziert, das sei aber alles. "Wenn im Ausdauerbereich etwas nicht stimmt", sagte Krause, "geht es gleich steil bergab."

Die Ausläufer der Pandemie hatten auch sonst viele Startfelder ausgedünnt. Über 100 Meter der Frauen, die Lisa-Marie Kwayie in 11,30 Sekunden gewann, hatten viel Athletinnen kurzfristig zurückgezogen; auch in den technisch anspruchsvolleren Disziplinen spürte man, dass viele Athleten noch unter der längeren Trainingspause litten. Speerwurf-Europameisterin Christin Hussong war mit ihren 63,93 Metern noch eine der Besten, auch Matthias Bühlers achter Meistertitel über 110 Meter Hürden in 13,62 Sekunden, zwei Jahre nach seinem Karriereende, war beachtlich. Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre, 21, sicherte sich seinen dritten Meistertitel sogar mit Bestleistung, 5,75 Meter. Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz indes, die recht kurzfristig aus ihrer Wettkampfpause aufgetaucht war, stolperte im Vorlauf in eine Hürde und schied aus. Im Diskuswurf der Männer reichten schon 62,97 Meter (Clemens Prüfer) zum Sieg, im Männer-Kugelstoßen 20,17 (David Storl), im Diskus der Frauen 62,30 (Kristin Pudenz). Speerwerfer Johannes Vetter (87,36 Meter) und Weitspringerin Malaika Mihambo (6,71 Meter aus verkürztem Anlauf) setzten am Sonntagabend zwei seltene Glanzlichter.

Oft gab die Abwesenheit der Arrivierten aber auch den Blick auf die zweite Reihe frei, die ihre Chance nutzte. Zum Beispiel auf die Psychologiestudentin Maria Purtsa , die mit 13,65 Metern den Dreisprung gewann und mit ihrer Freude locker die Stimmung eines Zuschauerblocks ersetzte. Und auch auf Elena Burkard, die in Krauses Abwesenheit ihren ersten Freilufttitel auf der Bahn gewann, in 9:50,31 Minuten): "Ich bin froh, dass wir überhaupt hier laufen können", sagte sie, "das ist etwas ganz Besonderes." Damit sprach sie wohl auch stellvertretend für viele Athleten.

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