Jens Lehmann:Rausgeschrieben

Jens Lehmann: Nicht mehr im Aufsichtsrat von Hertha BSC: Jens Lehmann.

Nicht mehr im Aufsichtsrat von Hertha BSC: Jens Lehmann.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Eine irrtümlich versendete Textnachricht, in der er den TV-Experten Dennis Aogo als "Quotenschwarzen" bezeichnet, kostet Jens Lehmann den Aufsichtsratsposten bei Hertha BSC. Die Personalie ist ein Rückschlag für Investor Lars Windhorst.

Von Javier Cáceres, Berlin

Eine fehlgeleitete Textnachricht, die der irrtümliche Adressat Dennis Aogo als mindestens herablassend und befremdlich empfand, kostet den früheren deutschen Nationaltorwart Jens Lehmann bares Geld. Die Investmentgesellschaft Tennor, die vor knapp zwei Jahren beim Fußballbundesligisten Hertha BSC eingestiegen war, teilte am Mittwoch mit, sie habe ihren dem Vernehmen nach gut dotierten Beratervertrag mit Lehmann aufgelöst. Damit sei auch Lehmanns Tätigkeit im Aufsichtsrat von Hertha BSC erloschen, erklärte Tennor-Sprecher Andreas Fritzenkötter. Die TV-Sender Sky und Sport 1, die Lehmann als Experten geladen hatten, kündigten an, auf die Einlassungen des ehemaligen Keepers zu verzichten.

In der Nacht zum Donnerstag hatte Aogo, der mittlerweile als Experte bei Sky arbeitet, in einem sozialen Netzwerk einen Screenshot von seinem Handy veröffentlicht, auf dem ein Nachrichtenaustausch mit "Jens Lehmann" zu sehen war. Alle Beiträge waren unkenntlich gemacht worden - mit Ausnahme der letzten Botschaft: "Ist Dennis eigentlich euer Quotenschwarzer?", stand in der mit einem lachenden Smiley versehenen Nachricht.

"WOW, dein Ernst? Die Nachricht war wohl nicht an mich gedacht!!!", schrieb Aogo - erkennbar perplex und berührt

Aogo wirkte angesichts der offenkundig fälschlich an ihn abgeschickten Nachricht perplex und berührt. "WOW, dein Ernst? Die Nachricht war wohl nicht an mich gedacht!!!", schrieb Aogo. Stunden später meldete sich Lehmann mit ungelenk wirkenden Erklärungsversuchen zu Wort. "In einer privaten Nachricht von meinem Handy an Dennis Aogo ist ein Eindruck entstanden, für den ich mich im Gespräch mit Dennis entschuldigt habe", teilte Lehmann über ein soziales Netzwerk mit - ohne ausdrücklich darzulegen, welchen "Eindruck" er meinte. Lehmann klärte auch nicht darüber auf, für wen die Nachricht eigentlich bestimmt gewesen war - mutmaßlich ein Sky-Mitarbeiter.

Aogo war am Dienstagabend bei der Champions-League-Übertragung von Sky zu Gast gewesen. Lehmann versuchte noch gut Wetter zu machen: "Als ehemaliger Nationalspieler ist er (Aogo) sehr fachkundig und hat eine tolle Präsenz und bringt bei Sky Quote", schrieb Lehmann am Mittwoch beim Kurznachrichtendienst Twitter. Doch da war das Kind für ihn längst in den Brunnen gefallen, hatte Tennor unmissverständliche Konsequenzen gezogen. Angeführt wurden dafür unter anderem unternehmenskulturelle Gründe: Tennor sei eine weltweit operierende und vor allem multiethnische Firma, hieß am Firmensitz in Berlin. Weder Aogo noch Lehmann reagierten am Mittwoch auf SZ-Anfragen.

Aogo teilte am Mittwochabend allerdings mit, er habe eine Entschuldigung von Lehmann angenommen: "Ich habe mit ihm zweimal telefoniert. Ich habe ihm abgenommen, dass es ihm leid tut. Ich fand nicht gut, was er geschrieben hat, auch die Formulierung nicht, und finde das ein Stück weit respektlos", sagte er in einer Instagram-Story. Allerdings wolle er auch betonen: "Jeder Mensch macht Fehler, jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient. Und ich finde es auch nicht richtig, wie sich alle jetzt auf ihn stürzen. Für mich ist das Thema erledigt." Aogo kündigte ein baldiges Treffen mit Lehmann an, um das Thema "aus dem Weg zu räumen".

"Hertha BSC distanziert sich von jeglicher Form von Rassismus", betont Präsident Gegenbauer

Bei Herthas Präsident Werner Gegenbauer löste die Entbindung Lehmanns von der Beratertätigkeit für Tennor zuvor offenkundig Wohlgefallen aus. Wobei das Verhältnis zwischen Lehmann und Gegenbauer (sowie dem früheren Geschäftsführer Michael Preetz) nicht reibungsfrei war. Im Oktober nordeten Gegenbauer und Preetz Lehmann fast schon wortgleich ein, als der Ex-Torwart in der Sport-Bild sagte, allen bei der (nunmehr abstiegsgefährdeten) Hertha sei klar, dass das Ziel "Europapokalplatz " sein müsse. Lehmann spreche für Tennor, nicht für Hertha, lautete damals die schneidende Entgegnung Gegenbauers. Nun fand er ebenfalls deutliche Worte. "Solche Einlassungen entsprechen in keiner Weise den Werten, für die Hertha BSC steht und sich aktiv einsetzt", sagte Gegenbauer mit Blick auf die Lehmann-Botschaft an Aogo, "Hertha BSC distanziert sich von jeglicher Form von Rassismus. Wir begrüßen daher den Schritt der Tennor Holding."

Vor wenigen Wochen hatte sich Hertha vom ungarischen Torwarttrainer Zsolt Petry getrennt - nach einem Interview mit einem in Budapest beheimateten Hetzblatt, das dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán nahesteht. Petry war dort mit Äußerungen zitiert worden, die in deutschen Medien umgehend als rassistisch und homophob interpretiert wurden. Petry erklärte allerdings später, verkürzt zitiert und teilweise sinnentstellend übersetzt worden zu sein - wofür es in der Tat Hinweise gab. Der Fall Petry schlug seinerzeit vor allem in Ungarn Wellen, das Orbán-Lager versuchte den Fall im Disput um Rechtsstaatlichkeit mit der EU und der Bundesregierung auszuschlachten. Nun macht der Fall Lehmann die Runde, vor allem im englischsprachigen Raum. Lehmann hat einen wichtigen Teil seiner Karriere beim FC Arsenal zugebracht, er war unter anderem Teil der "Invincibles", der legendären Mannschaft Arsenals, die in der Saison 2003/2004 ungeschlagen Meister in der Premier League wurde.

Für Windhorst, dessen Unternehmen seit 2019 rund 300 Millionen Euro in die Hertha investiert hat, ist die Personalie Lehmann ein Schlag ins Kontor. Ursprünglich hatte Windhorst den ehemaligen Nationaltrainer Jürgen Klinsmann in den Hertha-Aufsichtsrat geschickt - doch der ging Anfang 2020 von der Fahne, via Facebook, nachdem er als Interims-Cheftrainer gescheitert war. Auf den Aufsichtsrat Klinsmann folgte vor knapp einem Jahr Lehmann, der von vielen Hertha-Fans von Beginn an kritisch beäugt wurde. Unter anderem, weil er im vergangenen Jahr als "Corona-Verharmloser" gebrandmarkt wurde.

Am Vorabend des Nachholspiels gegen den SC Freiburg (18.30 Uhr/live bei Dazn) versuchte Hertha-Trainer Dardai die Bedeutung des Eklats für sein Team zu relativieren. "Ich habe nicht gespürt, dass Jens Lehmann nah an der Mannschaft war", versicherte Dardai, freute sich aber darüber, dass "schnell und gut reagiert" worden sei. Aber er machte auch kein Hehl daraus, dass ihm die Partie gegen Freiburg wichtiger war: Ein Sieg, und der aktuelle Tabellenvorletzte Hertha würde die Abstiegsplätze zumindest vorerst verlassen.

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