Legendäre Sportstudio-Momente:Mit voller Kraft vom Weizenglas

Früher war das "Aktuelle Sportstudio" ein Pflichttermin für jeden Sportfan. Warum? Weil immer etwas passierte - oder passieren konnte. Franz Beckenbauer landete beim Torwandschießen von einem Weißbierglas aus einen Treffer, Uwe Seeler schoss eine Messlatte kaputt, ein Boxer wollte in einem Interview lieber überhaupt nichts sagen. Die Sendung kann auf legendäre Momente verweisen. Hier sind sie.

Früher war das "Aktuelle Sportstudio" ein Pflichttermin für jeden Sportfan. Warum? Weil immer etwas passierte - oder passieren konnte. Als Harry Valérien oder Wim Thoelke noch moderierten. Als die Frage, wie viele Bälle ein Kandidat an der Torwand versenkt hat, montagmorgens im Büro noch diskutiert wurde.

Aktuelles Sportstudio Momente

Günter Netzer im Trikot der deutschen Nationalelf: Im Sportstudio feierte er einen seiner besten Auftritte - jedoch mit Hemd und Lederjacke.

Die großen Zeiten des "Aktuellen Sportstudios" sind längst vorbei, die Quoten sinken, die Moderatoren führen unbeholfen durch die Sendung. Was bleibt, sind die großen Momente vergangener Tage: Als Franz Beckenbauer von einem Weißbierglas durch die Torwand traf, Uwe Seeler eine Messlatte kaputt schoss - und ein Boxer in einem Interview lieber überhaupt nichts sagte. Die schönsten Sportstudio-Momente.

"Ich werde wohl sowieso nicht treffen", murmelte Günter Netzer. Dann trat er, in Schlaghosen und Lederjacke, den Ball fünf Mal in Folge durch die Löcher der Torwand. Vor dem sechsen, dem letzten Schuss, zögerte er kurz, begann zu überlegen. Sechs Treffer! Das hatte bis dahin noch niemand geschafft. Auch Netzer gelang es nicht. Den letzten Schuss setzte er wenige Zentimeter zu tief an.

Netzer war wohl am knappsten dran von allen. Bis heute. Noch niemand hat in 45 Jahren die sechs Bälle in den Löchern (55 cm Durchmesser) der 2,70 Meter breiten und 1,83 Meter hohen Wand versenkt. Außer Netzer gelangen noch Rudi Völler, Günter Hermann, Reinhard Saftig, Matthias Becker, Frank Pagelsdorf, Frank Rost und Rolf Fringer fünf Treffer. Pelé, Marco van Basten und Eusebio trafen dagegen kein einziges Mal. Zumindest während der Sendung.

Eusébio schien durch seine Fehlschüsse allerdings ernsthaft verunsichert zu sein. Und so ging er nach der Sendung nochmal mit einem Ball ins Studio, ließ sich das Licht anmachen und schoss. Und schoss. Und schoss. 35 Mal. Erst beim 36. Mal ging der Ball durch das Loch - und Eusébio machte das Licht aus. (segi)

Franz Beckenbauer und das Weißbierglas

Falls irgendwann einmal jemand sich erdreistet, das Lichtgestalt-Dasein von Franz Beckenbauer in Zweifel zu ziehen, dem wird dieses Video vorgespielt.

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Sechs Jahrzehnte Lichtgestalt: Franz Beckenbauer wird vom "Sportstudio" geehrt.

1994, Meisterfeier des FC Bayern. Der 1. FC Kaiserslautern war zeitgleich zugeschaltet und murrte gewaltig ob des Ein-Punkte-Rückstands, während im Süden das Bier floss. Schließlich sollte der Meistertrainer selbst, Franz Beckenbauer, auf die Torwand zielen. Aber ein berauschter Kaiser schießt natürlich nicht so einfach drauflos. "Wir spielen praktisch mit Handicap und wir wollen das jetzt zeigen, wie das geht", sagte er, als ihm ein Helfer ein volles Weißbierglas hinstellte und Lothar Matthäus den Ball darauf.

Die Sakko-Hose leicht nach oben gezogen, ein paar lässige Trippelschrittchen - und Beckenbauer traf. Die Stimmung glich einem CSU-Parteitag in der Passauer Nibelungenhalle. "Dem Mann glückt alles", sagt Moderator Dieter Kürten. Richtig, jetzt wussten es endgültig alle. Dieser Schuss setzte dem Kaiser den Lichtgestalt-Schein auf. (hum)

Norbert Grupes Interview

Diesen Blick bekam Norbert Grupe nur zwei Mal in seinem Leben hin: Im Jahr 1989 gab er unter seinem Pseudonym Wilhelm von Homburg im Film "Ghostbusters II" den Bösewicht, er spielte Vigo den Karpatenfürsten. Zwanzig Jahre zuvor hatte Grupe schon einmal derart böse geguckt, bei einem Auftritt im "Aktuellen Sportstudio".

Norbert Grupe gestorben

Wortlos im Interview: Der Boxer und Schauspieler Norbert Grupe.

(Foto: dpa/dpaweb)

Grupe war damals noch Boxer im Halbschwergewicht, einen Tag zuvor hatte er gegen Oscar Bonavena durch Niederschlag verloren. Nun saß Grupe da: blonder Scheitel, blonder Schnauzbart, eleganter Anzug. Moderator Rainer Günzler fragt: "Wie fühlen sie sich nach den fünf Niederschlägen von gestern Abend?" Grupes Antwort: "Die waren gestern Abend, ne?" Günzler fragt weiter: "Wie geht's Ihnen heute?" Grupe sagt: Heute geht's mir gut!"

Dann fragt Günzler weiter, und Norbert Grupe sagt: nichts mehr. Er lächelt, er leckt mit der Zunge über eine Oberlippe, er kratzt sich an der Nase. Günzler fragt und fragt, doch Grupe sagt nichts. Am Ende dieses Nicht-Interviews sagt Grupe: "Es war sehr aufschlussreich!"

Das war es wirklich. (jüsc)

Seppl Pirrung spricht pfälzisch

Josef "Seppl" Pirrung war beim 1. FC Kaiserslautern ein hochbeliebter Mann. 1974, beim legendären 7:4-Sieg des FCK gegen den FC Bayern nach 1:4-Rückstand, da schoss er drei Tore. Das allein reicht in der Pfalz für gewöhnlich, um Heldenstatus zu erlangen.

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Kann alles, vor allem pfälzisch: Seppl Pirrung.

(Foto: imago sportfotodienst)

Noch legendärer war jedoch Pirrungs Auftritt im "Aktuellen Sportstudio". Um es vorab klarzustellen: Ein Mitschitt der Sendung ist kaum aufzutreiben, doch Augenzeugen erzählen sich die Geschichte noch heute. Etwa so, wie es die User des Fan-Forums "Der Betze brennt" tun.

Pirrung, der stets breitestes Pfälzisch sprach, sollte eines seiner schönsten Tore erklären. Also sagte er: "Isch hab' mir de Balle vunn links uff rechts gelegt unn neigebumbt!" Letzteres heißt so viel wie "reingehauen", der Moderator verstand Pirrung trotzdem nicht, fragte nach: "Was haben Sie getan?" Pirrung sagte: "Isch hab' mir de Balle vunn links uff rechts gelegt unn neigebumbt!"

Fragende Blicke im Studio, Pirrung wiederholte deshalb: "Isch hab' mir de Balle vunn links uff rechts gelegt unn neigebumbt!" Dann gab der Moderator auf. (ebc)

Die 15-jährige Steffi Graf

Am 7. Juli 1984 bewies Harry Valérien, dass er sogar einen eidottergelben Pullover tragen konnte - niemand hätte je gewagt, ihn oder seinen Kleidungsstil in Frage zu stellen. Valérien verband Charme, Kompetenz, Witz und kritische Fragen auf derart spontane wie angenehme Weise, wie man sich das heute gar nicht mehr vorstellen kann.

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Steffi Graf bei einem ihrer zahlreicher Besuche im "Aktuellen Sportstudio".

Was er nicht wusste: An diesem Tag stand die vielleicht beste deutsche Sportlerin aller Zeiten vor ihm: die 15-jährige Steffi Graf, die gerade im Wimbledon-Achtelfinale nur ganz knapp gegen die Engländerin Jo Durie ausgeschieden war. Mit dabei auch Vater Peter, der Tennislehrer (Vater und Tochter spielten natürlich live), die Mutter auf dem Schiedsrichterstuhl und Bruder Michael mit Hund Ben. Bezeichnend auch: Bevor Valérien etwas fragen konnte, war Bruder Michael samt Hund Ben schon verschwunden. Eben öffentlich ein fast unsichtbarer Bruder.

Zum Schluss einer dieser wunderbaren Valérien-Dialoge: "Herr Papa, seit wann kümmern Sie sich um die Tochter?" "Seit dem vierten Lebensjahr", sagt Peter Graf. Valérien: "Also tennismäßig natürlich, sonst kümmert sich der Vater von Geburt an, des is ja logisch." (hum)

Hoeneß gegen Daum

Der 1. FC Köln war tatsächlich mal eine Spitzenmannschaft, Ende der achtziger Jahre war das unter dem damals jungen Christoph Daum. Der schickte vor dem Spitzenspiel des 31. Spieltags täglich Boshaftigkeiten Richtung Bayern-Coach Jupp Heynckes. Eine Kostprobe: "Eine Wetterkarte zu lesen ist interessanter als ein Gespräch mit Heynckes."

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Christoph Daum während seiner Zeit beim 1. FC Köln.

Bernd Heller, Moderator des Aktuellen Sportstudios, hatte vor der Partie Köln - Bayern die Idee, beide Parteien vor laufender Kamera aufeinander loszulassen. Später sollte Heller sagen: "Es war am Rande von Unterschichtsfernsehen à la Nachmittagstalkshow!"

Vornehmlich Daum und der zu Heynckes' Unterstützung angereiste Uli Hoeneß prügelten verbal aufeinander ein, "die waren ja kurz davor, handgreiflich zu werden", so Heller. Wurden sie glücklicherweise nicht, am Ende der Sendung verließen die Teilnehmer gruß- und wortlos das Studio.

Das Spiel gewann dann der FC Bayern und die Meisterschale ging wenig später auch nach München. Viel wichtiger aber: Die innige Feindschaft zwischen Hoeneß und Daum war begründet - und sollte mehr als 20 Jahre später durch Kokain, eine Haarprobe und "ein absolut reines Gewissen" ihren Höhepunkt erreichen. (mkoh)

Uwe Seelers strammer Schuss

Harry Valérien hatte extra noch einmal klargestellt, worauf es ankommt: "Die einzige Sache ist: flach und mittendurch." Doch die Worte des legendären Sportstudio-Moderators aus München blieben an diesem Abend im Jahr 1967 scheinbar ungehört. Uwe Seeler rannte an und drosch einen Lederball mit voller Wucht gegen eine Messlatte, die zur Bezifferung seiner Schussstärke aufgestellt worden war.

Uwe Seeler begutachtet Fußabdruck

Uwe Seeler vor einer überdimensionalen Nachbildung seines rechten Fußes, mit dem er einst eine Messlatte kaputtschoss.

(Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Dabei hätte er doch zwischen den zwei gelben Stangen hindurch schießen sollen. Die ZDF-Fernsehmacher hatte sich alles so schön ausgedacht: Neben "Uns Uwe" war der portugiesische Superstürmer Eusébio zu Gast - und er sollte sich mit dem Hamburger Idol in Sachen Wumms beim Spannstoß messen. Doch noch ehe Eusébio seine Qualitäten unter Beweis stellen konnte, hatte Seeler die Messinstallation demoliert.

"Ouuuhhhhh, um Gottes Willen, Uwe. Geht er no', Herr Ingenieur?" fragte der besorgte Valérien in Richtung der herbeigeeilten Studiotechniker, zu denen sich auch der verwirrte Eusébio bald gesellte.

Seeler hatte das Messteil einfach über den Haufen gebolzt. Nichts ging mehr - auch wenn das raunende Publikum noch darauf hoffte, eine Kostprobe von Eusébios Hammerqualitäten zu bekommen. Das Ding machte keinen Muckser mehr und Seeler war die Sache reichlich unangenehm. Nur einer wollte es schlichtweg nicht wahrhaben: Valérien, der in feinstem oberbayerischen Idiom immer wieder beim Herrn Ingenieur nachfragte: "Geht er no'? Geht er nimma - ja, mein Gott na." Und der arme Eusébio? Der verstand von alledem vermutlich nichts. (jbe)

Weidenfellers genialer Satz

Das Internet ist mitunter ein hundsgemeines Medium. Da macht man gerade die Meisterschaft perfekt, man freut sich auf Champagner und Bier - und plötzlich steht da der Reporter des arabischen TV-Senders Dubai Sports und will einen Satz auf Englisch hören. So erging es dem Dortmunder Torhüter Roman Weidenfeller nach dem Sieg gegen Nürnberg.

Borussia Dortmund

Roman Weidenfeller bei der Meisterfeier von Borussia Dortmund.

(Foto: dpa)

Er beantwortete die in abenteuerlichem Englisch gestellten Fragen des Fernsehmannes in noch abenteuerlicherem Englisch, indem er sagte: "We have a grandios Saison gespielt, we play very well and we have to win the Champion." Besser hätten es Lothar Matthäus und Günther Oettinger auch nicht ausdrücken können. Macht ja nichts, wird sich Weidenfeller gedacht haben, sieht ja keiner. Doch ein paar Tage später wurde das Interview zum Klassiker bei Youtube.

Im ZDF-Sportstudio musste BVB-Spieler Jakub Blaszczykowski gerade noch einmal den Spott für seinen legendären Fehlschuss gegen Freiburg über sich ergehen lassen, als ihn Moderator Michael Steinbrecher fragte: "Sie haben das doch nur gemacht, damit man in 15 Jahren noch über Sie spricht, oder?" Darauf die Antwort des Polen: "Ja, aber trotzdem: Wir have a grandios Saison gespielt." Ein feiner Seitenhieb auf die Englischkenntnisse seines Keeper-Kollegen, über den sich das komplette Fernsehstudio köstlich beömmelte. (jbe)

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