Leben von Udo Lattek:"Wo ich bin, ist immer oben"

Ohne ihn ist Fußball in Deutschland kaum vorstellbar: Udo Lattek holte acht Meisterschaften und alle europäischen Titel. Seine große Stärke war die Motivation, auch abseits des Platzes.

Von Florence Niemann

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UDO LATTEK

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Es gibt Fußballtrainer, die sind nach ihrer Karriere bald vergessen - und es gibt Legenden wie Udo Lattek. Kein deutscher Coach gewann in seinem Leben so viele und so wichtige Titel wie der Mann, der 1935 im ostpreußischen Bosemb geboren wurde.

Nun ist dieses Leben in einem Pflegeheim in Köln zu Ende gegangen: Am 4. Februar starb Lattek dort im Alter von 80 Jahren.

Udo Lattek

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Mit Fußball konnte Udo Lattek (rechts) in seiner Jugend noch nicht so viel anfangen: Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs geboren, interessierte er sich zunächst für Leichtathletik - und war durchaus flott auf den Beinen. Zwar versuchte sich Lattek dann auch mit dem Fußball und schaffte es auch in die höchste Spielklasse, doch zu großen Errungenschaften reichte sein Talent nicht.

Schon Mitte der Sechziger Jahre wechselte er auf die Trainerbank, zum VfR Wipperfürth in Nordrhein-Westfalen. Seine Familie war am Kriegsende aus Ostpreußen vertrieben worden. Nachdem er fünf Jahre als Gymnasiallehrer gearbeitet hatte, erwarb Lattek an der Sporthochschule Köln das Trainerdiplom - es war der Einstieg beim DFB. Er wurde zunächst Assistent von Bundestrainer Helmuth Schön und betreute zusätzlich Jugendmannschaften. 1966 reiste er mit den deutschen Fußballern zur Weltmeisterschaft nach England, bei der Deutschland im Finale gegen den Gastgeber verlor.

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1970 wechselte der damals 35-jährige Lattek (ganz rechts mit seiner neuen Mannschaft im Juli 1970) als Trainer zum FC Bayern München. Er beendete seine erste Saison bei den Bayern bereits auf Platz zwei, holte den DFB-Pokal und fegte die Bedenken seiner Kritiker, vorher noch nie eine Vereinsmannschaft trainiert zu haben, im wahrsten Sinne des Wortes vom Platz. Lattek war ein gewiefter Taktiker. Meistens beharrte er auf seiner eigenen Meinung, die er auch gerne in der Öffentlichkeit kommunizierte, pflegte aber trotzdem einen freundlichen Umgang mit seinen Spielern. Den FC Bayern formte er zur besten deutschen Vereinsmannschaft in der Bundesliga.

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Mit Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller (links) und Georg Schwarzenbeck spielten damals vier Nationalspieler für den FC Bayern München. Lattek ergänzte die Mannschaft noch mit Paul Breitner, Uli Hoeneß und Rainer Zobel, die er bereits in der Jugendnationalmannschaft trainiert hatte. Seine Erfahrungen mit ihnen machten sich bezahlt.

Udo Lattek

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Gleich drei deutsche Meisterschaften in Folge gewann Lattek mit dem FC Bayern: 1972, 1973 und 1974. Der größte Erfolg bis dato war aber der Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1974; im Finale gelang ein Sieg gegen Atlético Madrid. Doch schon in der nachfolgenden Saison sollte alles anders sein: Als der FC Bayern im Dezember auf Rang 14 abgerutscht war, wurde Lattek entlassen. Seine Stärke - die Kunst, seine Spieler im Übermaß zu motivieren - brachte ihn nicht mehr weiter.

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Zu Besuch auf der Trainerbank: Günther Netzer (links) spielte nie unter Udo Lattek. Er wechselte bereits 1973 von der Borussia zu Real Madrid. Lattek kam erst 1975 zu Borussia Mönchengladbach - obwohl er eigentlich schon bei Rot-Weiß Essen unterschrieben hatte. "Was würden Sie denn machen, wenn Sie die Wahl zwischen einem Fahrrad und einem Mercedes hätten", begründete Lattek seine Entscheidung. In Gladbach trainierte er Spieler wie Uli Stielike, Jupp Heynckes und Berti Vogts - also eine recht feine Truppe. Mit Lattek gewann sie 1976 und 1977 die Meisterschaft.

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1979 besiegten die Borussen im Finale des Uefa-Pokals Roter Stern Belgrad und feierten ihren zweiten internationalen Erfolg. Nach vier Jahren verabschiedete sich Lattek vom Bökelberg. Sein ehemaliger Spieler Jupp Heynckes (links), den er zwei Jahre zuvor zu seinem Ko-Trainer berufen hatte, wurde Latteks Nachfolger. Dass Lattek innerhalb eines Jahrzehnts die wichtigsten Titel mehrfach holen konnte - und das mit nicht einmal 44 Jahren - ist ein bis heute selten erreichter Erfolg.

Mancher Kritiker war allerdings der Meinung, Lattek habe einfach immer zum richtigen Zeitpunkt geniale Mannschaften übernommen. Lattek selbst sagte einmal: "Wo ich bin, ist immer oben."

Diego Armando Maradona mit Trainer Udo Lattek beide FC Barcelona; Udo Lattek

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Von der einen Borussia ging es zur nächsten für den ehemaligen Sprinter: 1979 übernahm er in Dortmund. Ergebnis der ersten Saison war ein sechster Platz. In der folgenden Spielzeit traf Lattek ein schwerer Schicksalsschlag: Sein Sohn Dirk starb mit nur 15 Jahren an Leukämie. Lattek bat um eine Vertragsauflösung und verließ Deutschland Richtung Spanien.

Beim FC Barcelona stürzte er sich wieder in die Arbeit - und reüssierte abermals: 1981 gewann das Team das Finale des Europapokals der Pokalsieger gegen Standard Lüttich. Trotzdem blieb sein Erfolg in Spanien nur von kurzer Dauer: Nachdem Diego Maradona (links) sich bei einem Abfahrtstermin des Mannschaftsbusses verspätete, ließ Lattek den Bus ohne die Ikone abfahren - es war der Höhepunkt ewiger Streitereien. Am Ende wurde Lattek entlassen.

Udo Lattek

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Daraufhin kehrte Lattek (hier beim DFB-Pokalsieg im Mai 1984) in die Bundesliga zurück: Beim FC Bayern arbeitete er wieder mit vielen Ausnahmespielern wie Karl-Heinz Rummenigge (links), Lothar Matthäus, Dieter Hoeneß, Jean-Marie Pfaff und Klaus Augenthaler zusammen und erarbeitete sich seinen Ruf als "erfolgreichster deutscher Bundesliga-Trainer". Der Erfolgstrainer schaffte nicht nur einen erneuten Titel-Hattrick (1985, 1986, 1987), sondern 1986 auch das "Double" aus Meisterschaft und Pokal.

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Unter Lattek avancierte der FC Bayern München so zum deutschen Rekordmeister. Zehn Meisterschaften konnte der Verein 1987 schon verbuchen - davon sechs unter Lattek. Der Trainer feierte diesen zehnten Titelgewinn seiner Mannschaft in Unterwäsche (im Bild), nachdem er seine Hose vor Freude in die Zuschauerreihen des Olympiastadions geworfen hatte. Nach diesem Erfolg endete allerdings die Zusammenarbeit, weil er sich mit Uli Hoeneß nicht auf einen Zweijahresvertrag einigen konnte. Latteks Posten übernahm wie schon in Gladbach Jupp Heynckes.

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Für Lattek war nun der Zeitpunkt einer Veränderung gekommen: Beim 1. FC Köln übernahm er das Amt des Technischen Direktors. Er unterschrieb einen Fünfjahresvertrag - doch schon nach sieben Monaten hatte Lattek genug: Querelen mit Trainer Christoph Daum machten ihm das Arbeiten madig. Und zwar so sehr, dass er sich vorerst ganz vom Vereinsleben verabschiedete: Lattek begann, seine Kommentare in Zeilen zu verpacken und wurde Chef-Kolumnist der neu geschaffenen Sport-Bild.

1990 wollte er es dann aber noch einmal wissen: noch einmal beim 1. FC Köln, noch einmal als Sportdirektor. Und wieder gab es Probleme mit dem Trainer, der nun Erich Rutemöller hieß. Den ließ er kurzerhand feuern, 1992 musste er selbst gehen. Es sollte noch ein sechsmonatiger Ausflug als Trainer bei Schalke 04 (im Bild mit Mannschaftsbetreuer Charly Neumann) folgen, ehe ihn Vereinspräsident Günther Eichberg zur Winterpause 1993/1994 wieder entließ.

Udo Lattek und Matthias Sammer

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Sieben Jahre war Lattek anschließend nur in der Presse und im Sportfernsehen zu sehen - doch dann tauchte er abermals im aktiven Fußballgeschäft auf: Borussia Dortmund holte ihn als Retter in der Abstiegsnot, fünf Spieltage vor Saisonende 1999/2000 schaffte er zusammen mit Ko-Trainer Matthias Sammer (vorne) den Klassenerhalt. Nach einem 3:0-Sieg über Hertha BSC Berlin am letzten Spieltag wurde Lattek von 75 000 Fans im Westfalenstadion ausgelassen gefeiert. Dortmund wollte mit Lattek als Trainer verlängern, das lehnte der Erfolgscoach jedoch ab.

Udo Lattek

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Von ihm zu hören, war trotzdem noch: Insgesamt 16 Jahre lang schoss Lattek in der Sport1-Sendung Doppelpass mit seinen Analysen zum Fußballgeschehen um sich. In mehr als 750 Sendungen saß er als Experte in der Stammtischrunde, kritisierte die Bundesliga nicht selten mit spöttischen Kommentaren über Trainer und Spieler. Zudem war er als Kolumnist für Die Welt und den Kicker tätig.

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Lattek besaß einen legendären blauen Glückspullover - damit blieb der 1. FC Köln ab Juli 1987 15 Spiele am Stück ungeschlagen. Eine Nachbildung des Pullovers schenkte der FC seinem ehemaligen Sportdirektor zum 75. Geburtstag. Lattek trug ihn bei der Karnevalsveranstaltung des Klubs, die er mit seiner Ehefrau Hildegard regelmäßig besuchte.

Udo Lattek

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Am 16. Januar 2015 feierte Lattek seinen 80. Geburtstag. Seit Längerem litt er an Parkinson und wurde von seiner Frau in einem Pflegeheim umsorgt. "Ich bin aus dem Nichts gekommen. Ich habe dem Fußball alles zu verdanken", sagte Lattek einst. Mittlerweile verdanken ihm andere einiges, etwa sein ehemaliger Assistent Matthias Sammer. "Seine Lebenslaufbahn ist außergewöhnlich", sagte er im Trainingslager des FC Bayern in Katar, "er hat mir nach meiner sportlichen Laufbahn auch den Weg mit geebnet, um dann in der sportlich zweiten Halbzeit auch gut zurechtzukommen, und das werde ich ihm nie vergessen und ich bin ihm sehr dankbar dafür."

An diesem kalten Februartag endete nun Latteks ereignisreiches Leben.

© SZ.de/ska/lala/jobr
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