Lazios Stürmer Miroslav Klose:Billardstoß des Schleichers

SS Lazio's Klose celebrates after scoring against Inter Milan during their Italian Serie A soccer match in Rome

Zehnter Treffer im 16. Saisonspiel: Miroslav Klose mischt auch in seinem zweiten Jahr bei Lazio Italiens müde Liga auf.

(Foto: SPOSITO/Reuters)

Miro, tiro, gol: Wegen solcher Tore wie bei Lazios 1:0-Sieg gegen Inter darf sich Nationalstürmer Klose in Rom über einen eigenen Dreiklang freuen - und über einen Status, der beinahe dem von Roma-Denkmal Franceso Totti gleicht.

Von Birgit Schönau, Rom

Es war eine typische Klose-Partie, die zu Lazios 1:0-Sieg gegen Inter führte. Das Spiel plätscherte so dahin, die einzigen Höhepunkte waren ein paar Pfostenschüsse von Inter, und auch die Szenerie roch eher nach Arbeit als nach Spaß: Das Olympiastadion war nur gut halbvoll, vom nahen Tiber waberte die Feuchtigkeit schwer herüber, und dazu kam der fiese römische Dezemberregen.

Inter will den Anschluss an Juventus nicht verpassen, Lazio die Champions-League-Qualifikation ergattern - schließlich muss man sich vielleicht bald einen neuen Kapitän kaufen. Stefano Mauri, der Klose in der Offensive bedient, steht ja wegen Wettmauscheleien und Steuerhinterziehung mit einem Bein im Knast.

Miroslav Klose, 34, traf also auf Diego Milito, 33. Die beiden sind in einem Alter, in dem man als Stürmer eigentlich das Beste hinter sich hat. Außer, man spielt in Italien. Da beeindruckt es den Inter-Trainer Andrea Stramaccioni nicht, dass sein Torjäger gerade mal drei Jahre jünger ist als er selbst. Auf der anderen Seite, bei Lazio, ist Coach Vladimir Petkovic vollkommen Klose-abhängig. Nicht, dass Petkovic sich nicht dagegen wehrt. Manchmal lässt er Klose demonstrativ zu Hause, so wie Anfang der Woche gegen CFC Genua. Und verzichtet damit stoisch auf Tore, in Genua gab es wieder nur ein 0:0.

Milito wirkte eine Halbzeit lang wie ein Prediger in der Wüste: ganz allein auf weiter Flur, denn der Rest der Mannschaft fand kaum ins Spiel. Das vielleicht auch, weil ein gewisser Wesley Sneijder bei Stramaccioni vollkommen abgeschrieben ist, der Niederländer durfte auch in Rom nicht spielen und wurde von Fredy Guarin vertreten. Langsam und ideenlos agierte Guarin kongenial mit Militos Sturmpartner Antonio Cassano. Bis zur Pause blieb Inter vollkommen harmlos, und Lazio war weit davon entfernt, das auszunutzen.

Man trudelte kollektiv dem torlosen Remis entgegen, bis sich Klose kurz vor Schluss dazu entschloss, Tatsachen zu schaffen. Zunächst misslang das, wenige Meter vor dem Tor. Aber leichte Treffer sind nicht seine Spezialität. Erst acht Minuten vor Abpfiff wurde ein Treffer daraus, Mauri servierte den Ball, Klose schlenzte ihn diagonal cool ins Tor. Zehn Tore in 16 Spielen, besser sind bislang nur Edinson Cavani vom SSC Neapel und der 20-Jährige Stephan El Shaarawy vom AC Mailand.

"Ein Meisterwerk"

Der ewig unterschätzte Klose mischt auch in seiner zweiten Saison bei Lazio Rom Italiens müde Liga auf, für ihn haben sie den Dreiklang erfunden: Miro, tiro, gol - Miro, Schuss, Tor. "Ein Meisterwerk", lobte Inters Andrea Stramaccioni den Treffer, der Lazio den Sieg bescherte, "auch wenn wir es nicht verdient haben zu verlieren." Auch das typisch Klose: Der Gegner ergibt sich eigentlich immer nur ihm. Zum einen, weil Lazios Rustikal-Fußball niemanden wirklich vom Hocker reißt. Zum anderen, weil Kloses Talent niemand infrage stellt. Er scheint über den Wassern zu schweben, "eine andere Klasse", wie es Stefano Mauri formuliert.

Klose taugt nicht zum "Panzer"

Nicht nur die Torbilanz macht das, sondern auch Kloses zurückhaltender Charakter. Dieser stille, immer etwas gehemmt wirkende Typ taugt nicht zum Star, noch nicht einmal zum typischen "Panzer", wie die Lokalpresse bis dato noch jeden deutschen Spieler genannt hat. (Wer das befremdlich findet: Das deutsche Gegenstück "Legionär" ist genauso dämlich.) Nein, Klose ist kein Panzer, der den Gegner niederrollt, eher ein Schleicher, der still und heimlich an ihm vorbeizieht und dann zusticht.

Deshalb pflegen typische Klose-Partien so abzulaufen wie das Match gegen Inter, 80 Minuten passiert so gut wie nichts, dann kommt Miros Billardstoß. Mit dieser Taktik muss man sich in Deutschland anhören, zu wenig gelaufen zu sein, in Italien gilt das als Zeichen höherer Intelligenz. Dass Klose selbst sich über seine Tore nicht verbreitet, liegt nicht nur an seinem mageren Italienisch. Der Mann spricht einfach nicht gern, genau wie Diego Milito. Das verschafft beiden eine etwas melancholische Aura. Und obwohl Lazio den rüdesten, lautesten Anhang der ganzen Liga hat, ist Miroslav Klose genau deswegen ein echtes Kurven-Idol. "Un signore" sei er, finden die Fans, ein Herr. In Rom hat Klose also wirklich eine bemerkenswerte Karriere gemacht.

Er war beim Papst, er begab sich zum Teamfoto ins Kolosseum. Ansonsten ist die Ewige Stadt für ihn ähnlich tabu wie für den Überrömer Francesco Totti, seit Menschengedenken Kapitän beim AS Rom. Mauri würde vermutlich spontan ein Job als Kellner angeboten, wenn er sich auf der Piazza Navona blicken ließe, weil er nun mal so aussieht, als wäre er mit der Serviette über dem Arm geboren - Totti und Klose zeigen sich besser nicht. Sie riskierten, von ihren liebenden Fans erdrückt zu werden. Für Totti war Rom immer die einzige Station, inzwischen ist er für diese Stadt selbst ein Monument. Für Miroslav Klose könnte es die letzte sein. Und vielleicht die beste.

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