Lautstärkerekord in der NFL:Sieg nach Dezibel

NFL: New England Patriots at Kansas City Chiefs

Als der Rekord gebrochen wurde: Dwayne Bowe von den Kansas City Chiefs bei der Partie gegen die New England Patriots.

(Foto: USA Today Sports)

Die NFL-Klubs Kansas City Chiefs und Seattle Seahawks duellieren sich. Es geht nicht ums Gewinnen, sondern um Lärm. Die Fans aus Kansas stellten einen Brüllrekord auf, doch Seattle will das nicht auf sich sitzen lassen. Die Fehde beschäftigt Amerika.

Von Mathias von Lieben

Die Menschenmassen sind bereit für den Kampf ihrer Gladiatoren. 76 416 Zuschauer auf der einen Seite, 72 000 auf der anderen. Die Kansas City Chiefs und die Seattle Seahawks tragen in der National Football League (NFL) einen erbitterten Wettstreit aus. Doch nicht die Spieler sind bei diesem Duell die Protagonisten, sondern die Fans. Es geht nicht ums Gewinnen, auch nicht um den Tabellenstand, sondern um Lärm. Denn Sieger ist die Mannschaft, deren Fans das lauteste Organ haben.

Seit vergangenem Montag haben in diesem Wettkampf die Anhänger der Kansas City Chiefs wieder die Nase vorn. Sie haben den bestehenden Lautstärkerekord in ihrem Heimspiel gegen die New England Patriots um knapp fünf Dezibel übertroffen. Sie schrien mit einer Lautstärke von 142,2 Dezibel - so laut wie im Arrowhead Stadium war es nie zuvor in einer Sportarena ohne geschlossenes Dach. Damit haben die Kansas City Chiefs die Bestmarke der Fans der Seattle Seahawks übertroffen. Wieder einmal.

Bei der Jagd nach dem Lautstärkerekord gab es in den vergangenen Monaten ein wildes Hin und Her zwischen Seattle und Kansas. Die Bestmarken hatten nie eine längere Halbwertszeit als ein paar Monate. Für den Weltrekordversuch ist nur die eigene Stimme erlaubt, akustische Hilfsmittel sind verboten. Die Fans schreien und kreischen also - und begeben sich in Gefahr.

142,2 Dezibel, das ist so, als lausche man einem Passagierflugzeug ohne Ohrenstöpsel beim Abheben. 90 Dezibel bilden bereits die normale Unbehaglichkeitsschwelle für den Menschen. Der Münchner Ohrenarzt Roland Schuderer empfiehlt deswegen bei Überschreitung dieses Wertes einen Gehörschutz. "Die Konsequenz ist sonst ein Tinnitus oder ein langwieriges Rauschen im Ohr", sagt der Arzt.

Von den Rekordversuchen von "The Twelfth Man" - so werden die Fans in der NFL genannt - hält er dementsprechend wenig. Für Schuderer ist der Guinness-Rekord ein Negativ-Rekord. "Das ist gewollter Irrsinn", schimpft der Arzt. Übersteigt die Lautstärke 150 Dezibel, könnten sogar starke körperliche Schmerzen verursacht werden.

Die Kansas City Chiefs verteilten vor der Partie am vergangenen Montag immerhin 36 000 Paar Ohrenstöpsel. Sonst kümmert die NFL-Vereine die Gesundheit der Fans jedoch nur wenig, denn der Lautstärkerekord verspricht viel Aufmerksamkeit. Bereits vergangene Saison startete die Marketing-Abteilung der Kansas City Chiefs unter dem Hashtag #LoudandProud eine Twitter-Kampagne mit dem Ziel, den Premieren-Rekord der Seahawks zu brechen. Vor dem Spiel am vergangenen Montag heizte das Social-Media-Team der Kansas City Chiefs seinen Fans noch einmal kräftig ein. Ein gelungener PR-Gag. Die Zahl der Follower stieg rasant.

Auch die Schalker Fans kommen auf 129 Dezibel

Der neue Rekord in der NFL war allerdings nicht ganz billig. Denn bei einem offiziellen Rekord-Versuch muss ein Preisrichter vom Guinness-Buch der Rekorde vor Ort sein. Den Rekord zu brechen kostet zwar nichts, den Preisrichter überhaupt im Stadion begrüßen zu dürfen, allerdings schon. Das Guinness-Buch der Rekorde lässt sich die Anreise und sonstige Kosten für die Messung mit mindestens 8 000 US Dollar fürstlich entlohnen. Diesmal hat sich die Investition für die Kansas City Chiefs gelohnt.

Beim letzten Lautstärkerekord vor ein paar Monaten kursierten sogar Meldungen, dass fünf leichte Erdbeben der Stärke 1-2 vernommen wurden. Seismologie-Professor Heiner Igel von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) schränkt jedoch ein: "Erdbeben können nicht durch Schall oder springende Fans verursacht werden." Ein Seismometer könne lediglich seismische Wellen messen, die durch akustische Wellen verursacht werden. "Wissenschaftlich gesehen ist das aber nicht mit einem Erdbeben vergleichbar." Populistisch gesehen dagegen durchaus. Und so ein Erdbeben hört sich schließlich gleich viel mächtiger an. In der NFL gehört der Show-Charakter einfach zum Geschäft.

Doch nicht nur in der NFL, auch in der Fußball-Bundesliga geht es laut zu. Die wird seit Jahren für ihre vollen Stadien und die gute Stimmung beneidet. Doch auch hier können Ohrenärzte Schäden für die Fans nicht ausschließen. Den Lautstärken-Rekord hierzulande hält derzeit der FC Schalke 04 aus dem Jahr 2007. Beim 1:0 gegen den VfB Stuttgart durch Mladen Krstajic wurde ein Lärmpegel von 129 Dezibel gemessen. Auch die Anhänger türkischer Klubs sind für ihren fanatischen Support bei Fußballspielen bekannt. Die Fans von Beşiktaş Istanbul konnten im Mai 2013 mit 141 gemessenen Dezibel beim Heimspiel gegen Gençlerbirliği gar den alten Rekord des Stadtrivalen Galatasaray um neun Dezibel verbessern. In Spielen von Celtic Glasgow im stimmungsvollen Celtic Park werden durchschnittlich 110 Dezibel gemessen. Die schottischen Fans singen eben lieber, als laut zu kreischen.

Der Fan-Rekord der Kansas City Chiefs wurde übrigens im zweiten Viertel des Spiels während eines Time-outs gemessen. Die Freude über den Rekord könnte für Kansas aber nur von kurzer Dauer sein. Bereits am 12. Oktober wollen sich die Seattle Seahawks beim Spiel gegen die Dallas Cowboys den Rekord zurückzuholen. Sie haben bereits einen Offiziellen vom Guinness-Buch der Rekorde angeheuert. Abzuwarten, wie viele Ohrenstöpsel diesmal verteilt werden.

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